Zentralbank kritisiert Kryptowährung: EZB sieht Bitcoin vor dem Ende

Experten der Europäischen Zentralbank erkennen ein Ende des Booms für Kryptowährungen. Sie sehen ihre alten Zweifel bestätigt.

EZB-Hochhaus im Nebel

Hier wird an einem digitalen Euro anstatt an Kryptowährungen gearbeitet: EZB-Zentrale Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

BERLIN taz | Der Bitcoin steht vor dem Untergang, sagt die Europäische Zentralbank (EZB), die sich sonst in mäßigendem Ton übt. Nun kritisiert die Euro-Hüterin den Bitcoin scharf. Auch wenn die Kryptowährung sich kurzeitig stabilisiere, sei dies ein „letzter Atemzug vor dem Weg in die Bedeutungslosigkeit“. Der Bitcoin diene hauptsächlich kriminellen Machenschaften, man dürfe ihn deshalb nicht durch Regulierung legitimieren. Jede Bank, die Bitcoin akzeptiere, gefährde die eigene Reputation. Kurz: Bitcoin verschmutze das Bankensystem in nie dagewesener Weise.

„Dieser klare Abgesang auf den Bitcoin ist in dieser Härte überraschend“, sagt Carsten Brzeski. Er ist Chefvolkswirt bei der Direktbank ING. Zwar handele es sich bei der Kritik nicht um die offizielle EZB-Linie, sondern einen Blogeintrag von Mitarbeitern. Dennoch: „Im Grunde hat die EZB auf einen Moment mit dem aktuellen Werteinbruch gewartet, sie haben immer vor Kryptowährung gewarnt.“

Die Autoren Ulrich Bindseil und Jürgen Schaaf berichten etwa, dass sich die Zahl der Krypto-Lobbyisten in den USA von 2018 bis 2021 von 115 auf 320 fast verdreifacht habe. Die US-Regulierung habe dadurch den Anschein erweckt, bei Kryptowährung handle es sich um eine gewöhnliche Anlage, so die Autoren. In den USA vertraue man zu oft naiv auf Innovation, so Bindseil und Schaaf.

Zuletzt meldete FTX mit seiner Krypto-Handelsplattform Insolvenz an. 2019 von zwei MIT-Absolventen gegründet, war der Konzern drei Jahre später 32 Milliarden US-Dollar wert gewesen und zählte im Februar 2022 mehr als eine Million Kund:innen. Mit Kun­d:in­nen­gel­dern in Höhe von zehn Milliarden US-Dollar soll FTX riskante Finanzwetten eingegangen sein. Dazu vertraute FTX bei eigenen Einlagen vor allem auf die eigenen Kryptowährung, deren Wert wie der gesamte Markt dann einbrach. FTX-Anleger müssen nach der Anfang November angemeldeten Insolvenz befürchten, sämtliche Werte zu verlieren.

„Die Blase platzt“

„Wer in Bitcoin investiert hat, hat eigentlich im Moment der Anlage sein Geld verloren“, sagt Michael Seemann. Der Autor und promovierte Medienwissenschaftler hat sich in seinem Buch „Die Macht der Plattformen“ mit dem digitalen Kapitalismus befasst. „Anders als bei normalen Banken mit Einlagensicherung, Support und Kulanzregeln bieten Plattformen wie FTX bei einer Insolvenz keinerlei Sicherheit“, sagt Seemann. Nicht nur in der EZB gebe es Kritik. In den USA distanziere sich die Demokratische Partei von Bitcoin, zu einer baldigen Bundestagsanhörung seien namhafte Kri­ti­ke­r:in­nen geladen. Seemanns Urteil ist klar: Die Krypto-Blase platzt.

Seinen bisherigen Höchststand hatte Bitcoin im November 2021 erreicht. Damals war ein Bitcoin über 69.000 US-Dollar wert. Ende November 2022 lag er bei 17.100 US-Dollar. Dazu trugen neben dem Ukrainekrieg und der Energiekrise auch zwei prominente Krypto-Projekte bei. Das Digitalwährungsprojekt Terra-Luna brach zusammen, dazu musste die Krypto-Bank Celsius Abhebungen stoppen.

Zuletzt stieg der Kurs wieder leicht. Aber die Volatilität gehörte von Anfang an zur Kryptowährung. Etwa wenn Elon Musk twittert: Im März 2021 kündigte der Tesla-Gründer an, Kun­d:in­nen könnten seine Elektroautos auch mit Bitcoin kaufen, im Mai 2021 revidierte er die Entscheidung. Von 60.000 US-Dollar halbierte sich der Wert binnen drei Monaten.

Mythos „Inflationsschutz“

Auch die von vielen Krypto-Jünger:innen vertretene Ansicht, Kryptowährungen schützten vor Inflation, sei ein Mythos, sagt Experte Seemann. Oft fehlten den An­hän­ge­r:in­nen profunde Wirtschaftskenntnisse. Die expansive EZB-Geldpolitik nach der Finanzkrise etwa habe nie zu starker Inflation geführt. Die Kon­su­men­t:in­nen­prei­se hätten sich bis zu Corona und Ukrainekrieg moderat entwickelt. Das überschüssige Geld sei vor allem in Vermögen wie Immobilien, Aktien und immer mehr auch Kryptowährungen und NFT geflossen. „Kryptowährungen als Spekulationsobjekt haben die Vermögenspreisinflation weiter befeuert“, sagt Seemann – also das Gegenteil dessen, was ihre Fans glauben.

„Allein die starken Preisschwankungen schließen aus, dass Bitcoin jemals ein sinnvoller Währungsersatz sein kann“, sagt ING-Volkswirt Breszski. Der Euro oder US-Dollar seien ungleich wertstabiler, bei Bitcoin handle es sich um eine hoch spekulative Anlage.

Diesen Befund bestätigt eine diesen November veröffentlichte Studie der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). Fast 75 Prozent der Krypto-Investoren luden sich Krypto-Apps herunter, als der Preis über 20.000 US-Dollar lag, also schon sehr hoch. Die Folge: acht von zehn Spekulanten verloren Geld.

„Die Blockchain-Technologie wird bleiben“, sagt Brzeski. Auch Banken verfolgten sie, etwa um Informationen besser zu transportieren. Zudem arbeitet die EZB weiter an einem digitalen Euro als vertrauenswürdiges Zahlungsmittel. Doch der große Krypto-Hype sei vorüber. Ein Nischendasein wie vor zehn Jahren drohe.

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