Philipp Ruch gegen Bildungsbehörde: Erfolg für „Politische Schönheit“

Die Bundeszentrale für politische Bildung darf Aktionskünstlern keine Spaltung vorwerfen. So entschied das Verwaltungsgericht Köl­n.

Videoausschnitt: Spezialeinsatzkräfte von hinten, ein Mensch mit Sonnenbrille, das Gesicht mit einem Rechteck umrahmt

Aus dem Video zur Kunstaktion „Soko Chemnitz“ Screenshot: taz/politicalbeauty.de

Die Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) durfte Aktionskünstler Philipp Ruch zwar von ihrem Bundeskongress 2019 ausladen. Die Behörde durfte sich aber nicht negativ über seine Kunst äußern. Das entschied jetzt das Verwaltungsgericht Köln in einem 30-seitigen Urteil, das der taz vorliegt.

Philipp Ruch ist Leiter des Zentrums für politische Schönheit (ZPS), eines Kollektivs, das mit Kunstaktionen öffentliche Debatten anregen will. Am bekanntesten ist wohl der Aufbau eines Holocaust-Mahnmals vor dem Haus von AfD-Politiker Björn Höcke.

Die Bundeszentrale hatte Ruch für 2019 zu ihrem Bundeskongress eingeladen. „Bitte schön aufmucken! Kunst als Politik und politische Bildung“, hieß das Podium, auf dem Ruch mitdiskutieren sollte. Doch einen Monat vor dem Kongress lud die Bundeszentrale Ruch wieder aus; die Anweisung hierzu kam vom Bundesinnenministerium, dem damals Horst Seehofer (CSU) vorstand. Begründung: Gegen Ruch laufe ein Ermittlungsverfahren, auf das man nicht „einwirken“ wolle.

Gegenüber nachfragenden Medien teilte die Bundeszentrale (wieder auf Anraten des Innenministeriums) mit: „Mit einer seiner jüngsten Aktionen, der sogenannten ‚Soko Chemnitz‘, ruft das ‚Zentrum für Politische Schönheit‘ unter dem Schutz der Kunstfreiheit zu Denunziationen und zu Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht auf. […] Aktionen wie diese tragen dazu bei, eine weitere Polarisierung der politischen Debatte voranzutreiben und einer Spaltung der Gesellschaft Vorschub zu leisten.“

Alles von der Kunstfreiheit gedeckt

Bei der Aktion „Soko Chemnitz“ hatte das ZPS aus einer von Nazis dominierten Demonstration in Chemnitz die Fotos von Tausenden Teil­neh­me­r:in­nen herausdestilliert und veröffentlichte dazu den Aufruf: „Denunzieren Sie noch heute ihren Arbeitskollegen, Nachbarn oder Bekannten und kassieren Sie Sofort-Bargeld. Helfen Sie uns, die entsprechenden Problemdeutschen aus der Wirtschaft und dem öffentlichen Dienst zu entfernen.“

Ruch klagte gegen die Kongressausladung und die Begründung der BPB. Die Behauptung, er trage zu einer Spaltung der Gesellschaft bei, führe zu einer Stigmatisierung. Es werde der Eindruck erweckt, dass Ruch und seine Kunst „außerhalb des für Austausch und Diskussion auf dem Bundeskongress zulässigen Spektrums liegen und nicht mehr diskursiv erörtert werden sollten“.

Die BPB entgegnete, sie habe nur den Eindruck vermeiden wollen, sie ergreife Partei für Ruch. Von einer Stigmatisierung könne keine Rede sein. Auch seien die Reaktionen auf die Ausladung überwiegend zugunsten des Klägers ausgefallen. Es sei also gerade nicht zu einer Ausgrenzung oder Isolation Ruchs gekommen.

Das Verwaltungsgericht (VG) Köln entschied nun teilweise für den Aktionskünstler. Die Äußerungen der BPB, Ruchs Aktionen trieben eine „Polarisierung der politischen Debatte“ voran und leisteten einer „Spaltung der Gesellschaft“ Vorschub, wurden als „rechtswidrig“ eingestuft. Auch die Aktionskunst von Ruch sei durch die im Grundgesetz garantierte Kunstfreiheit geschützt. Mit ihren Äußerungen habe die BPB die Kunstaktionen des ZPS als „schädlich für die Gesellschaft“ bewertet, so die Richter:innen. Werturteile über Kunst gehörten aber nicht zu den Aufgaben einer Behörde für politische Bildung. Die Bundeszentrale habe auch keinen Anlass gehabt, sich von Ruch zu distanzieren, um ihre eigene Reputation zu wahren, denn Ruch habe „keine extremen oder extremistischen Meinungen vertreten“. Die Äußerung der BPB sei eine „unnötige Zuspitzung und Herabwürdigung“ gewesen.

Dagegen habe die Ausladung von dem Bundeskongress Ruchs Rechte nicht verletzt. Die Behörde habe bei der Auswahl von Re­fe­ren­t:in­nen einen „weiten Handlungsspielraum“ und könne daher eine Einladung auch wieder zurückziehen. Der Verweis auf das Ermittlungsverfahren, das erst später eingestellt wurde, sei nicht herabsetzend gewesen und habe auch nicht die Unschuldsvermutung verletzt.

Das VG erlegte 80 Prozent der Kosten der Bundeszentrale auf. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig. Beide Seiten können Berufung einlegen. (Aktenzeichen: 10 K 3912/19)

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