Entführung von Trinh Xuan Thanh: Prozessauftakt gegen Ausspähhelfer

Vietnam bestreitet, dass Trinh Xuan Thanh entführt wurde. In Berlin steht nun ein weiterer Prozess gegen einen mutmaßlichen Entführungshelfer an.

Der angeklagte Geschäftsmann Trinh Xuan Thanh (M), steht am 11.01.2018 in Hanoi bei seinem Prozess wegen Korruption.

Der angeklagte Geschäftsmann Trinh Xuan Thanh am 11.01.2018 in Hanoi bei seinem Prozess wegen Korruption Foto: Doan Tan/dpa

BERLIN taz | Anh Tu L., der ab Mittwoch vor dem Berliner Kammergericht steht, wird von der Bundesanwaltschaft vorgeworfen, 2017 an der Entführung des vietnamesischen Ex-Politikers Trinh Xuan Thanh von Berlin nach Hanoi beteiligt gewesen zu sein. Der 32-jährige Vietnamese, der zum Tatzeitpunkt in Prag lebte, soll laut Anklage bei der Ausspähung des späteren Opfers in Berlin geholfen haben. Außerdem hätte er als Kraftfahrer gearbeitet.

Gab es nicht schon mal einen Prozess dazu? Tatsächlich berichtete die taz 2018 über einen vergleichbaren Prozess vor dem Berliner Kammergericht. Doch damals stand ein Freund des heute Angeklagten vor Gericht. Er wurde zu drei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt, die er bereits abgesessen hat.

Dass Anh Tu L. erst mehr als fünf Jahre nach der Entführung vor Gericht steht, liegt daran, dass er sich 2017 durch Flucht nach Vietnam der Strafverfolgung entzog. In diesem Jahr überkam Anh Tu L. die Sehnsucht nach Prag und seiner dort lebenden Mutter. Bei der Einreise nach Tschechien klickten die Handschellen. Er wurde nach Deutschland ausgeliefert.

Bereits während des Prozesses 2018 zeigte sich, dass die Ermittler gute Arbeit geleistet hatten. Sie hatten nachgewiesen, dass die Entführung vom noch immer amtierenden vietnamesischen Innenminister To Lam in Auftrag gegeben wurde, mit dem die Entführer von Berlin aus in SMS-Kontakt standen. Sie hatten nachgewiesen, dass Vietnams damaliger stellvertretender Geheimdienstchef Duong Minh Hung von einem Berliner Hotel aus das Entführungsgeschehen leitete und dass ihn mehrere vietnamesische Diplomaten unterstützten. Diplomatenfahrzeuge dienten sogar dazu, das Entführungsopfer aus Berlin zu bringen.

Prozess könnte offene Fragen beantworten

Doch es gibt Fragen zum Entführungsgeschehen, die bis heute unbeantwortet sind. So etwa die Verbringung des Entführungsopfers über die slowakische Hauptstadt Bratislava aus dem Schengenraum. Der Angeklagte Anh Tu L. war laut Ermittlungen daran beteiligt.

Was in Bratislava geschah, ist so abenteuerlich, dass es sich kein Krimiautor hätte ausdenken können: Entführter und Entführer verließen gemeinsam mit Vietnams Innenminister To Lam den Schengenraum in einem slowakischen Regierungsflugzeug. Das hatte der damalige slowakische Innenminister Robert Kalinak, ein nationalpopulistischer Politiker, seinem vietnamesischen Amtskollegen geliehen. Das hat Kalinak auch eingeräumt, wenn er auch behauptet, von einer Entführung nichts gewusst zu haben.

Es gibt allerdings Indizien, wenn auch keine Beweise, dass Kalinak eingeweiht gewesen sein könnte. Und hier könnte der Berliner Prozess Licht ins Dunkel bringen.

Verteidigung sagt nichts zu einem möglichen Geständnis

Als sicher gilt, dass Kalinak drei Tage nach der Entführung in Berlin Gäste bewirtete: seinen vietnamesischer Amtskollegen To Lam und zwei stellvertretende Geheimdienstchefs Vietnams. Das Treffen dauerte ganze 50 Minuten. Kalinak hatte für diesen nachgewiesenermaßen kurzfristig anberaumten Termin seinen Österreich-Urlaub unterbrochen.

Für ein so kurzes Treffen? Und: Kalinak hat gegenüber Polen falsche Angaben gemacht, als er für den Regierungsflieger die Überflugrechte für das Nachbarland einholte. Denn die erste Anfrage, in der die Slowakei korrekt die Namen der vietnamesischen Fluggäste angab, hatte Polen abschlägig beschieden. Kalinak schrieb sich daraufhin selbst auf die Passagierliste, obwohl er nicht in dem Flieger saß. Nach dieser zweiten Anfrage gewährte Polen die Überflugrechte.

Diente das Treffen in Bratislava nur dazu, das Entführungsopfer und seine Entführer unauffällig aus dem Schengenraum zu bringen? Der Prozess in Berlin könnte die Frage beantworten, wenn er gründlich in die Beweisaufnahme geht. Doch es könnte auch anders kommen. Nämlich dann, wenn der Angeklagte ein Geständnis ablegt, in dem es dann nur um seine eigene Tatbeteiligung geht. Verteidiger Marvin Schroth lässt gegenüber der taz offen, ob es ein Geständnis geben wird.

Aus vietnamesischer Sicht wäre ein zweites Geständnis eines Tatbeteiligten fatal, denn Vietnam bestreitet bis heute, dass es überhaupt eine Entführung gab.

Trinh Xuan Thanh war ein früherer vietnamesischer Wirtschaftsfunktionär, den Vietnam wegen eines Wirtschaftsdeliktes in Millionenhöhe suchte und in einem nicht rechtsstaatlichen Verfahren zu zweimal lebenslänglicher Haft verurteilte. Thanh bestreitet bis heute die Tatvorwürfe.

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