Nacht der Museen in Berlin: Museales Schlangestehen

Die Lange Nacht der Museen hatte 700 Veranstaltungen in 70 Museen im Angebot. Und: Erstmals seit Corona war auch der typische Charme wieder da.

Menschen stehen zur Langen Nacht der Museen in Berlin in der Schlange zur James-Simon-Gallery

„Donnerwetter!“: Schlange stehen vor der Berliner James-Simon-Galerie am 27. August Foto: Fabian Sommer/dpa

Hier geht wirklich gar nichts mehr. Vorm Eingang zu Deutschlands erstem und 295 Meter langem U-Bahn-Tunnel, der zwecks Beförderung von Waren und Ar­bei­te­r*in­nen 1895 und 1896 von der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) gegraben wurde, hat sich eine etwa 200 Meter lange Menschenschlange gebildet. „Wenn wir hier warten, kostet uns das ungefähr die Hälfte unserer Museumsnacht“, rechnet eine junge Frau mit türkiser Teddyjacke ihren Freundinnen vor. „Was soll’s“, bilanziert sie schließlich, trinkt einen Schluck vom mitgebrachten Grapefruit-Radler und lacht.

Es ist 22 Uhr, die sogenannte Lange Nacht der Museen hat bereits vor vier Stunden begonnen und endet erst in weiteren vier Stunden – aber schon hier, zur Halbzeit und mitten im Berliner Arbeiterbezirk Wedding, wird deutlich, dass diese Nacht am 27. August wieder mal funktioniert hat. Bei ihrer ersten Ausgabe seit Pandemiebeginn und 700 Veranstaltungen in 70 Museen mit einem Ticket für 15 Euro für alle Häuser waren wie vor Corona 40.000 Menschen in der ganzen Stadt unterwegs.

Anders als man auch durch Hollywood-Filme wie „Nachts im Museum“ glauben möchte, hat tatsächlich mal nicht Amerika, sondern Berlin die Lange Nacht der Museen erfunden.

1997 war das, vor einem Vierteljahrhundert also, und das Event war gleich so erfolgreich, dass es inzwischen nicht nur in Deutschland von Köln bis Dresden und von Hamburg bis Koblenz kopiert wurde, sondern auch in Polen und Tschechien, in Argentinien und auf den Philippinen.

Der Charme dieser Veranstaltung besteht nicht nur darin, in einer Nacht auch mal die kleinsten und schrulligsten Häuser einer Stadt anzusehen – oder einfach Orte, die nicht auf der Rennstrecke liegen. Der Witz ist auch der, dass Städte mit solchen Veranstaltungen Publikum locken, das es sonst vielleicht eher selten ins Museum schafft. Schon vor knapp 20 Jahren hat England landesweit die Eintritts­karten zu den Dauer­ausstellungen der staatlichen Museen abgeschafft, laut Regierung haben sich die Besucherzahlen dadurch verdoppelt. In Frankreich ist der Eintritt in Museen bis zum Alter von 26 Jahren frei, und der freie Eintritt an jedem ersten Sonntag in Berlins Museen, den es seit Juli 2021 gibt, ist ebenfalls ein voller Erfolg.

Nun ist zwar die Lange Nacht der Museen nicht kostenlos, aber wer sich anstrengt, bringt es dank Shuttle-Service und Gutschein für Sharing-Angebote schon auf etwa acht Museen in acht Stunden.

Viel wichtiger aber noch als die Museen selbst sind die Erlebnisse dazwischen, das Plaudern in den langen Schlangen, die staunenden Kinderaugen, wenn sie zum ersten Mal das Innenleben einer Wurlitzer-Orgel bei der Arbeit sehen, der Schreck eines männlichen Teenagers mit viel Glitzer und Perlen, als er im Samurai-Museum erfahren muss, dass er nicht der Erfinder der Künstlichkeit ist. Gezeigt wird eines dieser superabstrakten japanischen No-Theaterstücke.

„Wo! Wo!“, macht der japanische Trommler. „Donnerwetter!“, macht der junge Mann.

„Donnerwetter!“

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Jahrgang 1971, schrieb 1995 ihren ersten Kulturtext für die taz und arbeitet seit 2001 immer wieder als Redakteurin für die taz. Sie machte einen Dokumentarfilm („Beijing Bubbles“) und schrieb zwei Bücher über China („Peking" und "Chinageschichten“).

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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