Vor EU-Gipfel zur Energiekrise: Scholz verteidigt Entlastungsschirm
Der Kanzler präsentiert dem Bundestag seine Pläne und warnt vor Risiken eines EU-Gaspreisdeckels. Friedrich Merz kritisiert die Maßnahmen der Bundesregierung.
Schol weiter: „Auf diesen Zeitraum gerechnet entsprechen die 200 Milliarden Euro um die zwei Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts.“ Das liege in den Größenordnungen der Pakete, die in diesem Jahr auch anderswo in Europa geschnürt werden – in Frankreich, Italien oder Spanien.
Empfohlener externer Inhalt
Die Europäische Union verfüge über genügend finanzielle Durchschlagskraft, um sich dieser Krise entgegenzustellen. Aus den in der Corona-Krise geschaffenen Finanztöpfen sei bislang erst ein Fünftel ausgezahlt worden. Hier stünden also noch über 600 Milliarden Euro zur Verfügung. Damit könne unter anderem der Ausbau erneuerbarer Energien finanziert werden, um sich weniger abhängig von fossilen Energien zu machen.
Für den Abwehrschirm soll der Corona-Krisenfonds WSF reaktiviert und mit neuen Mitteln ausgestattet werden. Das soll der Bundestag am Freitag beschließen. Die Gelder können dann bis Mitte 2024 eingesetzt werden, um die geplante Gaspreisbremse, die angedachte Strompreisbremse sowie Hilfen für angeschlagene Unternehmen zu finanzieren.
Noch ist allerdings offen, wie genau die 200 Milliarden eingesetzt werden. Dies kritisierte Oppositionsführer Friedrich Merz in seiner Replik auf Scholz. Der Unions-Fraktionschef forderte die Regierung erneut dazu auf, die Menschen in Deutschland möglichst schnell zu entlasten und nicht erst im Frühjahr nächsten Jahres. „Winterreifen muss man im Oktober aufziehen und nicht im Frühjahr nächsten Jahres“, sagte der CDU-Chef mit Blick auf die Pläne der Koalition.
Scholz lobte die Empfehlungen der von der Regierung eingesetzten Gaskommission und kündigte an, die Vorschläge umsetzen zu wollen. Danach sollen die Gasabschlagsrechnungen von Verbrauchern und Unternehmen im Dezember vom Staat bezahlt werden und ab März nächsten Jahres eine Gaspreisbremse gelten.
Scholz zeigte sich überzeugt davon, dass Russland den Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht gewinnen werde. Präsident Wladimir Putin werde scheitern, er sei eigentlich schon gescheitert, sagte Scholz in seiner Regierungserklärung. „Putin wird seine Kriegsziele nicht erreichen“, sagte Scholz. Der russische Präsident spekuliere auf die Schwäche des Westens und der Ukraine. „Aber er irrt sich“, sagte der Kanzler. „Wir sind nicht schwach.“
Die Sanktionen gegen Russland würden nicht infrage gestellt. „Bei diesem Kurs bleibt es, solange Russland seinen brutalen Angriffskrieg fortsetzt.“ Die Ukraine werde solange unterstützt wie nötig, betonte der Kanzler.
Die AfD forderte eine fundamentale Kehrtwendung der Regierung. Fraktionschef Tino Chrupalla mahnte, der Ukraine keine Waffen mehr zu liefern. Der Krieg müsse so schnell wie möglich beendet werden. Zudem bekräftigte er die Forderung seiner Partei, russische Gaslieferungen über die Ostsee-Pipelines Nord Stream zuzulassen.
Auch die Fraktionschefin der Linken, Amira Mohamed Ali, sagte, der Krieg müsse beendet werden. Dies funktioniere nur mit Diplomatie und nicht über Waffenlieferungen. Überdies schadeten die Sanktionen Deutschland und Europa mehr als Russland. Innenpolitisch warf sie der Regierung ein zu zögerliches Handeln vor und mahnte, Menschen und Unternehmen mehr Hilfe zukommen zu lassen.
Auch in den weiteren Beratungen des Bundestags spielt die Energiekrise eine Rolle: So wird über die Energiepreispauschale für Rentner (12.35 Uhr) und den zweiten Heizkostenzuschuss für bedürfte Haushalte (17.20 Uhr) abgestimmt.
Abschließend beraten die Abgeordneten auch über das GKV-Stabilisierungsgesetz. Hier geht es um die Deckung einer Finanzierungslücke in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).Die Ampel plant, dass die Zusatzbeiträge um 0,3 Prozentpunkte auf 1,6 Prozent steigen.
Aktualisiert am 20.10.2022 um 10:50 Uhr. d. R.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
Resolution gegen Antisemitismus
Nicht komplex genug