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Pläne des baldigen StaatskonzernsUniper plant AKW in Schweden

Eine Tochter des baldigen deutschen Staatskonzerns kündigt den Bau eines neuen Meilers an. Die blau-braune Regierung in Stockholm ist begeistert.

Vielleicht bald wieder aktuell: Atom­kraft­geg­ne­r:in­nen in den Siebzigern in Schweden Foto: Ake Lindau/IBL Bildbyra/picture alliance

Stockholm taz | Schwedens Energieministerin, die Christdemokratin Ebba Busch, reagierte begeistert: Es sei höchst erfreulich, dass Uniper so rasch auf die „Einladung“ der neuen schwedischen Regierung an die Energiekonzerne reagiert habe und nun bereits den Bau eines neuen Atomkraftwerks in der südschwedischen Provinz Schonen plane. Im Interview mit dem Public-Service-Fernsehsender SVT versprach sie, dass Stockholm die Gesetze ändern werde, die einem solchen Neubau im Wege stünden.

Will der demnächst auch formell staatliche deutsche Energiekonzern Uniper in den Bau eines neuen schwedischen Atomreaktors investieren? Offenbar. Entsprechende Pläne hatte Åsa Carlson, die Geschäftsführerin der schwedischen Uniper-Tochtergesellschaft „Barsebäck Kraft“, am Wochenende bekannt gegeben. „Clean Energy Park“ nennt sich das Ganze und abgesehen von Atomstrom plane man in diesem „Park“ auch „anderen fossilfreien“ Strom zu produzieren.

Ganz ausgereift scheinen die Pläne noch nicht zu sein. So blieb die Frage, ob das Unternehmen an den Bau eines konventionellen Atomreaktors oder an den von „Kleinreaktoren“, also „Small modular reactors“ (SMR), denke, unbeantwortet. Ebenso unklar ist die Frage der Finanzierung. Die müsste angesichts des Fiaskos mehrerer AKW-Neubauprojekte in der Region vorrangig sein, etwa dem beim finnischen Reaktor Olkiluoto 3: Die Baukosten fielen mit 12 Milliarden Euro viermal höher als geplant aus, auf den für 2009 versprochenen Strom wartet Finnland noch immer.

Einen Bauplatz immerhin scheint man schon gefunden zu haben: 15 Kilometer landeinwärts des AKW Barsebäck in der Gemeine Kävlinge soll der neue Standort liegen. Was die dortige Bürgermeisterin Pia Almström bereits begrüßte: Atomkraft sei wegen des Fehlens von Wasserkraft für Südschweden die „einzige Alternative“.

Schwedische Regierung für Atomkraft

Direkt am Öresund stehen noch die beiden alten Barsebäck-Reaktoren, die sowohl aus Sicherheitsgründen als auch nach jahrzehntelangen Protesten der DänInnen, denen man das AKW in Sichtweite ihrer Hauptstadt direkt vor die Nase gestellt hatte, 1999 und 2005 stillgelegt worden waren. Derzeit werden sie abgebaut.

Erweckt hat Schwedens frische Nuklearträume die neue blau-braune Rechtsregierung in Stockholm. Die verspricht in ihrem Regierungsprogramm, anstelle der noch von der Vorgängerregierung angekündigten Förderung von Offshore-Windkraft lieber Investitionen in neue Atomenergie unterstützen zu wollen.

Dafür will die Regierung nicht nur staatliche Kreditgarantien in Höhe von umgerechnet mehr als 40 Milliarden Euro bereitstellen: Zur Finanzierung des Atomstroms, von dem man weiß, dass er auf dem Markt nicht wettbewerbsfähig sein kann, will man über entsprechende Abgaben die Produzenten von „nicht planbarem Strom“, also die Betreiber von Wind- und Solarenergieanlagen, mit heranziehen. Ein Schritt, den sich die Atomkraftlobby lange gewünscht hatte. Ihre Branche habe ja schon lange kritisiert, dass die Atomkraft „nicht für die Stabilität der Stromversorgung relevanten Dienste entschädigt werde“, sagt Åsa Carlsson.

