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Weihnachten mit Mozarts „Zauberflöte“Damals leider gang und gäbe

Sich mit Kindern die „Zauberflöte“ von Mozart in der Staatsoper Unter den Linden anzusehen, ist eine schöne Sache. Es bedarf aber Vorbereitungen.

Julian Prégardien bei Proben zu Mozarts „Zauberflöte“ in der Inszenierung von Yuval Sharon Foto: dpa/Annette Riedl

N atürlich ist es immer gut, mit Kindern schon Tage vorher über das zu sprechen, was ansteht. Im Fall von Mozarts „Zauberflöte“, die wir seit zwei, drei Jahren jedes Weihnachten mit Mann, 14-jähriger Tochter und fast 9-jährigem Sohn in verschiedenen Ausführungen an verschiedenen Orten besuchen, bietet sich das ganz besonders an. Noch mal die Geschichte durchgehen, noch mal die Musik hören, ein bisschen über Mozart und seine Geschlechterklischees plaudern – von wegen standhafter Jüngling und machtgierige Mutter und so.

„Und wie sie den Monostatos wohl dieses Mal angemalt haben?“, fragt die politisch interessierte Tochter dann auf dem Weg. „Wer war noch mal Monostatos?“, fragt der Sohn. Ich schaue kurz ins Handy: Monostatos, erkläre ich dann, ist der schwarze Mann, der Tamina haben will, notfalls mit Gewalt, und in den meisten Inszenierungen wird er als dumm, hässlich und gefährlich dargestellt. Mozart hat in seiner Oper, die wir trotzdem alle sehr lieben, rassistische Denkweisen, die damals leider gang und gäbe waren, wiedergegeben. „Hm“, sagen die Kinder.

Zweimal „Zauberflöte“ Die Inszenierung von August Everding ist in der Berliner Staatsoper Unter den Linden wieder und zum letzten Mal am 2. Weih­nachts­feiertag zu erleben; die Mozart-Oper in der Inszenierung von Yuval Sharon steht wieder am 22. und 24. März 2023 auf dem Spielplan.

Ich scrolle weiter. Oft erscheint Monostatos auf der Bühne heute nicht mehr als „Mohr“, sondern als abstraktes Monster oder gar als Nosferatu oder Spielzeugroboter mit einem Schlüssel zum Aufziehen im Rücken. Letzteres gefällt vor allem dem Sohn. Eigentlich kann sich ja heute niemand mehr damit begnügen, mache ich weiter, dass Mozart in der Zauberflöte auch hin und wieder zart den Rassismus kritisiert. Einmal beschwert sich beispielsweise Monostatus, dass auch schwarze Menschen Gefühle haben. Ein andermal denkt Papageno, der Vogelfänger, darüber nach, warum er Angst vor schwarzen Männern hat, nicht aber vor schwarzen Vögeln wie beispielsweise Amseln.

Wir sind gespannt, als wir endlich in der Staatsoper Unter den Linden in Berlin sitzen, wo gleich der Klassiker im Repertoire gezeigt wird: August Everdings Inszenierung, die hier 1994 Premiere feierte, inklusive der Rekonstruktion der 1816 für die damalige Hofoper Unter den Linden entstandenen Dekorationen von Karl Friedrich Schinkel.

Das liegt eher an ihrer tollen Stimme

Es geht ein Raunen durch die Reihen, als die Sopranistin Victoria Randem als Tamina zum ersten Mal auftaucht. Das liegt wahrscheinlich eher an ihrer tollen Stimme als an ihrer Hautfarbe. „Ist das eine Person of Color?“, will die Tochter trotzdem wissen. Ich kann es ihr erst nach einem Telefonat am nächsten Tag beantworten, in den Worten der Leiterin des Pressebüros der Staatsoper Victoria Dietrich: „Victoria Randem ist nicht als Tamina besetzt worden, weil sie eine Person of Color ist, sondern aufgrund ihres künstlerischen Könnens.“

Die Rolle sei übrigens bei der Premiere der Everding-Inszenierung 1994 von Janet Williams gesungen worden, ebenfalls eine Person of Color. Dennoch liege auch eine Kraft in der Präsenz von People of Color auf der Opernbühne, wobei „wir hoffentlich in der Zukunft irgendwann an einem Punkt sind, wo das auf der Opernbühne in diesem Repertoire auch nicht mehr als überraschend angesehen wird“.

Trotzdem ergibt es einen merkwürdigen Effekt, als plötzlich der filigrane Florian Hoffmann als Monostatos auf der Bühne erscheint, mit einem schwarz-blauen abstrakten Fantasie-Make-up, das von der Stirn bis zu den Augen geht und dann verläuft. In der ursprünglichen Everding-Inszenierung wurde Monostatos komplett geblackfaced. „Fauler Kompromiss“, sagt die Tochter. Als Papageno dann auch noch Tamina als „schön Mädchen, jung und fein, viel weißer noch als Kreide“ ansingt, muss die Tochter grinsen. „Das hätte man irgendwie alles anders machen müssen“, findet sie.

