Datenweitergabe an die Polizei: Verfassungsschützer teilen ungern
Der Verfassungsschutz dürfte sich über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts freuen. Er teilt Informationen ohnehin lieber weniger als mehr.
D ie Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist keine deutliche Rüge für den Geheimdienst, wie die Linken-Abgeordnete Martina Renner glaubt. Das Karlsruher Gericht hat nicht die Praxis der Verfassungsschutzbehörden kritisiert, sondern den Bundestag als Gesetzgeber. Das Gesetz sehe eine unverhältnismäßig weitgehende Übermittlungspflicht von Verfassungsschutzdaten an die Polizei vor, so der Karlsruher Beschluss. Ob und wie der Verfassungsschutz (VS) diese Übermittlungspflicht umgesetzt hat, war nicht Gegenstand des Verfahrens.
Karlsruhe hat nun nicht mehr verlangt als die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Bei der Übermittlung von heimlich gewonnenen VS-Daten an die Polizei muss eine konkrete Gefahr bestehen oder ein konkreter Verdacht auf eine bereits begangene schwere Staatsschutz-Straftat.
Beim Verfassungsschutz werden die Richter damit wohl offene Türen einrennen. Geheimdienstler teilen ihre Informationen eh nicht gerne und verstecken sich dabei nur zu bereitwillig hinter dem Datenschutz und verfassungsgerichtlichen Vorgaben.
So war auch das Versagen der Sicherheitsbehörden gegen den NSU-Terror kein Ausdruck heimlicher Kumpanei mit den Nazis, sondern eher Folge von mangelhafter Auswertung und Weitergabe vorhandener Erkenntnisse. Oft war der Schutz der Vertraulichkeit von Spitzeln wichtiger als die Nutzung der gelieferten Informationen.
Dies zeigt: Der Datenaustausch zwischen Verfassungsschutz und Polizei ist im Prinzip nichts Anrüchiges. Wer für die organisatorische Trennung von Polizei und Geheimdienst ist, muss auch sicherstellen, dass Informationen fließen können. Im Interesse der potenziellen Terroropfer muss die Zusammenarbeit zwischen Sicherheitsorganen sogar eher noch verbessert als erschwert werden.
Dass die bisherige Praxis nicht unbedingt exzessiv ist, zeigte auch der Fall des Klägers im Karlsruher Verfahren. Entgegen seiner Vermutung war der ehemalige NSU-Helfer Carsten S. gar nicht in der 2012 eingerichteten Rechtsextremismusdatei gespeichert – weil er schon 2001 aus der Szene ausgestiegen war.
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