Was die Geschäftsführerin als „positive Signale der neuen Regierung“ begrüßt, hat jenseits des Öresund böses Blut geweckt. „Das klingt ja völlig schwachsinnig“, sagt der Anti-Atomkraft-Aktivist Siegfried Christiansen. Zu Wort kam der 79-jährige Mitbegründer der dänischen Graswurzelbewegung „Aufklärung der Öffentlichkeit über die Atomkraft“ (OOA), die sich in den 1970er Jahren erst erfolgreich gegen die Pläne für dänische Atomkraft und dann dem Kampf gegen das AKW Barsebäck gewidmet hatte, in der Kopenhagener Tageszeitung Information. Dort beklagt er sich über eine „wirkliche Provokation“: „Man will neue Atomkraft auch noch in der Nähe von Barsebäck bauen.“ Und eine andere OOA-Pionierin, die 73-jährige Bente Meillier, kündigte an: „Schweden wird sicher von Dänemark hören, wenn das Wirklichkeit werden sollte.“

Deutsche Regierung schweigt

Der sozialdemokratische dänische Klimaminister Dan Jørgensen stimmte in die Kritik ein und warnte am Tag vor der Parlamentswahl am Dienstag die WählerInnen vor einer ähnlichen Entwicklung in Dänemark. Auch hier stellten sich „Hardcore-Atomkraftparteien“ zur Wahl und es bestehe damit „leider eine große Gefahr“, dass die eigentlich schon vor mehreren Jahrzehnten negativ entschiedene Frage nach dänischer Atomkraft wiederbelebt werde, sollten diese Kräfte an die Regierung kommen. Tatsächlich ergab eine im September veröffentlichte Meinungsumfrage, dass bei einer möglichen Volksabstimmung 46 Prozent der DänInnen Ja zum Bau von Atomkraftwerken sagen würden. Vor sechs Jahren waren es nur 17 Prozent.

Das deutsche Bundesumweltministerium wollte sich mit Hinweis auf die Zuständigkeit des Bundeswirtschaftsministeriums für Uniper nicht zu den Plänen in Schweden äußern. Das Bundeswirtschaftsministerium antwortete auf taz-Anfrage, dass es Berichte über Unternehmensentscheidungen nicht kommentieren könne. Die angekündigte Übernahme von Uniper durch den Bund befinde sich noch in der Umsetzung.

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19 Kommentare

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  • Tja, Digitalisierung, E-Autos und Wärmepumpen brauchen eben Strom...



    Nein, ich bin nicht für AKW. Ich bin gegen E-Autos, Wärmepumpen und elektronische Unterhosenriecher.

    • @sollndas:

      Was sind ihre Alternativen?

      • @esgibtnureinengott:

        Bioenergie. Kein Allheilmittel, aber unverzichtbar, wenn aus der Energiewende etwas werden soll.



        BTW: Photosynthese ist der einzige wirtschaftlich gangbare Weg, den CO2-Gehalt der Atmosphäre wieder zu drücken. Z.B. braucht Somalia nicht Wasserstoff, sondern WASSER.

  • "Ebenso unklar ist die Frage der Finanzierung."



    Damit hat sich das dann wohl erledigt, weil das ein Argument ist, dass selbst jene verstehen die die Risiken die von einem Reaktor ausgehen nicht sehen wollen und etwa schon wieder vergessen haben, dass Schweden 2006 als in Forsmark nach einer RESA die fehlerhaft ausgeführte und marode gewordene Notkühlung nur teilweise funktionierte nur recht knapp einem Super-GAU entgangen ist.

  • Was bringt es eigentlich, wenn im kommenden April in Deutschland die letzten Atomkraftwerke stillgelegt werden, rundherum - mit Ausnahme Österreichs - aber munter alte weiter betrieben oder sogar neu gebaut werden?



    Wer hilft mir mit einer überzeugenden Antwort?

    • @Nairam:

      Es bringt ein Absinken des Sicherheitsniveaus für andere bestehende AKW. Die deutschen AKW gelten in Fachkreisen erwiesenermaßen als die sichersten im globalen Vergleich. Länder wie bspw. die Niederlande haben sich an diesem hohen Niveau orientiert. Nun wird ein andere die Spitze sein. Frankreich, Tschechien, Belgien o. ä.

      • @kick:

        "Die deutschen AKW gelten in Fachkreisen erwiesenermaßen als die sichersten im globalen Vergleich."



        Die wurden allesamt in den 70ern geplant und in den 80ern gebaut, sind also auf einem entsprechend alten Stand und verfügen deshalb eben nicht über bestimmte Sicherheitsmaßnahmen die heute international als Standard gelten. So hat etwa kein einziges deutsches AKW einen Core-Catcher, was im Falle eines Super-GAUs bedeutet, dass sich der Kern bis ins Grundwasser durchschmilzt, dort dann eine Dampfexplosion mit einer strahlenden Wolke auslöst.

