piwik no script img

Politik und FachkräftemangelDeutschland sucht Personal

Die Bundesregierung will mit einer „Fachkräftestrategie“ gegen den Arbeitskräftemangel vorgehen. Mehr Frauen und Zuwanderer sollen in den Jobmarkt.

Beratungsgesprächbei der interaktiven Berufsorientierungs- und Ausbildungsbörse in Cottbus (Archivbild) Foto: Rainer Weisflog/imago

Berlin taz | Für Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ist die Sicherung von Fachkräften eine „Schicksalsfrage“. Das Bundeskabinett verabschiedete am Mittwoch eine sogenannte Fachkräftestrategie. Sie bündelt diverse Maßnahmen aus verschiedenen Ministerien. Nur zum Teil handelt es sich bei der „Fachkräftestrategie“ um geplante neue Gesetze. Auch Werbemaßnahmen und „Dialoge“ zählen dazu, in die auch Arbeitgeber und Gewerkschaften eingebunden sind.

Zu den aufgelisteten Maßnahmen gehören etwa die „Ausbildungsoffensive Pflege“, eine „Allianz für Aus- und Weiterbildung“, der „Dialogprozess Längeres Arbeitsleben“, der „Dialog und Arbeitsprozess Mittelstand, Klimaschutz und Transformation“.

Sie alle werden im 40-seitigen Strategiepapier genannt. Im Vorfeld hatte der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Peter Wollseifer, bereits kritisiert, es fehle der „Kompass“. Eine bloße Sammlung von Einzelprojekten sei keine Strategie, die mittel- und langfristig konzipiert sein müsse.

Die Bundesregierung will laut Strategiepapier, dass „Erwerbspotenziale“ noch besser ausgeschöpft werden. „Insbesondere für Frauen ist eine gute Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben das Fundament für eine stärkere Erwerbsbeteiligung“, heißt es. Eine „Verbesserung der Arbeitsqualität, eine mitarbeiterorientierte Arbeitskultur und die Frage einer einfachen Verwirklichung der Wünsche nach einem längeren Verbleib im Arbeitsleben durch einen flexiblen Übergang in den Ruhestand seien „essentiell“.

Offenheit für Mi­gran­t:in­nen

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erklärte dazu: „Wir brauchen vor allem auch mehr Offenheit für ausländische Fachkräfte. Im Inland gibt es immer noch Potenziale mit Blick auf die Erwerbstätigkeit von Frauen, die natürlich mit mehr Kita-Plätzen und Betreuungsmöglichkeiten zusammenhängt. Und es gilt für ältere Menschen, die für sich entscheiden länger arbeiten zu wollen“.

Heil nannte am Mittwoch unter anderem die geplante Ausbildungsgarantie, die angekündigte Bildungszeit, eine Art Bildungs-Sabbatical, und die Förderung in der Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen als Bausteine der Fachkräftestrategie. Er verwies auch auf das geplante neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz, zu dem die Regierung im Herbst Eckpunkte vorliegen möchte. Danach sollen etwa junge Einwanderer:innen, die Berufserfahrung und einen im Ausland anerkannten Abschluss, aber kaum Deutschkenntnisse haben, dennoch eine Arbeit aufnehmen können.

Im Strategiepapier heißt es, dass nach aktuellen Ergebnissen des Fachkräftemonitorings im Jahre 2026 etwa 240.000 Arbeitsplätze mehr neu zu besetzen sind, als Arbeitskräfte verfügbar werden. Künftig werde das „Fachkräfteparadox“ zunehmen, wonach es in einigen Branchen und Regionen Fachkräftemangel, in anderen Branchen und Regionen hingegen Arbeitsplatzabbau geben werde. Laut Papier ist die Zahl der sozialversicherten Beschäftigten zwischen den Jahren 2010 und 2020 um 19 Prozent gestiegen.

Die Vorsitzendes des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Yasmin Fahimi, plädierte in einem Interview mit der Rheinischen Post dafür, Erwerbsarbeit und Weiterbildung für Frauen attraktiver zu machen. Sie forderte die Abschaffung des Ehegattensplittings.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Solange man nicht massiv dereguliert und die Steuern/Abgaben senkt wird das nichts werden mit dem in Arbeit bringen der Zugewanderten und dem “Anwerben“ von Expats bzw. erstere werden in die soziale Hängematte gezwungen, letztere kommen deswegen nicht.



    Hinzukommend sollte man natürlich auch noch freundlicher sein zu Leuten, die kein Deutsch können bzw. nicht so blass sind, das sollte eine Selbstverständlichkeit sein.

  • Als billige Arbeitskräfte sind Frauen und Ausländer willkommen. Na Super, so funktioniert Kapitalismus. Da mach ich bestimmt nicht mit.

  • Deutschland hat meines Erachtens nicht nur einen Fachkräftemangel, sondern einen Arbeitskräftemangel. Die Boomer (Jahrgang 1958 - 1969) haben bereits begonnen, sich vom Arbeitsmarkt zu verabschieden. Der Mangel wird riesig. Die Diskussion über längeres Arbeiten bringt nichts, so lange die Gehälter in Deutschland die Produktivitätszuwächse der letzten 20 Jahre nicht aufholen und die Arbeitsbedingungen nicht verbessert werden - Beispiel: CareBerufe, Lehrkörper, Kinderbetreuung, etc.. Viele Berufe und Tätigkeiten führen trotz Vollzeittätigkeit im Alter lediglich zu der Mindestrente und sollten ,wenn möglich, nicht ergriffen werden . Wenn bei der Erhöhung des Mindestlohns so viele Menschen betroffen sind, und fast 50 Prozent der Deutschen so gut wie keine Rücklagen bilden konnten, dann sehe ich hier eine wachsende soziale Schieflage. Der Arbeitskräftemangel führt zu weiteren Problemen: Klinikschliessungen, Ausfall von Schulstunden, Schlechter Betreuungsschlüssel in Kliniken, Pflegeeinrichtungen, Kindergärten, Grundschulen, Deutsch für Ausländer etc., Auftragsverluste und und und. Buchtipp: Die Altenrepublik von Stefan Schulz.

  • Das Ehegattensplitting als Herdprämie für vornehmlich westdeutsche Hausfrauen muss sofort abgeschafft werden. Die Idee mit dem Zuzug qualifizierter Fachkräfte können wir allerdings auch auf lange Sicht begraben. Dafür sendet die deutsche Politik einfach die falschen Signale. Die unbesetzten Stellen in unserer Firma werden also auch weiter offen bleiben.

    • @Šarru-kīnu:

      Sie haben leider sehr Recht, die Plätze bleiben unbesetzt.