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Steinmeier-Reise nach KiewNeue Normalität

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat es nach Monaten in die Ukraine geschafft. Seine Solidarität mit dem Land ist weder Versöhnungskitsch noch Bußgang.

Eine Frau berichtet Steinmeier von ihrer Geiselhaft in Jahidne Foto: Michael Kappeler/dpa

N ach einem sehr langen Anlauf ist Frank-Walter Steinmeier doch noch in Kiew angekommen. Erst hatte ihn der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski undiplomatisch ausgeladen, dann passierte lang nichts, und vor ein paar Tagen wurde die Reise wegen Sicherheitsbedenken verschoben. Steinmeiers Botschaft lautet nun: „Wir werden die Ukraine weiterhin unterstützen – wirtschaftlich, politisch und auch militärisch.“ Dass er militärisch erwähnt, soll signalisieren, dass die Charmeoffensive ernst gemeint ist.

Steinmeier hat als Außenminister den Versuch verantwortet, mit dem Minsker Abkommen den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine einzuhegen. Er hat, wie sehr viele, nach der Annexion der Krim 2014 eisern an Nord Stream 2 festgehalten. Der Versuch von Berlin und Paris, den Krieg nach 2014 mit Kompromissen zu befrieden, ist seit dem 24. Februar Asche. Aber wäre es 2014 nicht fahrlässig gewesen, die Möglichkeit der Diplomatie ungenutzt verstreichen zu lassen?

Steinmeier hat seine Rolle vor einem halben Jahr einigermaßen selbstkritisch kommentiert. Deutschland hat seitdem zahlreiche schwere Waffen an Kiew geliefert. Angesichts der massiven russischen Angriffe auf zivile Ziele ist das deutsche Flugabwehrsystem Iris-T für die Ukraine besonders wichtig. Insofern ist der Besuch des Bundespräsidenten, mag er spät kommen, ein richtiges Zeichen. Er symbolisiert, dass nach all den mit viel Affekten aufgeladenen Irritationen zwischen Berlin und Kiew eine neuen Normalität existiert.

Die Ukraine braucht Berlin. Frontal­attacken gegen Steinmeier fährt derzeit nur noch Bild, die eine rechtspopulistisch anmutende Kampagne gegen den Bundespräsidenten angezettelt hat. Umgekehrt ist Steinmeiers Versicherung, dass Kiew sich auf Berlin verlassen kann, kein freundliches Versprechen, sondern Ausdruck dessen, was der Fall ist. Deutschland unterstützt, außer der AfD und Teilen der Linkspartei, die Ukraine – trotz der Drohungen aus Moskau, den Krieg zu eskalieren. Deshalb ist diese Reise weder Versöhnungskitsch noch Bußgang. Sie spiegelt die politische Wirklichkeit wider.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.