Proteste in Iran: Viele Tote, viel Widerstand

Videos und Bilder aus Iran zeigen, wie der Staat versucht, die Proteste aufzuhalten. Gerade in den kurdischen Gebieten sind die Repressionen hart.

Schaufensterpuppen tragen Kopftücher

Schaufensterpuppen mit islamischer Kopfbedeckung in der iranischen Stadt Sanandaj (Archivbild) Foto: Rouzbeh Fouladi/ZUMA Wire/imago

BERLIN taz | Die Ausschreitungen zwischen Protestierenden und Sicherheitskräften in Sanandaj – kurdisch Sine genannt –, Hauptstadt der westiranischen Provinz Kurdistan, nehmen weiter zu.

Zahlreiche Videos und Bilder, die von kurdischen Jour­na­lis­ten:­in­nen und Menschenrechtsorganisationen verifiziert wurden, zeigen, dass viele Straßen in und nach Sanandajs von Protestierenden gesperrt wurden. Die kurdische Menschenrechtsorganisation Hengaw schreibt auf Twitter: „Sanandaj hat die islamische Republik lahmgelegt.“

Schon am Samstag vermeldete sie vier Tote in der Stadt. Augenzeugen berichten der taz, dass mehr als 20 Menschen allein in den letzten beiden Tagen in Sanandaj erschossen wurden. Sie berichtet weiter, dass die Stadt in der Nacht von Sonntag zu Montag einen ihrer seit Beginn der Proteste unruhigsten Moment erlebte.

Die Polizeikräfte des Regimes sollen in Sanandaj laut Augenzeugen auch Kriegswaffen eingesetzt haben. Hengaw bestätigt das.

Der kurdische Einfluss

Dennoch sind wohl viele Protestierende hoffnungsvoll. Hengaw veröffentlichte etwa diese Nachricht aus der Stadt: „Heute Nacht riecht es in Sanandaj nach einer Revolution. Wir haben die Sicherheitskräfte des Staates in allen Stadtteilen zurückgedrängt.“

Doch der iranische Staat versucht nun, in die Offensive zu gehen. Videos in den sozialen Medien zeigen Brände in unterschiedlichen Stadtteilen Sanandajs. Aus dem Viertel Baharan wurde gegen Mitternacht über Hangaw gemeldet, dass die Kräfte des Regimes nicht aufhören würden, scharf zu schießen. Andere Bilder in den sozialen Medien sollen zeigen, dass der Staat neue Kräfte Richtung Sanandaj schickt, um den anhaltenden Protesten zu begegnen.

Sasan Amjadi, ein kurdisch-iranischer Analyst, erklärt der taz: „Laut unbestätigten Berichten aus Sanandaj ist die Anzahl der Toten viel höher als bestätigt. Gesichert ist aber, dass der Staat versucht, die Stadt Sanandaj zu militarisieren. Sie versuchen, die kurdische Gesellschaft dazu zu bringen, sich wehren zu müssen. Vor allem die Parteien in Kurdistan sollen zur Reaktion gezwungen werden.“ Der militärische Druck solle außerdem die ethnische Spaltung in Iran vertiefen.

Jila Mostajer, Direktorin von Hengaw, bestätigt die harten Repressionen des Staates in den kurdischen Gebieten. In einem Interview mit dem in London ansässigen, auf Persisch sendenden Fernsehsender Manoto sagt sie: „Es gibt viele Meldungen von Toten, aber auch viel Widerstand.“ Seit Tagen werde massiv protestiert und gestreikt. Die Proteste würden sich radikalisieren, so die kurdische Menschenrechtsaktivistin.

In der Provinz Kurdistan wurde seit Beginn der landesweiten Proteste Mitte September insgesamt dreimal zum Generalstreik aufgerufen – mit Erfolg. Auch die ersten Szenen von Frauen, die ihre Kopftücher öffentlich abgelegten, stammten aus Kurdistan – von der Beerdigung Mahsa „Zhina“ Aminis.

Die kurdische Zivilgesellschaft, darunter auch die Familie von Mahsa „Zhina“ Amini, haben eine entscheidende Rolle dabei gespielt, dass ihr Tod als Femizid verstanden wird. Auch in anderen Städten des Iran rufen die Protestierenden die kurdische Parole „Frauen, Leben, Freiheit“ (Zhin, Zhian, Azadi). Das hat dafür gesorgt, dass Kur­d:in­nen mehr als denn je als Teil des Widerstands gegen den Staat Iran verstanden werden.

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