Türkisch-kurdischer Grenzkrieg: Mehrere Tote auf beiden Seiten
Die Türkei und die syrische YPG-Miliz beschießen sich. Dabei bombardiert eine türkische Drohne einen Stützpunkt der US-geführten Anti-IS-Koalition.
Der türkische Generalstab verkündete am Dienstag, dass bereits 184 „Terroristen neutralisiert“, also getötet worden seien. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte demgegenüber, dass mindestens 31 Zivilisten in Syrien getötet worden seien.
Mittlerweile hat die türkische Führung auch erklärt, dass die Luftangriffe nicht nur eine temporäre Vergeltung für den Terroranschlag in Istanbul vom vorvergangenen Sonntag seien, für den sie die PKK und die YPG verantwortlich macht. Sie seien vielmehr der Auftakt einer neuen Militärkampagne gegen die Kurden in Syrien. Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte am Montag erklärt, auch Bodentruppen einsetzen zu wollen: Die Operation „wird nicht auf Luftangriffe beschränkt bleiben“, sagte Erdoğan gegenüber Journalisten. „Wie viele Truppen wir in den Kampf schicken werden, wird vom Verteidigungsministerium und dem Generalstab entschieden.“
Am Dienstag fügte er hinzu: „Nachdem wir die Terroristen nun einige Tage aus der Luft angriffen haben, werden wir sie bald mit unseren Soldaten und Panzern eliminieren.“ Wann, sagte Erdoğan nicht.
Russland mahnt
Öffentlich hatte am Dienstag vor allem Russland darauf gedrungen, dass die Türkei eine Eskalation unterlässt. Das könne die Lage gefährlich destabilisieren. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte, man verstehe zwar die türkischen Sicherheitsbedenken, doch müsse die Türkei alle Schritte unterlassen, die zu einer ernsthaften Destabilisierung führen könnten. Russland unterstützt in Syrien das Regime von Präsident Baschar al-Assad und drängt die Türkei seit Langem, ihre Sicherheitsinteressen in Einklang „mit der legitimen Regierung in Syrien“ durchzusetzen.
Anders als Russland schweigen die USA bislang zu der neuen türkischen Militäroffensive. Der türkische Verteidigungsminister dagegen forderte am Dienstag erneut die USA auf, die Zusammenarbeit mit den „YPG-Terroristen“ zu beenden. Im Gegensatz dazu fordern Sprecher der YPG die USA und andere Nato-Staaten auf, die Türkei zu einem Stopp der Angriffe zu drängen. „Wir können nicht gleichzeitig gegen den IS und die Türkei kämpfen“, sagte ein YPG-Sprecher, der noch einmal beteuerte, dass die YPG mit dem Terroranschlag in Istanbul, bei dem sechs Menschen getötet wurden, nichts zu tun hätte.
Demonstranten in mehreren europäischen Ländern unterstützten die Forderung der YPG nach einem Stopp der türkischen Angriffe. In Stockholm projizierten kurdische Unterstützer am Montag das Wort „Terrorpropaganda“ sowie Beleidigungen des türkischen Präsidenten auf die Außenwand der türkischen Botschaft. In Ankara wurde deshalb der schwedische Botschafter einbestellt. Dieser versprach, dagegen vorzugehen. Die Türkei wirft Schweden vor, die YPG zu unterstützen, und verweigert deshalb ihre Zustimmung zu einer Nato-Mitgliedschaft Schwedens.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Chefinnen der Grünen Jugend
„Wir dachten, wir könnten zu gesellschaftlichem Druck beitragen“
Koalitionsverhandlungen in Thüringen
Die Brombeer-Ernte ist gefährdet
Demografie
Es wird Zeit, reichen Rentner-Boomern ins Gewissen zu reden
Ein Brief in die USA
Dear family, dear friends
Wirtschaft aber für junge Menschen
Das Problem mit den Boomer-Ökonomen
Streit in der Ampel
Kritik an Lindners Gegengipfel zur Wirtschaftslage