Diktatur-Anhänger in Gießen: Nachspiel für Eritrea-Festival

Anhänger der eritreischen Diktatur wollen Donnerstag in Gießen protestieren. Stadtpolitiker und eritreische Oppositionelle fühlen sich bedroht.

Portrait des eritreischen Diktators Isayas Afewerki

Der lange Arm der Diktatur: Isayas Afewerki bedroht auch in Deutschland oppositionelle Eritreer Foto: Ute Grabowsky/picture alliance

BERLIN taz | Gießen entwickelt sich immer mehr zu einem Wallfahrtsort der Anhänger der eritreischen Diktatur. Für Donnerstag haben Gruppen, die dem Regime in Asmara nahestehen, zu einer Demonstration durch die mittelhessische Stadt aufgerufen. Die Stadt rechnet mit 800 bis 1.500 Teilnehmern.

Der Stadtverordnete Klaus-Dieter Grothe (Grüne), der seit Jahren die eritreische Opposition unterstützt, sagt, dass Regimeanhänger europaweit für die Demo werben würden und Busse gechartert hätten. Die hessische Polizei bereitet sich nach eigenen Angaben mit „mehreren hundert Beamtinnen und Beamten“ auf den Tag vor.

Anlass der Demonstration ist die Sitzung der Stadtverordnetenversammlung, die sich mit gewaltsamen Auseinandersetzungen zum Eritrea-Festival Ende August beschäftigen wird.

Die Polizei hatte damals nach einer Eskalation mit Regimegegnern das noch nicht begonnene Festival abgebrochen, auf dem die Diktatur sich selbst feiern wollte und für das mit der Eintreibung von Spenden für den Krieg im benachbarten Äthiopien gerechnet wurde. Die Sicherheit könne nicht gewährleistet werden. Dadurch sehen sich die Diktaturanhänger im „Erhalt und der Achtung unserer Grundrechte“ gefährdet. So steht es in einem Versammlungsaufruf.

Gewalt gegen Oppositionelle in Deutschland

Laut Rut Bahta von der oppositionellen eritreischen Organisation United4Eritrea habe der eritreische Propagandaminister Yemane Gebremeskel nach den Ereignissen vom August getwittert, dass der eritreische Botschafter in Deutschland mit dem Gießener Fall beauftragt sei. „Das war eine direkte Botschaft vom Diktator Isayas Afewerki an die oppositionelle Diaspora in Deutschland, um diese einzuschüchtern.“

Einige Tage später habe im eritreischen Generalkonsulat in Frankfurt am Main eine Versammlung stattgefunden. Seitdem, so Bahta, gebe es Gewaltvorfälle in mehreren Städten in Hessen und Nordrhein-Westfalen gegen oppositionelle Eritreer, die gegen das Regime demonstriert haben.

Sie zählt auf: In Frankfurt gab es einen Messerangriff auf einen Mann, der sich aber wegducken und entkommen konnte. In Kassel eine Schlägerei und in Köln eine Morddrohung. Diese Vorfälle seien zur Anzeige gebracht worden. Rut Bahta geht davon aus, dass regimenahe Eritreer mit einer in Hessen polizeibekannten Schlägertruppe in Kontakt stehen. „Einige Vertreter der Opposition haben sich in eine entsprechende Zoom-Konferenz eingeschaltet und eine Aufzeichnung gemacht. Die übersetzen wir gerade, um sie der Polizei zu übergeben.“

Die Polizei ist sensibilisiert für das Thema politisch motivierter Gewalt unter Eritreern. So stark, dass Bahta sowie der Stadtverordnete Grothe nach eigenen Angaben vom Staatsschutz über eine Bedrohungslage für ihre Personen informiert und gebeten wurden, auf ihre Umgebung zu achten. Grothe sagt der taz: „Ich fühle mich besser, wenn ich am Donnerstag nicht in Gießen bin.

Die oppositionellen Eritreer verzichten auf eine Gegendemonstration. Bahta: „Es ist besser, unsere Kapazitäten in Pressearbeit zu stecken, um über das Regime und seine Anhänger in Deutschland aufzuklären.“ Dass bei einzelnen jungen Leuten die Wut auf das Regime, dem sie unter Lebensgefahr entkommen sind und das ihre Brüder und Schwestern gerade im äthiopischen Bürgerkrieg verheizt, so groß ist, dass sie dennoch auf die Straße gehen, kann aber niemand ausschließen.

In den Niederlanden ist die eritreische Regierungspartei als Terrororganisation eingestuft worden. Das ermöglicht es den Behörden, anders als in Deutschland Veranstaltungen zu untersagen.

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