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Die WahrheitBananen am Stammtisch

Es gibt sie, die gerechten Aktionen. Manchmal entstehen Ideen dazu am Stammtisch. Vielleicht kennen Sie, ja Sie, schon die Bananenbiegergewerkschaft.

W as soll man in dieser ruinierten Welt überhaupt noch machen?, dachte ich mal wieder. Den Hof kehren, klar. Die Zwetschgen aufsammeln und sortieren, logisch. Den Amseln ein paar Äpfel hinlegen, sicher. Die Altpapiertonne vors Haus rollen, selbstverständlich. Und sonst? Freundlich zu deinem Nachbarn sein und ein gutes Buch lesen, ja. Gibt ja einige gute Bücher. Dostojewski, Mark Twain, Ovid, auch neueren Scheiß, Piwitt zum Beispiel.

Ich hatte mit Freund Piwitt telefoniert. Er war ganz froh gewesen, mit jemandem zu reden, dem es ähnlich wie ihm geht. Er schwanke zwischen Depression und Wut, hatte er gesagt – und dabei gelacht. Sein Lachen war wirklich ansteckend gewesen. Nun saß ich wieder da. Und sonst?

Dann fiel mir ein, dass wenigstens Freitag sei. Stammtisch im Dorfwirtshaus. Ein heiliger Termin. Schlack würde vielleicht da sein, Erhard, Walter, Erwin, der Lerd, die ganze altmodische Bande, in der ich der Jüngste bin.

Mit dem Gedanken an den Stammtisch um sechs bekam ich den Tag halbwegs rum. „Da kommt a Dreck daher!“, hatten sie mich vor vier Wochen begrüßt, als ich nach einem Jahr wieder aufgetaucht war.

Diesmal hockte da Ludwig mit seiner norwegischen Freundin Ingrid und seinem neuen Knie. Sein wilder weißer Bart war nicht restauriert worden. Er trug eine seiner achtzig bunten Lesebrillen und umarmte mich. Das tat gut.

Eine einzige Wurschtelei

„Jürgen, wie geht’s dir?“, fragte Ludwig. „Hast du eine Idee?“, antwortete ich. „Ich hab keine Ahnung. Eine einzige Wurschtelei.“

„Pass auf“, sagte Ludwig, „du kennst doch die Bananenbiegergewerkschaft.“ – „Die Bananenbiegergewerkschaft?“ – „Hast du nie gehört? Die wurde 1970 im Hamburger Hafen gegründet und ist eine der schlagkräftigsten Gewerkschaften der Welt.“ – „Erzähl keinen Quatsch!“, sagte ich. „Das ist kein Quatsch“, sagte Ludwig. „Die Bananenbiegergewerkschaft kämpft für die Rechte der Bananenbieger aus Costa Rica und Alaska und leck mich am Arsch. Die Bananenbieger biegen die frisch eingetroffenen Bananen im Hamburger Hafen gemäß EU-Norm zurecht. Ist deren Krümmung zu groß, dehnen sie die Bananen, die Bananenbieger sind also zugleich Bananendehner. Ist die Krümmung zu klein, biegen sie die Bananen in Form. Du kriegst im Supermarkt keine Banane, die nicht durch die Hände eines Bananenbiegers gegangen ist.“

Ludwig saugte etwas Bier in sich hinein, strich den Schaum aus seiner tolstoiartigen Gesichtstracht und fuhr fort: „Jürgen, du alter Linker! Häng dich da rein! Klassenkampf am Schreibtisch bringt nichts! An die Basis!“ Selten bin ich vom Stammtisch beschwingter nach Hause gewankt. Endlich ein Lebensziel. Ich sehe bereits, wie ich als Bananenbiegergewerkschaftsgeneralsekretär die Bananenbieger dieser Erde zum Aufstand aufrufe: „Wir krümmen keinen Finger mehr! Ab heute wird keine Banane mehr gebogen! Aldi und Co, fuck off!“

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