Jahresbilanz der SPD-Chefs: Erfolge im Stakkato
Saskia Esken und Lars Klingbeil bilanzieren ihr erstes Jahr als SPD-Vorsitzende. Der Rückblick fällt positiv aus – auch dank klarer Aufgabenteilung.
BERLIN taz | Seit genau einem Jahr führen Saskia Esken und Lars Klingbeil die SPD. Am Montagmorgen ziehen beide, die 2022 wenig gemeinsame Pressetermine absolvierten, im Willy-Brandt-Haus in Berlin ein Resümee. Es fällt wie erwartet aus: Die Krisen sind, von Inflation bis Ukrainekrieg, gewaltig, doch auf die SPD sei Verlass. Man habe viel erreicht. Die Reihe der Erfolge ist lang – von 12 Euro Mindestlohn über die Ausweitung des Wohngelds und Bürgergeld bis zu Gaspreisbremse und Übergewinnsteuer. Auch die Spitze funktioniere störungsarm. „Unser Verhältnis ist belastbar“, sagt Klingbeil, Esken nickt. Die Parteispitze präsentiert einen kurzen im Wahlkampfstyle gehalten Clip, der die SPD-Erfolge im Stakkatotempo preist.
Zufrieden blickt die SPD-Führung auf auch die Wahlen 2022. Man haben eine Ministerpräsidentin gewonnen (im Saarland) und die CDU in Hannover aus der Regierung gedrängt. Die Niederlage in NRW wird still übergangen. „Fraktion gut, Partei auch“, so fasste einst Franz Müntefering zackig die Lage zusammen. Esken und Klingbeil klingen, wortreicher, ähnlich: Partei gut, Fraktion auch, mit der man bestens zusammenarbeite. Auffällig ist, wie Esken die Aufgabe der SPD zeichnet. „Wir haben als Partei die Rolle, die Regierung ein Stück weit zusammen zu halten“. Das ist allerdings der Job des Kanzlers, nicht der Partei, die in diesem Bild als Hilfskraft erscheint. Das war schon zu Münteferings Zeiten keine gute Idee.
In dem Duo gibt es eine klare Aufgabenteilung. Esken ist vor allem für Soziales und Digitales zuständig und kündigt an, dass 2023 die Kindergrundsicherung kommen soll. Scholz Idee, Frühverrentungen wegen des Arbeitskräftemangels einzuschränken, lenkt sie in überschaubare Bahnen. Es werde „keine Debatte über eine Erhöhung des Renteneintrittsalters geben“, so Esken. Dafür müsse man mehr tun, damit 58-Jährige, die arbeitslos werden, wieder einen brauchbaren Job finden. Also fördern statt fordern.
Klingbeil will, dass die AfD nach der Razzia gegen Reichsbürger komplett vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Es gebe „Vernetzungen mit der AfD“. Reichsbürger dürften nicht mehr im öffentlichen Dienst, in Bundeswehr, Polizei oder Schulen arbeiten.
Klingbeil wichtigster Impuls 2022 war die Korrektur der Russlandpolitik der SPD. Zudem forderte er, Berlin solle in der EU als Führungsmacht wirken. „Ich wollte die SPD wachrütteln“, so Klingbeil. Dafür habe er öffentlich viel Kritik bekommen, in der Partei viel Lob. Seine Positionen hätten in der SPD „viel Rückhalt“. Von Differenzen mit Fraktionschef Rolf Mützenich will der SPD-Chef nichts wissen. „In der Grundausrichtung sind wir uns einig“.
Leser*innenkommentare
Philippo1000
Danke für den guten Bericht.
Ja, nach einem turbulentem Jahr, ist es an der Zeit mal Bilanz zu ziehen: es entsteht der Eindruck, dass die Ampel in einem Jahr mehr bewegt hat, Als Angela Merkel in Ihrer gesamten Amtszeit.
Demokratie ist die schlechteste aller Staatsformen, ausgenommen alle Anderen.
Es nützt nichts, immer auf die FDP zu schimpfen.
Warum auch? Sie tragen das 49 Euro ticket, das Bürgergeld, die Einwanderungspolitik mit.
Selbstverleugnung gehört in andere Staatsformen.
Demokratie heißt Kompromisse zu schließen.
Die Ampel ist ein Kompromiss. Wir haben gemerkt, wohin die CDU driftet. Es wurde deutlich, welche Gefahren von AfD Mitgliedern ausgehen.
Die Linke hängt am seidenen Faden.
Die Ampel ist die bestmögliche Option, die sich gerade bietet . Nach einem Jahr Schlammschlacht wäre auch Anerkennung für die Leistungen durchaus angebracht.
Ist schon klar, dass die Meckerer es nicht besser wissen, dann wünsche ich Ihnen hiermit die Erfahrung, bei Ihrer Arbeit auch mal ständiger Kritik ausgesetzt zu sein.