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Krieg, Inflation, Energiekrise„Generation Mitte“ stark verunsichert

Die Stimmung in der Generation der „Leistungsträger“ ist trübe. Viele der befragten 30- bis 59-Jährigen haben Sorge vor dem wirtschaftlichen Abstieg.

Die andauernden Krisen bereiten Sorgen Foto: Fernando Gutierrez-Juarez/dpa

Berlin dpa | Der Krieg in der Ukraine, die anhaltend hohe Inflation und die Energieknappheit verunsichern nach einer Umfrage die 30- bis 59-Jährigen in Deutschland stärker als die Coronapandemie vor einem Jahr. Die sogenannte Generation Mitte schaut mit großer Sorge vor einem wirtschaftlichen Abstieg auf die kommenden Monate, wie die am Dienstag vorgelegte jährliche Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach für die Versicherungswirtschaft (GDV) ergab. Vor einem Jahr, inmitten des zweiten Corona-Herbstes, habe die mittlere Generation noch mit verhaltener Zuversicht nach vorn geschaut. Nur zwölf Monate später sei der Optimismus vollends verflogen. Zuvor hatte der Spiegel darüber berichtet.

Im Auftrag der Versicherer befragt das Institut für Demoskopie Allensbach jedes Jahr 30- bis 59-Jährige in Deutschland. Nach der Untersuchung schaut mehr als die Hälfte (51 Prozent) der Befragten mit „großen Befürchtungen“ auf die kommenden Monate, weitere 27 Prozent mit „Skepsis“. Die Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach, Renate Köcher, sprach von einem beispiellosen Stimmungseinbruch: „Auch im vergangenen Jahr und insbesondere im ersten Pandemiejahr 2020 waren die Menschen besorgt, aber sie waren nicht annähernd so pessimistisch wie jetzt.“

GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen verwies darauf, dass drei Viertel der Befragten für das kommende halbe Jahr mit einem wirtschaftlichen Abwärtstrend rechneten: „Und auch mittelfristig erwartet die Mehrheit keine Besserung, sondern eine längerfristige Schwächephase.“

Noch auffälliger wird demnach der Pessimismus im Langfristvergleich der persönlichen wirtschaftlichen Situation. Hier ziehen den Angaben zufolge 38 Prozent die Bilanz, dass es ihnen heute schlechter geht als vor fünf Jahren. Lediglich 33 Prozent seien der Ansicht, dass es ihnen besser geht. „Damit überwiegen zum ersten Mal seit Beginn der „Generation Mitte“-Befragung 2013 Wohlstandseinbußen gegenüber Wohlstandsgewinnen“, sagte Asmussen. „Selbst in den beiden Pandemiejahren war in diesem Vergleich der Anteil der Optimisten doppelt so groß wie der Anteil der Pessimisten.“

Staat soll die Auswirkung der Inflation gering halten

Die Sorge vor steigenden Preisen sei für 85 Prozent der Befragten der größte Punkt. 56 Prozent befürchteten, dass sie wegen der Inflation in finanzielle Schwierigkeiten geraten könnten und 45 Prozent, dass dadurch ihre Ersparnisse entwertet werden. Neben der Inflation beunruhige vor allem die Energieversorgung. Die mittlere Generation sehe den Staat in der Pflicht, die Auswirkungen von Inflation und Energieknappheit so gering wie möglich zu halten. Fast zwei Drittel sehen dies der Umfrage zufolge als staatliche Aufgabe. Nur 25 Prozent halten das für eine überzogene Erwartungshaltung.

Die laut dem Branchenverband GDV mehr als 35 Millionen 30- bis 59-Jährigen in Deutschland stellen 70 Prozent der Erwerbstätigen dar und erwirtschaften den Angaben zufolge mehr als 80 Prozent der steuerpflichtigen Einkünfte. Die „Generation Mitte“ sei damit im wahrsten Sinne des Wortes der „Leistungsträger“ der Gesellschaft.

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9 Kommentare

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  • Diese Generation zahlt nicht nur Steuern, sondern auch reichlich Sozialabgaben. Sie sieht den Verfall der Infrastruktur, kaputte Schulen, Straßen, Geldverschwendung des Staates für Protzbauten, Sozialausgaben oder den tausendsten Beauftragten für alles mögliche und ist dabei gefühlt ohnmächtig. Es brodelt gewaltig bei den Steuerzahlern, die den Laden aufrecht halten.

