: Hunde müssen draußen bleiben
Viele Obdachlose mit Tieren finden keine Unterkünfte, dabei könnten Kommunen das ändern
Von Esther Geißlinger
Bett und Körbchen“ bietet das „Harburg-Huus“ im gleichnamigen Hamburger Stadtteil. Im Sommer 2018 eröffnete der Kreisverband des Roten Kreuzes die Unterkunft, die sich speziell an Obdachlose mit Hund wendet. Das Haus wird durch Spenden finanziert und von zahlreichen Ehrenamtlichen getragen. Die Bewohner*innen sind froh über das Angebot: „Ich kann mir nicht vorstellen, ohne meinen Hund unterzukommen“, sagt eine Obdachlose namens Victoria in einem Video auf der Homepage des Harburg-Huus.
Wie Victoria geht es vielen Betroffenen, doch Unterkünfte, in die sie ihre Tiere mitbringen können, gibt es höchst selten. Nur wenige, bundesweit verstreute Plätze für Zwei- plus Vierbeiner lassen sich finden. In Hanau nehmen die „Strassen-Engel“ Personen mit Hunden auf, und in Nürnberg können sie in das „Quar-Tier“ ziehen, eine Pension der Johanniter mit 21 Plätzen. Finanziert wird dieses Angebot für die Menschen durch die Stadt, die Kosten für die Tiere durch Spenden.
Aus Sicht der Organisatoren in Nürnberg spielen die „Hunde eine zentrale pädagogische Rolle“, heißt es auf der Homepage. Eine enge Bindung an das Tier könne „Kompetenzen wie Konfliktfähigkeit, Selbstkontrolle, Fürsorge oder Verantwortungsübernahme“ fördern und damit helfen, in ein Leben mit Wohnung und Arbeit zurückzufinden.
Neben diesen Projekten bieten einige Tierheime eigens Schlafplätze für die Hunde von Obdachlosen an. Doch das werde „leider wenig angenommen“, heißt es aus dem Tierheim Essen.
Menschen haben das Recht auf eine Unterkunft, darauf weist die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) hin. Denn „durch den Zustand der (unfreiwilligen) Obdachlosigkeit werden wichtige Individualrechte wie Recht auf Leben, auf Gesundheit, auf körperliche Unversehrtheit und auf Menschenwürde gefährdet“, heißt es in einem Rechtsgutachten des Vereins, der bundesweit Lobbyarbeit für die Belange von Menschen ohne Wohnung macht.
Die Polizei als Hüterin der öffentlichen Sicherheit muss diese Rechte wahren, ebenso die Kommunen, also die Städte oder Gemeinden. Sie haben die Pflicht, eine Unterkunft zu stellen, wenn ein obdachloser Mensch das beantragt – unabhängig davon, wie lange sich die Person bereits in der Gemeinde aufhält. Die Unterkunft muss den „Mindestanforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung entsprechen“, heißt es im Gutachten der BAGW. Das bedeutet eine „angemessene Ausstattung“ mit der „Gewährleistung der notwendigsten Bedürfnisse“ sowie eine „ganztägige Unterbringungsmöglichkeit“.
Das Problem: Ein Hund zählt nicht zu den „notwendigsten Bedürfnissen“, es gibt kein Recht auf einen Schlafplatz für die Vierbeiner. In den bayerischen „Empfehlungen für das Obdachlosenwesen“ werden Tiere ausdrücklich ausgeschlossen: „Es besteht weder ein Anspruch auf Räume bestimmter Art, Lage oder Größe oder für eine bestimmte Zeitdauer noch ein Anspruch auf Raum für berufliche Arbeit, sonstige Beschäftigung oder zur Unterbringung von Haustieren“, heißt es auf der Homepage der Staatskanzlei.
Doch die Kommunen können Tiere durchaus genehmigen. So entschied der Rat der Stadt Schleswig, dass Tiere nach schriftlicher Genehmigung in der Unterkunft zugelassen seien, allerdings mit Auflagen: „Die Zustimmung wird nur dann erteilt, wenn der/die Benutzer/in erklärt, dass er/sie die Haftung für alle Schäden, die durch das Halten eines Tieres verursacht werden können, ohne Rücksicht auf eigenes Verschulden, übernimmt und die Stadt insofern von Schadensersatzansprüchen Dritter freistellt.“
Auf Nachfrage teilte die Sprecherin der Stadtverwaltung allerdings mit, dass die Regelung faktisch nie angewendet werde. Schließlich seien in kalten Nächten oft mehrere Personen in der städtischen Notunterkunft untergebracht, die vielleicht Allergien gegen Hundehaare oder Angst vor dem fremden Tier hätten. Zudem sei es nicht möglich, dass ein Obdachloser die Auflage erfüllt: „Wie soll jemand die Stadt von Schäden freihalten können?“
Auf die Frage, wohin obdachlose Menschen mit ihren Tieren dann gehen könnten, gibt die Sprecherin zu: „Das Problem ist nicht wirklich gelöst.“
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