        • @Ingo Bernable:

          Das ist richtig, die deutschen AKW, sowie die meisten auf dieser Erde, haben keinen Core-Catcher. Trotzdem gelten die deutschen AKW in Fachkreisen als die sichersten der Erde. Es kommt eben nicht nur darauf an, das neuste Design zu haben.

  • Deutscher Staatskonzern baut unter grüner Regierung Kernkraftwerk - Herr Habeck wird das den, landesweit schätzungsweise drei interessierten, Journalisten sicherlich überzeugend bei einer gemütlichen Wattwanderung schmackhaft machen.

  • Kostet halt ein Schweinegeld so ein AKW, auf dem freien Markt würde das nicht gebaut. Aber ein sehr sicherer Beitrag zur Energieversorgung.

    • @Wombat:

      Flamanville 3: 1,6GW, Bauzeit bislang 15 Jahre, kosten bislang 19Mrd. €, Fertigstellung ungewiss.

      Hollandse Kust Zuid: 1,5GW, Bauzeit 2 Jahre, Kosten 1,5Mrd. €, keine öffentlichen Gelder. GAU: Ein Spargel fällt um und muss wieder aufgesammelt werden.

      Wenn jetzt noch irgendein Grundschüler den Kernkraftfans Rechnen beibringen würde...

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    AKW-Technologie ist in Anbetracht der unüberschaubaren Folgen, die die unvermeidbar eintreten werdenden Kipppunkte nach sich ziehen, als nicht beherrschbares Gesamtsystem zu beurteilen, dessen Sicherung unter künftigen, bisher nicht abschätzbaren klimatischen, politischen und sozialen Umständen einen gigantischen Aufwand erfordert. AKW werden die technischen, politischen und gesellschaftlichen Kontrollverhältnisse des "Atomstaates" (Robert Jungk) in potenzierter Form bedeuten. Wie soll man sich bei der Bindung der Ressourcen zur Aufrechterhaltung des Systems und der Absicherung seiner Hinterlassenschaften eine wenigstens einigermaßen freiheitliche Kultur für Milliarden Menschen vorstellen?

  • Und was sagt Greta dazu? Ist sie auch in Schweden für Atomkraft, weil dadurch Braunkohle verhindert werde?

    Was sagen die Gegner der Ostseepipeline nach Russland (Nordstream 2) dazu, dass nun die Atom-Rohstoffe aus Russland kommen?

    Bedeutet: Lügen ohne Ende - damit alles so weitergeht, wird die atomare Auslöschung in Kauf genommen und die Erde immer weiter aufgeheizt.

    • @Rosmarin:

      Wo steht denn da irgendwas davon dass die „Atom-Rohstoffe“ (ich vermute Sie meinen den Uranbrennstoff) aus Russland importiert werden sollen? Da gibt’s schließlich auch noch andere Länder die solches Material liefern können.

      • @Saile:

        Die lupenreine Demokratie Kasachstan zum Beispiel. Oder affrikanische Länder wie Niger,Namibia oder Nigeria, wo das Zeug dann gerne auch mal oberirdisch mit zwei wöchentlichen Sprengungen abgebaubt wird und deswegen regelmäßig eine radioaktive Staubwolke ganze Landstriche verseucht.

  • Klimaschutz geht anders!

    In Deutschland werden Braun-Kohlekraftwerke wie Jänschwalde wieder hochgefahren, um emissionsfreie AKW-Energie abschalten zu können.

  • Passt. Perfektes Timing. Kurz bevor Schweden in die NATO kommt.

    Humor haben die, das kann man sagen.

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Bei den prognostizierten Zuwächsen an Strombedarf, wie sie die Digitalisierung in künftigen Zeiten nicht unwahrscheinlich erfordern wird, kann der Gedanke naheliegen, dass dieser Bedarf als Schuhlöffel für Pro-AKW-Argumentation gerne benutzt werden wird.



    "Energieverbrauch der IKT-Infrastruktur. Endbericht zum TA-Projekt, 2022. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB)."



    doi:10.5445/IR/1000151164, www.tab-beim-bunde.../publikationen.php

  • Na hoffentlich noch einen weiteren EPR IV, dieses französische Investitionsmonstrum. Westinghouse AP1000 sieht auch ganz brauchbar aus, die Polen wollen solch einen bauen. Aber selbst hier ist der Projektzeitraum 12 Jahre.