    • @Emsch:

      Wieso "ohnmächtig"? In den Spiegel schauen und einfach darüber nachdenken, mit welchen Wahlentscheidungen man zur aktuellen Situation beigetragen hat, wäre schon einmal ein erster Schritt.



      Wenn ich aber die aktuellen Umfragen zur "Sonntagsfrage" anschaue, muss ich mich schon fragen, ob das auch stattfindet. Die CDU mit Mr. Blackrock an der Spitze kommt immer noch auf 28%. Schwarze Null, Rückzug des Staates aus Bereichen der öffentlichen Daseinsfürsorge und Rückbau staatlicher Leistungen bei gleichzeitigem Verscherbeln des Tafelsilbers an Investoren, das war doch alles die Agenda der letzten 16 Jahre. Plus privilegierter Zugang des Großkapitals zur Politik.

  • Diese "Generation der Mitte" hat auch die Politik der Mitte gewählt. Warum verunsichert sie genau das, was sie selbst gewählt haben? Oder gibt es da etwas ein Problem mit dem Begriff "Mitte" oder damit, wer wen befragt und dies dann für die Mitte hält?

  • Diese "Geldbeutel ist wichtiger als das Leben" - Mentalität ist ein gesellschaftlich abgesegnetes Modell kognitiver Dissonanz und egomaner Moral.



    Und unser Ende.



    Dass zu sehen, braucht es keine Kristallkugel mehr.



    Und solange hier unzählige Kilowattstunden in den Altglascontainern und auf den Strassen landen, wird das auch nicht besser.

    Ein ärztliches "Dankeschön, ihr Krampen" an meine Mitboomer.

  • Mich hat leider keiner gefragt. Ich habe ganz andere Sorgen. Wären tatsächlich mit "Vorletzte Generation" (s.u.) besser zu beschreiben...

  • Nun, vielen der Befragten dürfte ziemlich klar sein, dass sich die Inflation des laufenden Jahres (aktuell bei etwa 11 %) und je nach Prognose im kommenden Jahr weitere 10 % kaum ausgleichen lassen.

    Was natürlich für viele handfeste Wohlstandseinbußen bedeutet. Das sich da die Aussichten ein Trüben erscheint, nicht groß verwunderlich.

  • "Die mittlere Generation sehe den Staat in der Pflicht, die Auswirkungen von Inflation und Energieknappheit so gering wie möglich zu halten"

    Klar ist das staatliche Aufgabe, sinnlose Frage. Das Individuum kann die Inflation und Energieknappheit kaum beeinflussen, es sei denn man sammelt Holz im Wald, was aber mittlerweile auch verboten ist.

    Es ist ja wohl auch keine Überraschung, dass man angesichts der aktuellen Entwicklung nicht rosig nach vorne schaut.

    Ansonsten, wie die Vorredner, was soll "Mittlere Generation"?



    30 und 59 Jährige können schon zwei Generationen sein. Ausserdem geht es nur um Geld, bzw. Steuer.



    Vielleicht "Vorletzte Generation, VLG?"

  • "Generation Mitte"?! Sucht man nach dem Ursprung dieser begrifflichen Merkwürdigkeit, lernt man schließlich, dass es sich dabei um all jene handeln soll, die "in der Mitte des Erwerbslebens stehen" (Wirtschaftswoche 2017). Das Geheimnis ihrer Leistungsträgerschaft ist damit aber sogleich gelüftet, denn wenn wer noch nicht, oder nicht mehr arbeitet, kommt freilich auch nicht für 80% der Steuerlast auf. Vollkommen unklar bleibt allerdings, weshalb man sich da nicht einfach mit den "Erwerbstätigen" zufriedengibt sondern eine "Generation Mitte" daraus machen muss.

  • Ja klar mal wieder, meine eigene Generation:



    Leistungsträger und gleichzeitig verängstig. Suche den Fehler!



    Muss man halt nach Vater Staat rufen um sich besser zu fühlen. Dann haben wir das auch nicht besser verdient.