Branchenverband für „Bürgerrente“: Versicherer wollen mehr Staatsgeld
Der Lobbyverband der Branche fordert eine neue staatliche Förderung für die private Altersvorsorge. Der Bund soll jeden Euro mit 50 Cent bezuschussen.
Die rot-grüne Bundesregierung hatte 2002 unter anderem mit der Riester-Rente die Teilprivatisierung der Altersversorgung eingeleitet. Damals wurden die Ansprüche künftiger Rentner:innen erheblich gekürzt, im Gegenzug begann die staatliche Förderung der privaten Altersvorsorge. Ein zentrales Argument: Die Bürger:innen sollten von den steigenden Erträgen an den Kapitalmärkten profitieren. Aufgrund niedriger Zinsen und hoher Kosten, etwa für die Vermittlungsprovisionen und Verwaltung, sind mit der Riester-Rente die gerissenen Löcher aber nicht zu stopfen.
Bei Versicherern sind die Verträge unpopulär. Denn die Anbieter müssen garantieren, dass bei Rentenbeginn mindestens die gesamten gezahlten Beiträge und die staatlichen Zulagen zur Verfügung stehen. Sie tragen also das Kapitalmarktrisiko. Es gebe kaum noch Riester-Angebote von Versicherern, sagte Rollinger.
Die staatliche Förderung soll nach den Vorstellungen des Lobbyverbands bis zu einer Grenze von 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgen, das wäre ein Beitrag bis zu knapp 300 Euro. Neu ist: Die Versicherer wollen bei diesen Verträgen nicht mehr garantieren, dass mindestens die gesamten Einzahlungen für die Rente zur Verfügung stehen. Sie wollen das nur für 80 Prozent des Kapitals garantieren. Dadurch soll ermöglicht werden, dass das Geld ertragreicher am Kapitalmarkt angelegt und die neuen Verträge profitabler als die Riester-Rente werden, sagte Rollinger.
Einflussreicher Lobbyverband
Die Assekuranz kann neue Verkaufsimpulse gut brauchen. Die Geschäfte laufen nicht mehr so gut wie früher. Im Jahr 2022 sanken die Beitragseinnahmen im Bereich Lebensversicherung, zu dem die private Altersvorsorge gehört, um 6 Prozent auf 97,1 Milliarden Euro.
Die Organisation Finanzwende, die sich als Interessenvertretung der Bürger:innen versteht, lehnt das Modell ab. „Mit der GDV-Rente liefern die Versicherer eine Lösung für sich, aber nicht für die Bürger“, sagte Britta Langenberg, Vorsorgeexpertin bei Finanzwende. Das Kernproblem für Kund:innen bei den Altersvorsorgeverträgen – die viel zu hohen Kosten – werde nicht angegangen. „Stattdessen wollen sie künftig noch mehr Steuergeld in die eigenen Kassen lenken“, sagte Langenberg.
Finanzwende warnt vor dem Einfluss des GDV. Kein anderer Verband oder anderes Unternehmen habe 2022 so viel Geld für Lobbyarbeit im Bundestag und in Ministerien ausgegeben. Bei der Einführung der Riester-Rente habe der Verband eine tragende Rolle gespielt. Damit sei eine Form der privaten Altersvorsorge geschaffen worden, die vor allem Rendite für die Finanzwirtschaft erzeugt – die Rente vieler Menschen aber kaum verbessert habe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“
Felix Banaszak über das Linkssein
„Für solche plumpen Spiele fehlt mir die Langeweile“
Geschlechtsidentität im Gesetz
Esoterische Vorstellung
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod