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Russische Scheinreferenden in UkraineAbstimmen unter vorgehaltener Waffe

In vier Regionen laufen die Scheinreferenden. Viele Anwohner berichten von Zwang und Einschüchterung, andere versuchen zu fliehen.

Valentina, 90, wird in ihrer Wohnung in Mariupol von der Wahlkommission besucht Foto: Alexander Ermochenko/reuters

Zügig wurde mit der Durchführung der von Wladimir Putin angekündigten Scheinreferenden in den sogenannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk sowie den von russischen Truppen besetzten Gebieten der Regionen Cherson und Saporischschja am 23. September begonnen. Bis zum Dienstagabend sollen die Ein­woh­ne­r:in­nen der Regionen darüber abstimmen, ob sie zu Russland gehören wollen.

Natürlich stehen die Ergebnisse der Fake-Referenden schon seit ihrer Ankündigung fest, viele demokratische Staaten verkündeten deshalb bereits im Voraus, dass sie die Ergebnisse nicht anerkennen würden. Ukraines Präsident Wolodimir Selenski unterstrich, dass diese „Referenden“ keinerlei Einfluss auf die Bemühungen der Ukraine haben werden, ihre besetzten Gebiete zurückzuerobern, obwohl Putin damit drohte, Atomwaffen einzusetzen, da Angriffe auf diese Gebiete mit Angriffen auf Russland gleichgesetzt würden.

Aus ukrainischen Medien geht hervor, dass bereits jetzt Männer aus den besetzten Gebieten für den russischen Angriffskrieg mobilisiert worden wären, nachdem sie im Eilverfahren russische Pässe für ihre Teilnahme an den Scheinreferenden erhalten hätten – dies ist auch nach russischem Recht illegal, da die Gebiete noch nicht als annektiert gelten.

Selenski rief in einer Abendansprache am 23. September die Bewohner der von Russland besetzten Gebiete auf, sich „mit allen Mitteln vor der russischen Mobilmachung zu verstecken“, um der Einberufung zu entgehen. Diejenigen, die in die russische Armee eintreten, forderte der ukrainische Präsident auf, alle feindlichen Aktivitäten zu sabotieren, russische Operationen zu behindern und der ukrainischen Seite alle wichtigen Informationen, einschließlich von Stützpunkten, Hauptquartieren und Munitionsdepots, zu übermitteln.

Schrille Töne von Lawrow

Der russische Außenminister Sergei Lawrow kritisierte indes in der Generaldebatte der UN-Vollversammlung in New York den „Wutausbruch des Westens“ und rechtfertigte die Durchführung der „Referenden“. So würden diese auf Anweisung der Lokalregierungen durchgeführt. Russland wolle „selbstverständlich den Willen der Menschen achten, die jahrelang unter dem Neonazi-Regime gelitten haben“.

In Wahrheit wird die Teilnahme an den Scheinreferenden unter der Androhung von Gewalt durch russische Soldaten erzwungen, während die besetzten Gebiete auch weiterhin unter russischem Beschuss stehen. In der Region Saporischschja werden die Stimmen von speziellen polizeibegleiteten „Brigaden“ eingesammelt, die von Haus zu Haus gehen. Jewhen Balytskyi, der von Russland ernannte Verwaltungschef der Region, begründete diesen Plan mit Sicherheitsvorkehrungen.

Der Journalist Maksym Eristavi erzählt hingegen auf Twitter, dass seine Familie mit vorgehaltener Waffe gezwungen wurde, im Rahmen des russischen „Referendums“ in der Südukraine offen vor den Augen der Soldaten abzustimmen. Laut Kyiv Independent behaupte Russland, dass die Wahlbeteiligung in den zerstörten Gebieten Sievierodonetsk, Lysychansk und Rubizhne bei 41 bis 46 Prozent liegt, obwohl die meisten Menschen die Region während der Kämpfe verlassen haben.

In der Strafkolonie in der Donezker Volksrepublik wurden 57 ukrainische Kriegsgefangene unter Aufsicht von „Beobachtern aus Italien“ gezwungen abzustimmen. Auch der Geschäftsführer des nordhessischen Versorgers Energie Waldeck-Frankenberg, Stefan Schaller, reiste in die russisch besetzten Gebiete der Ostukraine, um als Wahlbeobachter zu fungieren. Er soll nun deshalb von seinen Aufgaben als Energiemanager freigestellt werden.

Neue Fluchtbewegungen

Die stellvertretende Ministerpräsidentin Iryna Vereshchuk rief die Ein­woh­ne­r:in­nen dazu auf, nicht mit den russischen Invasoren zu kooperieren, eine Beteiligung an den Referenden zu verweigern und möglichst die Gebiete zu verlassen.

Und so haben die Scheinreferenden neue Fluchtbewegungen aus den besetzten Gebieten ausgelöst: Viele Menschen flüchteten in die Regionshauptstadt Saporischschja, welche unter ukrainischer Kontrolle ist. Geflüchtete berichten davon, an russischen Checkpoints durchsucht, gedemütigt und ausgeraubt worden zu sein.

In dem von Russland besetzten Snihurivka in der Region Mykolaiv versammelten sich mehrere Menschen, um gegen das illegale Referendum zu protestieren. „Snihurivka war immer die Ukraine. Wir haben uns nie Russland anschließen wollen und werden es auch nicht tun“, sagen die De­mons­tran­t:in­nen in einem Video.

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5 Kommentare

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  • In Bezug auf Herrn Schaller, der Geschäftsführer der Energie Waldeck-Frankenberg habe ich bislang wenig Handfestes in der Presse gelesen, woraus sich ableiten ließe, das er für die russische Besatzung und pro Putin eingestellt ist. Und obwohl er sagt, er sei in privater Mission dorthin gefahren, nimmt man ihm sogleich den Arbeitsplatz! Ist das wirklich mit unserem Recht vereinbar.



    Ich wünsche mir hier von der Presse mehr Hintergrundinformation zu dem Sachverhalt. Auf jeden Fall mehr als nur die Information, dass dieser Herr dorthin fährt und dies unter Nennung seines Arbeitgebers. Klar, ein Energieversorgungsunternehmen ist in dieser Krisensituation ein direkt und stark betroffener Sektor.



    Was ich mir wünsche von der Presse, dass man diesem Herren mehr nachweist als die ggf. einfach nur naive Behauptung, dass er sich vor Ort ein - wie auch immer - objektives Bild von der Situation machen möchte.



    Bislang nicht beleuchtete Aspekte:



    Wurde er über die Firmenadresse der EWF von russischer Seite angeschrieben? Hat er bislang in Russland irgendwelche Interviews als EWF-Vertreter gegeben oder als Privatmann? Wenn ja, mit welchem Inhalt?



    Er war angeblich schon einmal in Russland zu einer Duma-Wahl. Hat man ihm damals auch schon von kommunaler und Aufsichtsrat ordentlich den Kopf gewaschen, so dass er hätte vorgewarnt sein können?

    Damit man mich nicht falsch versteht: ich verurteile alles, was von russischer Seite derzeit in Ukraine geschieht.

    • @Alfonso el Sabio:

      Es gibt so etwas wie private Wahlbeobachtungsmissionen in Kriegsgebieten nicht. Wer in due bestürm Gebiete fährt, tut keinen Schritt ohne russische Aufpasser und bekommt nichts zu sehen, was die dort herrschenden russischen Rechtsextremen einen nicht sehen lassen wollen.



      Alleine schon, zu glauben, das sei nicht so, ist ein Beweis für völligen Realitätsverlust und würde schon deswegen eine Freistellung rechtfertigen. Und selbstverständlich ist es rechtlich vollkommen in Ordnung, sich von einem Mitarbeiter zu trennen, der dem Ansehen des Unternehmens so drastisch schadet. Wer will denn auch nur in den Verdacht kommen, einen illegalen Angriffskrieg zu unterstützen, noch dazu einen, bei dem der Angreifer auch ganz klar unser Feind ist?

      • @Suryo:

        Ich halte es für grundsätzlich in Ordnung, Herrn Schaller für konkret nachgewiesenen Fehlverhalten zu sanktioniert. Muss man ihm jedoch seinen Arbeitsplatz wegnehmen?



        Es kommt in diesem Fall noch eines hinzu: Wird es ein Gerichtsverfahren für Herrn Schaller auf Basis deutschen Strafrechts geben? Welche Strafrechtsnorm käme dafür in Frage?



        Falls es es also ein Strafurteil gegen ihn geben sollte, dann erführe er eine doppelte Strafe.



        Und falls nicht, so wäre er von politischer Seite (kommunaler Eigentümer des EVU!) bestraft, aber ist das arbeitsrechtlich haltbar, wenn er privat unterwegs war?



        Hat er denn tatsächlich als EWF-Vertreter Interviews gegeben?



        Falls ja, dann ist natürlich seine Sanktionierung nur gerechtfertigt.

  • Ich finde Beobachter jetzt nicht so verwerflich, sofern sie in der Lage und willens sind, ernstzunehmende Berichte abzugeben.

    Es ist ohnehin davon auszugehen, dass eine ernsthafte Beobachtung nicht möglich sein wird.

    • @meerwind7:

      "Ich finde Beobachter jetzt nicht so verwerflich"



      Die sogenannten "Beobachter" beteiligen sich an Kriegsverbrechen. Es ist zu hoffen, dass sich Herr Schaller deshalb vor einem deutschen Gericht wird verantworten müssen.