Es gibt in der Staatsoper nicht nur Workshops für Schulklassen, wo über Geschlechterklischees und rassistische Textpassagen diskutiert wird, sondern eine weitere Inszenierung der „Zauberflöte“ von Yuval Sharon, bei der die Auseinandersetzung innerhalb der Inszenierung stattfindet. Die schauen wir uns nächstes Jahr an.

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Redakteurin taz.Berlin
Jahrgang 1971, schrieb 1995 ihren ersten Kulturtext für die taz und arbeitet seit 2001 immer wieder als Redakteurin für die taz. Sie machte einen Dokumentarfilm („Beijing Bubbles“) und schrieb zwei Bücher über China („Peking" und "Chinageschichten“).
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6 Kommentare

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  • Alle wissen das es hinter den bühnen rassistischer und sexistischer als in jedem konzern abläuft, da muss ich mir auch nichts mit einer poc mehr oder weniger vormachen.

  • 1G
    14231 (Profil gelöscht)

    "Die Zauberflöte" gilt vielen als eine der rätselhaftesten Opern überhaupt. Bevor man sich auf kindliche Fragen einlassen muss, bei denen selbst Musikwissenschaftler ihre Schwierigkeiten haben, ist es gewiss einfacher, sich an Oberflächlichkeiten wie Hautfarbe oder Maske abzuarbeiten und damit zumindest sagen zu können, dass der Nachwuchs diese schrecklichen Machwerke mit dem politisch korrekten Blick des aktuellen Mainstreams verfolgt hat. Damit wird man jedoch weder dem Werk noch den Künstlern gerecht, deren Arbeit nicht nur darin besteht Tonleitern zu üben und sich anmalen zu lassen, sondern auch darin, sich Gedanken über das Werk und seine Interpretation zu machen. Ob die Autorin dies auch gegenüber der Künstlerin ignoriert und lieber deren Hautfarbe als ihre Arbeit besprochen hätte?

    Wenn ein Werk wie die Zauberflöte schon kritisch besprochen wird, sollte vor allem der damalige zeitgeschichtliche und kulturelle Kontext bedacht werden, statt heutige Maßstäbe anzulegen. So mögen die Darstellungen von Moslems oder Schwarzen in der "Zauberflöte" und der "Entführung aus dem Serail" nach heutigen Maßstäben stereotyp sein, nach damaligen waren die relativ menschlichen Darstellungsweisen eher progressiv.

    Die aktuell gängigen Kultur- und Sprachbereinigungen haben in meinen Augen eher etwas mit Selbstentsühnung zu tun, denn mit Aufarbeitung. Dabei wird gerne übersehen, dass mit der vollkommenen Verbannung von Stereotypen und Begriffen auch all das aus der Geschichte eliminiert wird, wofür diese stehen.

    Grundsätzlich halte ich es für einen Fehler, Kinder auf solch eine Vorstellung vorzubereiten. Die Unbefangenheit, und die Möglichkeit eine Vorstellung rein sinnlich und emotional zu beurteilen, ohne darüber hinaus in eine Analyse auf Grundlage mitgebrachter Normen und Kenntnisse zu verfallen, ist etwas, worum ich Kinder aber auch Erwachsene, denen das ganze Genre noch neu ist, beneide. Solche Vorbereitungen berauben Kinder dieser Erfahrung.

  • Klassische Opern spielen übrigens auch in aristokratischen Gesellschaftsschichten.



    Wenn man an all das die PC - Kriterien von heute anlegt, dürfte man vermutlich keine Werke vor 1970 mehr ansehen.

    Das wäre dann zwar PC aber dafür kulturfrei.



    Ich persönlich ziehe da die aktive Auseinandersetzung mit den vergangenen Zeiten vor. Der Ansatz aus dem Artikel gefällt mir da sehr gut.

    • @Sonntagssegler:

      Was sind denn klassische Opern? Mir fallen dutzende Opern vor 1970 ein, die ohne blaublütiges Gesocks auskommen. Dass Adel auf der Opernbühne allerdings lange Zeit eine conditio sine qua non war, hängt damit zusammen, dass im Theater oft Machtfragen diskutiert werden. Und diese Macht hatte eben der Adel ..

  • >„Victoria Randem ist nicht als Pamina besetzt worden, weil sie eine Person of Color ist, sondern aufgrund ihres künstlerischen Könnens.“

    Wieso schreibt die Pressestelle denn von Pamina und nicht wie die Autorin, die das Stück ja sorgfältig analysiert hat, konsequent Tamina? Hat die Pressestellung echt keine Ahnung, wie die Figur ihrer eigenen Oper heißt?

  • Ein Herz für Mozart. Inhaltlich müsste man Schikaneder kritisieren, nicht den Komponisten...