piwik no script img

18. Todestag von Oury JallohGegen die lahmen Mühlen der Justiz

Rund 1.500 Menschen haben sich am Samstag in Dessau versammelt. Sie erinnern an Oury Jalloh, der am 7. Januar 2005 in einer Polizeizelle verbrannte.

Zum Gedenken an Oury Jalloh kommen heute mehr Menschen zusammen als kurz nach seinem Tod in der Polizeizelle Foto: Jan Woitas/dpa

DESSAU taz | Bei der Auftaktkundgebung sagte Mouctar Bah von der Initiative Gedenken an Oury Jalloh, dass sich 2005, direkt nach dem Tod Jallohs, nur 25 Menschen vor der Polizeiwache versammelt hatten. “Heute kann ich euch nicht alle zählen. Damals haben sie uns für verrückt erklärt, haben gesagt, dass es so etwas in Deutschland nicht gibt.“ Der aus Guinea angereiste Bruder Jallohs sagte, dass auch nach so langer Zeit so viele Menschen versammelt seien, gebe der Familie “die Kraft, weiter zu machen.“

Obwohl der viele Jahre für den Fall zuständige Oberstaatsanwalt seit 2017 von einem Mord ausgeht, hat die Justiz in Sachsen-Anhalt den Fall für abgeschlossen erklärt. Zuletzt wurde ein Klageerzwingungsverfahren, das die Familie angestrengt hatte, im Oktober 2019 durch das Oberlandgericht Naumburg abgewiesen.

Dagegen hatte der Bruder Jallohs 2019 Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt. Es bestehe eine Verpflichtung zur weiteren Strafverfolgung, sagte er. Im Frühjahr 2022 hatte das Bundesverfassungsgericht lediglich die Stellungnahmen des Justizministeriums von Sachsen-Anhalt und der Bundesanwaltschaft eingeholt. Die hatte es wiederholt abgelehnt, das Verfahren an sich zu ziehen. Entschieden hat das Gericht in Karlsruhe bis heute nicht.

Die Initiative Gedenken an Oury Jalloh bringt das auf. Sie verweist darauf, dass in Karlsruhe innerhalb der ersten zwei Jahre 90 Prozent der Verfahrenseingänge entschieden und nur zwei Prozent aller Fälle mehr als drei Jahre dauern. „Hier stellt sich die Frage, warum ausgerechnet der Fall von Oury Jalloh zu diesen ‚Ausnahmen‘ gehört“, heißt es in einer Stellungnahme der Initiative. Es sei bis heute unklar, ob die Beschwerde überhaupt zur Entscheidung angenommen wird.

Für die Initiative ist eine Entscheidung in Karlsruhe deshalb von Bedeutung, weil sie den Fall vor den Europäischen Gerichtshof bringen will. Das aber ist erst möglich, wenn alle nationalen Instanzen ausgeschöpft sind.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Lahme Mühlen der Justiz? Es wäre halbwegs erträglich, wenn es nur das wäre. Wenn vorsätzlicher Mord. sehr bewusst von Behörden insgesamt ganz bewusst ignoriert wird, dann ist das nicht nur lahm....

  • 6G
    659428 (Profil gelöscht)

    Die Überschrift ist schlecht informiert, einer der "mutmaßlich" am Mord beteiligten Bullen wurde schon einmal angeklagt, nur hatte die Staatsanwaltschaft "versäumt" genug Beweise zu sammeln. Jetzt ist der Bulle auf Lebenszeit vor einem Urteil in dem Fall geschützt.



    Wieder einer dieser Zufälle, welche in dem Verfahren alle zwei Tage passieren.

    • @659428 (Profil gelöscht):

      Warum sollte er denn geschützt sein?



      Angeklagt wurde wegen " fahrlässiger Tötung".



      Von Mord war keine Rede.

      Außerdem s.a. §362 Strafprozessordnung:

      "Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zuungunsten des Angeklagten ist zulässig,



      ...



      (5) wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, die allein oder in Verbindung mit früher erhobenen Beweisen dringende Gründe dafür bilden, dass der freigesprochene Angeklagte wegen Mordes (§ 211 des Strafgesetzbuches), Völkermordes (§ 6 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches), des Verbrechens gegen die Menschlichkeit (§ 7 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechens gegen eine Person (§ 8 Absatz 1 Nummer 1 des Völkerstrafgesetzbuches) verurteilt wird."

    • @659428 (Profil gelöscht):

      Man darf nur einmal wegen einer Tat bestraft werden.



      Aber wenn ein Verfahren eingestellt wurde muss das nicht zwangsläufig für immer sein.