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Neuer Roman von Norbert GstreinDie liebenden Geschwister

Norbert Gstrein hält in seinem Buch „Vier Tage, drei Nächte“ schwierige Familienbeziehungen in der Schwebe. Dabei unterläuft er Stereotype des Lesers.

Norbert Gstrein ist kein Autor, der seine Deutungen über das Leben seinen Lesern aufdrängt Foto: Oliver Wolf

Keiner von diesen Idioten hat Ines geliebt, wie ich sie geliebt habe und nach wie vor liebe, aber dass sich wiederholt einer fand, der sich das einbildete, ist eine andere Geschichte.“ Dieser erste Satz von Norbert Gstreins neuem Roman „Vier Tage, drei Nächte“ enthält bereits den Kern der Geschichte. Denn die Beziehung von Elias zu seiner Schwester Ines ist das energetische Zentrum des Romans. Aus ihm entwickelt sich die Geschichte der Geschwister – ihr Glück, ihr Unglück und ihre Opfer.

Die Geschichte beginnt im ersten Coronawinter. Ines, die als Zukunftshoffnung der Literaturwissenschaft gilt, will ein Buch über ein Dichterliebespaar schreiben und hat sich dafür mit dem Geld ihres reichen Vaters in ein möbliertes Haus in der Nähe von Berlin zurückgezogen.

Elias war über den Jahreswechsel in eines der leer stehenden Zimmer gezogen, weil er als Flugbegleiter wegen Corona sowieso nichts zu tun hat. Nicht zum ersten Mal bekommt Elias von seiner Schwester die Aufgabe, ihr einen liebeskranken Mann vom Hals zu halten. Warum, fragt er sich im Nachhinein, gab er sich immer wieder dafür her?

„Der zweite Jakob“

Das Buch

Norbert Gstrein: „Vier Tage, drei Nächte“. Hanser, München 2022, 352 Seiten, 26 Euro

Elias und Ines wissen lange nicht, dass sie Halbgeschwister sind. Der Vater und die Mutter von Ines verschweigen allen zunächst, dass die beiden verwandt sind. Der zweite Mensch, der Elias tief geprägt hat, ist sein Vater. Wie schon im Vorgängerroman Norbert Gstreins, „Der zweite Jakob“, ist er eine Figur, die in einem Tiroler Skiort mit einem Hotel zu Reichtum gekommen ist und – bis auf wenige Auftritte – im Hintergrund bleibt.

Elias konnte nie seine Erwartungen erfüllen. Von den Hubschraubern fasziniert, die in seiner Kindheit die Lebensmittel zu den Hütten in die Berge flogen, wollte er immer selbst fliegen. Aber als sein Vater ihm eine Ausbildung als Hubschrauberpilot in den USA finanziert, scheitert er auch hier und bekommt bei einem Übungsflug Panikattacken.

Norbert Gstrein ist kein Autor, der seine Deutungen über das Leben seinen Lesern aufdrängt. Lieber erzählt er Geschichten, in denen sich die Interpretation des Geschehens erst nach und nach ergibt. Wie im Leben stellt sich in „Vier Tage, drei Nächte“ heraus, dass die Dinge nie ganz so sind, wie man sie sich vorstellt. Stattdessen werden sie immer wieder durch neue Ereignisse und Wendungen der Geschichte verschoben.

Vorurteile und Stereotype unterlaufen

Eine Schreibweise, die auch Vorurteile und Stereotype des Lesers unterläuft und in Frage stellt, ohne dass Gstrein ihn damit vorführt. Auch die Anspielungen sind dezent gesetzt, sodass der Roman nie akademisch wirkt.

Erst spät wird deutlich, dass Elias schwul ist. Er ist der Erzähler der Geschichte, warum sollte er es erwähnen? Erst als Carl auftaucht, wird es dem Leser klar. Auch die Tatsache, dass Carl Schwarz ist, erwähnt Elias zunächst nicht. Unter den Geschwistern scheint die Hautfarbe genauso unproblematisch und selbstverständlich wie die Homosexualität. Das denken Elias und Ines zumindest. Bis die drei dann gemeinsam nach Sizilien fahren. Wo in dem Ort, in dessen Nähe sie ein Ferienhaus mieten, afrikanische Flüchtlingen leben.

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