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Stadtentwicklung in HamburgGeldsegen von den Mietern der Stadt

Die städtische Saga schüttet in den kommenden Jahren 350 Millionen an den Hamburger Haushalt aus. Mieterverbände und die Linke kritisieren das.

Die Saga soll überschüssige Gelder lieber in Sanierungen stecken, sagt die Linke Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Hamburg taz | Das städtische Wohnungsbauunternehmen Saga soll in den kommenden vier Jahren insgesamt 350 Millionen Euro an den Hamburger Haushalt ausschütten – deutlich mehr,als in den vergangenen Jahren. Das hat der Senat am Mittwoch in einer Sitzung des Haushaltsausschusses bestätigt. Dabei sind Hamburgs Mie­te­r*in­nen schon jetzt stark belastet. Die Linke und die Mietervereine kritisieren die Ausschüttung scharf.

Nachdem die Saga in den vergangenen drei Jahren insgesamt rund 75 Millionen an den städtischen Haushalt ausgeschüttet hat, sollen es in den nächsten vier Jahren satte 350 Millionen sein – davon jeweils 25 Millionen in den Jahren 2023 und 2026 sowie jeweils 150 Millionen in den Jahren 2024 und 2025.

Dabei erhöht die Saga wie auch andere Ver­mie­te­r*in­nen kontinuierlich die Mieten, während dringend benötigte Sanierungen auf der Strecke bleiben. Zudem werden die Mie­te­r*in­nen im Zuge der Energiekrise mit deutlich steigenden Betriebskosten rechnen müssen.

Einen „Schlag ins Gesicht“ für die Mie­te­r*in­nen nennt die Bürgerschaftsabgeordnete Heike Sudmann (Die Linke) die geplante Überweisung. Die Mie­te­r*in­nen würden „mit den horrenden Energierechnungen allein gelassen, während die Saga genug Geld hat, um mehrere Hundert Millionen Euro an die Stadt zu zahlen“.

Summen „total willkürlich“

Rolf Bosse, Geschäftsführer des Mietervereins zu Hamburg, nennt die Summen, die die Saga künftig ausschütten soll, „total willkürlich“ und fordert, dass die Stadt der Saga ihre Gewinne lassen möge, und zwar „für die Schaffung und den Erhalt von Wohnraum und die Stabilisierung der Mieten“.

Sylvia Sonnemann, Geschäftsführerin von „Mieter helfen Mietern“ (MHM) fordert, die Gelder, wenn schon, dann „wenigstens zweckgebunden“ an den Senat zu überweisen. Denn die Zielzahlen für den sozialen Wohnungsbau seien auch deshalb nicht erreicht worden, weil die Fördermittel viel zu gering seien.

Zudem fordert Sonnemann die Saga auf, die Gewinne zu nutzen, um „nicht die vollen Mieterhöhungmöglichkeiten auszuschöpfen“ und die zu erwartenden Schwierigkeiten der Mie­te­r*in­nen abzufedern. Das betreffe vor allem Personen, „die knapp über Hartz IV liegen, denen die Nebenkosten nicht vom Amt gezahlt werden“.

Rolf Bosse führt die hohen Gewinne darauf zurück, dass „die Mieten die, die Saga aufruft deutlich über dem liegen, wie sie sein müssten“. Das bestätigt auch Sylvia Sonnemann: „Die Mieterhöhungen finden trotz Krise ganz regelmäßig statt“, berichtet sie, und zwar „turnusgemäß alle 15 Monate“.

Die Finanzbehörde entgegnet, dass es sich bei den Ausschüttungen nicht um Gewinne aus der laufenden Geschäftstätigkeit der Saga handele: „Die einmalig erhöhten Ausschüttungen von 150 Millionen Euro für 2023 und 2024 ergeben sich aus Sondereffekten insbesondere im Zuge der Saga-GWG-Verschmelzung“, sagt der Pressesprecher der Finanzbehörde, Claas Ricker.

In einem Hochhaus brannte fünf Monate lang das Licht im Treppenhaus

Bei den Geldern handele es sich dementsprechend „insbesondere nicht um Erträge aus Mieten“. Für den Kauf des Schwesterunternehmens GWG musste die Saga in den Jahren davor hohe Summen an den Senat überweisen.

Derweil gibt es aus Sicht der Mietervereine und der Linken in den rund 137.000 Wohnungen der Saga deutlichen Sanierungsbedarf. So hat laut der Linken-Politikerin Sudmann in einem 14-stöckigen Mietshaus der Saga seit Mai das Licht im Treppenhaus Tag und Nacht gebrannt. Das Problem sei erst nach fünf Monaten behoben worden.

