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Iran-Revolution in BerlinDruck machen mit Briefeschreiben

Politische Patenschaften können Gefangenen in Iran helfen, sagt die Aktivistin Daniela Sepheri. In Berlin machen 29 Abgeordnetenhaus-Mitglieder mit.

Auch Schauspieler Hossein Mohammadi wurde in Iran zum Tode verurteilt Foto: privat

Berlin taz | Politische Patenschaften für politische Gefangene in Iran wirken, davon ist die Berliner Aktivistin Daniela Sepheri überzeugt. „Es gibt spürbare Verbesserungen“, sagte sie am Montag der taz. 30 Inhaftierte, um die sich Pa­t:in­nen kümmern, seien bislang freigelassen worden, 5 bis 6 Todesurteile aufgehoben – und bei vielen Inhaftierten mit Pa­t:in­nen seien die Haftbedingungen spürbar verbessert worden. „Nicht in allen Fällen, wo es Patenschaften gibt, passiert etwas. Aber es ist auf jeden Fall ein zusätzliches Instrument“, sagt Sepheri.

Die Idee der politischen Patenschaft ist nicht neu, die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte organisiert dies seit Jahren für politische Gefangene. Nach Beginn der Iran-Revolution haben die Aktivistinnen Daniela Sepehri, Mariam Claren und Mina Khani das Konzept weiterentwickelt, „wir wollten schnell und unbürokratisch etwas in der Art starten“, so Sepheri. In Berlin kooperieren sie dabei mit dem Woman Life Freedom Collective.

Bis heute haben nach Sepheris Angaben knapp 300 deutsche Po­li­ti­ke­r:in­nen aus Bundestag, Landtagen und EU-Parlament die Patenschaft für je ei­ne*n In­haf­tier­te*n der iranischen Revolution übernommen. Aus dem Berliner Abgeordnetenhaus seien 29 Abgeordnete dabei, davon 21 von der Linkspartei, 4 Grüne, 3 SPD-Abgeordnete und eine von der FDP.

Die Linke-Abgeordnete Katalin Gennburg ist seit Anfang Dezember politische Patin von Schauspieler Hossein Mohammadi. Wie alle Pa­t:in­nen hat sie Briefe geschrieben an Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), den iranischen Botschafter in Berlin und verschiedene Menschenrechtsbeauftragte mit der Bitte, sich für Mohammadi einzusetzen. Der 26-Jährige wurde im Zuge der Proteste Anfang November in Karaj festgenommen und nur wenige Tage später zum Tode verurteilt. Angeblich soll er an einem Mord beteiligt gewesen sein, es war ein Schnellprozess ohne rechsstaatliche Mindeststandards wie alle Verfahren in Iran gegen Aktivist:innen.

„Keine Symbolpolitik“

Reaktionen auf ihre Briefe habe sie noch nicht bekommen, so Gennburg zur taz. Aber auch wenn die Wirkung der Patenschaften schwer zu messen sei, seien sie „keine reine Symbolpolitik“. Neben den Briefen und der Social-Media-Arbeit, etwa auf Twitter, gehe es darum, als Pa­t:in „die Leute, die hier für die Revolution kämpfen, langfristig zu unterstützen“. Sie wolle Sichtbarkeit für Aktivist:innen, etwa von Woman Life Freedom Berlin, herstellen. „Es gibt viele Dinge konkret zu tun“, sagt Gennburg, etwa das Aufenthaltsrecht für iranische Ak­ti­vis­t:in­nen sichern.

Die SPD-Abgeordnete Tamara Lüdke hat eine Patenschaft für die 23-jährige Shaghayegh Khademi übernommen. „Dabei geht es vor allem um Sichtbarkeit und politischen Druck auf das Mullah-Regime“, sagt sie. Auch sie will mehr tun, als Briefe zu schreiben – den iranischen Frauen eine „Plattform“ geben, um ihre Arbeit hier bekannt zu machen. Im Zuge dessen hatte Lüdke am Sonntag die Aktivistin Sanaz Azimipour von Woman Life Freedom Collective Berlin zu einer Veranstaltung eingeladen.

Die FDP-Abgeordnete Maren Jasper-Winter ist Patin von Javad Rouhi, einem 35-Jährigen, der ebenfalls zum Tode verurteilt wurde. Ob ihre Briefe etwas bewirken, vermag auch sie nicht zu sagen. Aber sie hoffe, mit ihren Posts auf Facebook und Co auf sein Schicksal aufmerksam zu machen, „damit er und die ganze Situation in Iran nicht vergessen werden“.

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