Demonstration gegen Sexualisierung: Oben ohne

Auf der Straße gegen einengende Kleiderordnungen unterwegs: Fe­mi­nis­t*in­nen radeln in Hannover gegen Sexualisierung und Diskriminierung.

Männerbrust mit Brusthaaren

Nackte Brust, ein Symbolbild Foto: picture alliance/dpa/Felix Hörhager

HANNOVER taz | Die herrschende Ordnung auf den Kopf stellen – zumindest die Kleiderordnung: Das haben am vergangenen Sonntag rund 50 Fe­mi­nis­t*in­nen auf Rädern in Hannover erreicht. Während Frauen oben ohne demonstrierten, trugen Männer BHs oder Bikinis. „Boobs have no Gender“ – Brüste haben kein Geschlecht – war auf einem Rücken zu lesen, eine andere Person hatte ihre Brüste mit Blumen bemalt.

Dass Brüste kein Geschlecht haben, bringt das politische Ziel der Demonstration auf den Punkt. Aktuell bestimmt der Blick auf den Körper, zu welchem Geschlecht zugehörig eine Person gelesen wird. Dabei werden männliche und weibliche Brust sehr unterschiedlich bewertet. Gegen die Sexualisierung der weiblichen Brust und die Absurdität der unterschiedlichen Bewertung von nackten Oberkörpern richtete sich die Demonstration des Feministischen Rats Hannover. „Das Verdecken der weiblichen Brust ist Symptom von Sexismus und Patriarchat“, sagt Juana Zimmermann vom Feministischen Rat.

Dass der feministische Slogan „Bildet Banden!“ an Aktualität nichts eingebüßt hat, zeigte die Demonstration. Anlass waren laut Zimmermann unter anderem persönliche Vorfälle: Personen aus dem Kreis des Feministischen Rates wurden nackt am See gefilmt, der Mann hörte auch nach Aufforderung nicht damit auf. Spontan organisierte der Feministische Rat innerhalb weniger Tage die Demonstration. Ziel sei es gewesen, sich gemeinsam zu empowern und in der Gruppe weniger angreifbar zu sein.

Die weibliche Brust in der Öffentlichkeit zu zeigen, bedeutet nicht nur unfreiwillige Sexualisierung, es kann sogar strafbar sein. Als „Belästigung der Allgemeinheit“ gilt es als Ordnungswidrigkeit und kann mit einer Geldstrafe von bis zu 1.000 Euro bestraft werden.

Für bundesweites Aufsehen sorgte im vergangenen Jahr der Fall einer Frau in Berlin, die beim Sonnen oben ohne einen Polizeieinsatz auslöste und einen Platzverweis bekam. Neben der gemeinsamen Ermächtigung ging es den De­mons­tran­t*in­nen deshalb auch darum, „ein Zeichen gegen die unfaire Gesetzeslage zu setzen und uns Räume zurückzuerobern!“, sagt die Aktivistin Kim Kindler.

Die Schwierigkeit, die mit dem Wunsch nach öffentlicher Aufmerksamkeit bei gleichzeitiger Gefahr von Sexualisierung verbunden ist, zeigte sich auf der Demonstration ganz direkt. Sie wurde von einem Aufgebot der Lokalpresse begleitet – und von Männern. „Unfassbar viele Männer haben gegafft und uns gefilmt“, erzählt Zimmermann. Gemeinsam hätten sie versucht, sich dagegen zu wehren – leider nicht immer erfolgreich. Auch sei auffällig gewesen, dass viele Pres­se­ver­tre­te­r*in­nen anwesend gewesen seien, die sich sonst wenig für feministische Anliegen interessieren. „Teile der Medien nutzen das Thema für Clickbaiting“, vermutet Zimmermann.

Damit bestätigten sie letztendlich den Anlass zur Demo. Während es für Männer normal ist, mit nacktem Oberkörper Sport zu machen oder am See zu liegen, werden Frauen begafft und gefilmt. Das zeigt, dass der Weg zur Gleichberechtigung noch ein weiter ist. Doch Aktionen wie die des Feministischen Rates sind ein starkes Zeichen für Verbündung und die Rückeroberung öffentlicher Räume. Nach Abschluss der Demo hätten einige Teil­neh­me­r*in­nen noch gemeinsam im Park gesessen, sich ausgetauscht und vernetzt, sagt Zimmermann: „Insgesamt war es ein schöner und erfolgreicher Tag.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.