Außerdem kritisiert die Linken-Politikerin, dass in der Lenzsiedlung im Bezirk Eimsbütttel die Wasserleitungen seit Jahren marode seien und nicht ausgetauscht würden. Rolf Bosse sagt hierzu: „30 Prozent der Saga-Wohnungen befinden sich in einem unsanierten, schlechten energetischen Zustand.“ Er ergänzt: „Da muss was getan werden.“

Die Saga widerspricht und weist darauf hin, dass sie im Jahr 2021 rund 530 Millionen Euro in die „Pflege und Entwicklung ihrer Bestände sowie die Schaffung neuen Wohnraums“ investiert habe und sich damit im Branchenvergleich auf hohem Niveau befinde.

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3 Kommentare

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  • „ Die Finanzbehörde entgegnet, dass es sich bei den Ausschüttungen nicht um Gewinne aus der laufenden Geschäftstätigkeit der Saga handele: „Die einmalig erhöhten Ausschüttungen von 150 Millionen Euro für 2023 und 2024 ergeben sich aus Sondereffekten insbesondere im Zuge der Saga-GWG-Verschmelzung“, sagt der Pressesprecher der Finanzbehörde, Claas Ricker.“



    Bla bla - dieser Kauf war schon vor ca. 10 Jahren abgegolten mit jährlich 100 Millionen Euro! Wobei dieser „Kauf“ auch ein Taschenspielertrick war: Linke Tasche in rechte Tasche - die GWG war auch ein städtischer Betrieb!

    Die SAGA hält eine Großteil der Wohnungen nicht instand - wir wohnen in einem Haus, in dem seit den 70er Jahren nichts gemacht wurde! Alles ist marode, die Fenster sind zugig es regnet rein, die Außenwände bröckeln in sich zusammen, bei Kälte glitzert die Wand weil nichts isoliert ist. Die Außenwände sacken langsam ab, es nisten Ameisenkolonien in den Rissen und Hohlräumen des Mauerwerks.



    Aber die Miete wird regelmäßig erhöht - bis leicht über den mittleren Mietenspiegelwert.

  • Verstehe ich das richtig, das die städtische SAGA an dem Mieterhöhungskarussell mitdreht? Dafür wurde die SAGA sicher nicht gegründet.

    Man hat den Eindruck, der Geist von Olaf Scholz ist immer noch in der Stadt präsent.

    • @Sonntagssegler:

      Das ist der Punkt: die Saga macht auf Kosten der Mieter jedes Jahr munter beim Mieterhöhungskarussell mit, was ein himmelweiter Unterschied zu wirklicher sozialer Wohnungsbaupolitik ist, wie sie mit Hilfe eines sozialen Fonds im Wiener Modell praktiziert wird. Hier gibt es zum Beispiel eine Gewinnbeschränkung von 3,5 Prozent. Im Wiener Modell fallen die Wohnungen nicht aus der sozialen Bindung und werden dem Markt ausgesetzt, dessen Preise in den letzten Jahren explodierten.

      Scholz und die Stadt Hamburg können gar nicht so schnell bauen, wie Wohnungen aus der sozialen Bindung fliegen und zusätzlicher Bedarf entsteht.



      Es brennt auf dem Wohnungsmarkt, aber die Stadt Hamburg bedient sich mal schnell bei ihren Mietern.

      Die durchschnittliche Miete der Saga liegt zwar 20 Prozent unter dem Mietenspiegel, aber ist mit 6,90 Euro immer noch viel zu hoch.



      Der Überschuss von 225,9 Millionen im Jahr 2021 zeigt das wahre Gesicht der Stadt Hamburg, die ihre Mieter in Wahrheit schröpft.



      Im Gegensatz zum Wiener Modell ist die Hamburger Wohnungsbaupolitik im Grunde unsozial, weil sie nur für einen bestimmten Zeitraum soziale Härten auffängt, dann aber alles dem Markt überantwortet.



      Viele Tausende Ukrainer sind zurzeit auf neue Wohnungen in Hamburg angewiesen. Zeit, endlich eine Bilanz zu ziehen, zumal auch Tausende heimische Bürger eine günstige Wohnung suchen.



      Dass die SPD uralte, innovative und soziale Ideen in der Wohnungspolitik wie in Wien übernimmt, wird wohl erst der Fall sein, wenn die unsozialen marktkonformen Kräfte innerhalb der SPD mit dem Beelzebub ausgetrieben wurden.

      www.smartertogethe...-Jahrbuch-2017.pdf