Ausstellung über Satirezeitung „Pardon“: Feinsinn, Unsinn, Hintersinn
Das Caricatura Museum Frankfurt widmet sich der Satirezeitschrift „Pardon“. Sie machte die Stadt am Main zur Witzhauptstadt der Bundesrepublik.
Für Direktor Achim Frenz ist es das „schönste Museum der Welt“: Das Caricatura Museum Frankfurt ist weitherum ziemlich einzigartig. Es verdankt seine Entstehung der Initiative des fast überall verkannten und oft geschmähten ehemaligen Kulturdezernenten Hans-Bernhard Nordhoff, der die Gründung eines Museums für komische Kunst in Frankfurt am Main angeregt und auf die Beine gebracht hat.
Aktuell zeigt das Haus eine Ausstellung zur Geschichte der Satirezeitschrift pardon, die 1962 von Hans A. Nickel und Erich Bärmeier gegründet wurde. Ebenfalls zur Gründergeneration gehörten der geniale Zeichner Friedrich K. Waechter, der das Logo der Zeitschrift, den hinterhältig lächelndenTeufel mit Hörnern unter der schwarzen Melone, zeichnete, sowie Hans Traxler, Chlodwig Poth und Kurt Halbritter.
Die Zeitschrift wurde schnell zur größten Satirezeitschrift Europas mit einer Auflage von zeitweise 300.000 Exemplaren und machte Frankfurt zur Satirehauptstadt des Landes. Und das, bereits zehn Jahre bevor sich im Umkreis der Satirezeitschrift Titanic nach 1972 die „Neue Frankfurter Schule“ um ehemalige pardon-Mitarbeiter bildete.
In der Adenauer-Republik gegründet und gewachsen, entwickelte sich pardon zu einem Leuchtturm der Kritik an der Restaurationszeit verklemmter Sexualität durch zum Teil drastische Titelbilder, die prüde gebliebene Spätgeborene heute gern als Sexismus denunzieren. Immer wieder Thema war zudem die Verdrängung der Nazi-Vergangenheit in Politik, Justiz und Gesellschaft, aber auch der Klerikalismus und die militärische Aufrüstung.
Wachstums- und konsumfixierte Wirtschaftswunderjahre
Die verlogenen Begleiterscheinungen der alles andere als wunderbaren wachstums- und konsumfixierten Wirtschaftswunderjahre der BRD auf dem Weg zum „exportweltmeisterlichen“ Delirium wurden satirisch unter Beschuss genommen. Dem wohlfeilen Sexismusvorwurf kann immerhin entgegnet werden, dass die Feministin Alice Schwarzer einige Jahre als erste Frau der Redaktion von pardon angehörte.
Die glänzend informierende Ausstellung kuratierten Gerhard Kromschröder und Till Kaposty-Bliss mit rund 5.000 Karikaturen und Texten. Mit seinen nichts verhüllenden Karikaturen und angriffigen Texten leistete pardon nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung und zu radikaler Kritik am Mief der Adenauerzeit, sondern geriet auch öfter ins Fadenkreuz der Justiz durch Klagen von Politikern, Wirtschaftsleuten, Militärs, ehemaligen Nazis und Kirchen, die Prozesse oder einstweilige Verfügungen anstrengten, womit sie in den Anfangsjahren bei der deutschen Justiz noch Gehör fanden.
Einmal reichte der Hersteller des „Jägermeister“-Likörs eine Millionenklage ein, weil die Redaktion eine fiktive Anzeige mit dem Satz eines Kindes druckte: „Ich trinke Jägermeister, weil mein Dealer zur Zeit im Knast sitzt.“ Später konterte die Redaktion eine Strafanzeige von Franz Josef Strauß wegen übler Nachrede mit einem Foto auf dem Titelblatt, in dem sich die ganze Redaktion in bayerischer Landestracht kostümierte.
Highlights im Blatt waren immer wieder die Titelblätter: Auf große Resonanz stieß etwa die Fotomontage mit einer Nonne in vollem Ornat, tiefem Dekolleté und einer Karikatur des Kopfes von Che Guevara auf der nackten Haut. Die Redaktion machte auch mit spektakulären Aktionen, die Polizeieinsätze provozierten, von sich reden – etwa mit der Enthüllung eines Denkmals für Heinrich Lübke auf dem Platz vor der Paulskirche.
„Teuflische Jahre. Pardon. Die deutsche Monatszeitschrift 1962–1982“. Caricatura Museum, Frankfurt am Main. Bis 19. 3. 2023, Katalog 25 Euro
Die aggressive Werbung der Zigarettenindustrie überbot eine Titelseite der Zeitschrift mit der Fotomontage einer Skeletthand, die mehrere aufgereihte Zigaretten im Mund hält, mit dem Slogan: „Kein schön’rer Tod in dieser Zeit“. Bissig glossierte pardon auch deutsche Weihnachten, das Fest des Friedens, im Kontext der militärischen Aufrüstung im Nachkriegsjargon mit der Fotomontage eines spielenden Jungen und der wetterfesten Devise: „Schenkt Kriegsspielzeug – damit’s ein Prachtkerl wird!“
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