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Türkisch-kurdischer GrenzkriegMehrere Tote auf beiden Seiten

Die Türkei und die syrische YPG-Miliz beschießen sich. Dabei bombardiert eine türkische Drohne einen Stützpunkt der US-geführten Anti-IS-Koalition.

Nach türkischem Luftangriff: Beerdigung eines Mannes in al-Malikiyah, Nordsyrien Foto: Baderkhan Ahmad/ap

Berlin taz | Drei Tage nach Beginn der türkischen Angriffe auf Nordsyrien halten die Kämpfe an. Während die türkische Armee von der Türkei aus vermeintliche Stellungen der syrisch-kurdischen YPG-Miliz in Syrien beschießt, antwortet diese mit Raketenangriffen auf die Türkei. Eine Drohne der türkischen Armee bombardierte am Dienstag einen gemeinsamen Stützpunkt kurdischer Kämpfer und der von den USA angeführten internationalen Anti-IS-Koalition. Dabei wurden kurdischen Angaben zufolge zwei kurdische Kämpfer getötet. Bei zwei Raketentreffern in der Nähe der türkischen Städte Kilis und Karkemiš sind nach türkischen Angaben drei Menschen getötet und sieben weitere verletzt worden.

Der türkische Generalstab verkündete am Dienstag, dass bereits 184 „Terroristen neu­tralisiert“, also getötet worden seien. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte demgegenüber, dass mindestens 31 Zivilisten in Syrien getötet worden seien.

Mittlerweile hat die türkische Führung auch erklärt, dass die Luftangriffe nicht nur eine temporäre Vergeltung für den Terroranschlag in Istanbul vom vorvergangenen Sonntag seien, für den sie die PKK und die YPG verantwortlich macht. Sie seien vielmehr der Auftakt einer neuen Militärkampagne gegen die Kurden in Syrien. Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte am Montag erklärt, auch Bodentruppen einsetzen zu wollen: Die Operation „wird nicht auf Luftangriffe beschränkt bleiben“, sagte Erdoğan gegenüber Journalisten. „Wie viele Truppen wir in den Kampf schicken werden, wird vom Verteidigungsministerium und dem Generalstab entschieden.“

Am Dienstag fügte er hinzu: „Nachdem wir die Terroristen nun einige Tage aus der Luft angriffen haben, werden wir sie bald mit unseren Soldaten und Panzern eliminieren.“ Wann, sagte Erdoğan nicht.

Russland mahnt

Öffentlich hatte am Dienstag vor allem Russland darauf gedrungen, dass die Türkei eine Eskalation unterlässt. Das könne die Lage gefährlich destabilisieren. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte, man verstehe zwar die türkischen Sicherheitsbedenken, doch müsse die Türkei alle Schritte unterlassen, die zu einer ernsthaften Destabilisierung führen könnten. Russland unterstützt in Syrien das Regime von Präsident Baschar al-Assad und drängt die Türkei seit Langem, ihre Sicherheitsinteressen in Einklang „mit der legitimen Regierung in Syrien“ durchzusetzen.

Anders als Russland schweigen die USA bislang zu der neuen türkischen Militäroffensive. Der türkische Verteidigungsminister dagegen forderte am Dienstag erneut die USA auf, die Zusammenarbeit mit den „YPG-Terroristen“ zu beenden. Im Gegensatz dazu fordern Sprecher der YPG die USA und andere Nato-Staaten auf, die Türkei zu einem Stopp der Angriffe zu drängen. „Wir können nicht gleichzeitig gegen den IS und die Türkei kämpfen“, sagte ein YPG-Sprecher, der noch einmal beteuerte, dass die YPG mit dem Terroranschlag in Istanbul, bei dem sechs Menschen getötet wurden, nichts zu tun hätte.

Demonstranten in mehreren europäischen Ländern unterstützten die Forderung der YPG nach einem Stopp der türkischen Angriffe. In Stockholm projizierten kurdische Unterstützer am Montag das Wort „Terrorpropaganda“ sowie Beleidigungen des türkischen Präsidenten auf die Außenwand der türkischen Botschaft. In Ankara wurde deshalb der schwedische Botschafter einbestellt. Dieser versprach, dagegen vorzugehen. Die Türkei wirft Schweden vor, die YPG zu unterstützen, und verweigert deshalb ihre Zustimmung zu einer Nato-Mitgliedschaft Schwedens.

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