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Explosionen auf der KrimAngriffe sorgen für Unruhe

Nach den Vorfällen wechselt Russland seinen Schwarzmeerflottenchef. Die Ukraine sagt „entscheidende Ereignisse an allen Fronten“ voraus.

Bewohner der russisch besetzten Krim werden nach Explosionen am 16. August in Sicherheit gebracht Foto: Viktor Korotayev/ap

Berlin taz/rtr | Nach einer Serie von Explosionen auf russischen Militärstützpunkten auf der von Russland annektierten Krim wechselt Moskau den Chef der Schwarzmeerflotte aus. Zum neuen Kommandeur sei Viktor Sokolow ernannt worden, meldete am Mittwoch die Nachrichtenagentur RIA.

Vor mehr als einer Woche waren Flugzeuge bei einer Explosion auf einem Luftwaffenstützpunkt auf der Krim zerstört worden. Am Dienstag kam es zu einer Explosion in einem Munitionsdepot. Russland machte Sabotage verantwortlich. Mehrere Tausend Russen sollen seitdem die Flucht aus der Krim nach Russland ergriffen haben, berichten ukrainische Medien. „Die Besatzer haben begonnen, die Bevölkerung der Krim zu evakuieren“, schrieb am Mittwoch die englischsprachige Webseite der Zeitung Ukrainska Pravda.

Die Regierung der Ukraine hat die Rückgewinnung der Krim immer wieder als eines ihrer Kriegsziele bezeichnet. Die mutmaßlichen Angriffe auf russische Militärstützpunkte dort sollen aber vor allem die Nachschubwege im Süden der Ukraine stören. „Russische Versorgungslinien aus der Krim unterstützen direkt russische Kräfte auf dem ukrainischen Festland, einschließlich jener im westlichen Gebiet Cherson“, analysierte in der Nacht zu Mittwoch das Institute for the Study of War in den USA.

„Wenn die Ukraine auf die Kommunikationslinien und Logistik Russlands auf der Krim zielt, passt das zur ukrainischen Gegenoffensive, die auch auf Brücken über den Fluss Dnipro und russische Logistik im besetzten Gebiet Cherson zielt. Der Endeffekt dürfte sein, die russischen Fähigkeiten zu beeinträchtigen, motorisierte Kräfte am Westufer des Dnipro zu halten und sie vom Ostufer aus mit Luftwaffe und Artillerie vor ukrainischen Gegenangriffen zu schützen.“

Ukraine schürt Erwartungen

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski rief in der Nacht zu Mittwoch die Bevölkerung aller russisch besetzten Gebiete dazu auf, sich von russischen Militäreinrichtungen fernzuhalten. Die Detonationen auf der Krim könnten eine Reihe von Ursachen haben, sagte er in seiner nächtlichen Ansprache. „Aber sie alle bedeuten dasselbe – die Zerstörung der Logistik der Besatzer, ihrer Munition, ihrer militärischen und sonstigen Ausrüstung sowie ihrer Kommandoposten.“

In ukrainischen Medien wird eine Erwartung bevorstehender militärischer Durchbrüche geschürt. „In naher Zukunft wird es entscheidende Ereignisse an allen Fronten geben“, wurde am Mittwoch Andrii Jusow zitiert, Sprecher des Militärgeheimdienstes, und verwies auf den 24. August – den Unabhängigkeitstag der Ukraine und sechs Monate nach Kriegsbeginn. „Die Ukraine wird alle feindlich besetzten Gebiete befreien.“

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5 Kommentare

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  • Die Überschrift irritiert. Seit dem 24.2. gibt es nicht nur "Unruhe" in der ganzen Ukraine, sondern auch zigtausend Tote und Millionen Leidende. Wenn Putin endlich aus dem überfallenen Land rausgeht, dann bleibt da nicht nur "Unruhe" zurück.

  • Mensch wieviele "entscheidende Ereignisse" der Ukraine gab es denn gleich. Tagtäglich wird darüber bei uns berichtet, ohne "genaueres war nicht neutral zu überprüfen" anzuheften. Und dann schaut man sich die wöchentlichen Bewegung an und sieht, oh die Russen sind wieder weiter vorangekommen. Über russische Proaganda, zu Recht aufregen, aber selbst bei ukrainischer ganz dolle die Augen zu haben und eigene dazuerfinden.

    • @Daniel Drogan:

      Zu entscheidenden Ereignissen macht das die Presse, grundsätzlich rücken die Russen seit einem Monat gar nicht mehr und davor nur sehr langsam vor. Die Ausrüstungsverluste sind hoch, der Munitionsverbrauch (und Verlust) auch. Die Ukraine ist taktisch den Russen Haushoch überlegen es mangelt ihr nur an Ausrüstung, sollte der Westen davon genügend liefern kann die Ukraine bis zum Frühjahr ihr Land befreien und den Krieg beenden.

    • @Daniel Drogan:

      ' wieder weiter vorangekommen ' - müssen Sie da nicht selber lachen ? Wie lange dauert dieser Krieg schon ? Putins Schlächter vor dem Abgrund, morgen dann sind sie einen Schritt vorangekommen! - Jetzt müssen sie schon Sträflinge anwerben. Außer nächtlichen Luftangriffen auf Wohngebäude fällt ihnen doch nichts mehr ein.

  • "In ukrainischen Medien wird eine Erwartung bevorstehender militärischer Durchbrüche geschürt."

    Nein, das kann man so nicht sagen. Die ukrainischen Truppen sind zahlenmäßig noch zu unterlegen, um sich in irgendwelchen Offensiven zu verheizen.

    Stattdessen steht zur Zeit an, das russische Militär bis zur Kampfunfähigkeit zu reduzieren. Die Krim-Brücke zB wäre ein spektakuläres Ziel - aber zur Zeit ist sie die Route, auf der Massen an Nachschub, Munition und Waffen auf die Krim gelangen - wo sie dann, mangels intakter Dnipro-Brücken, in riesigen improvisierten Lagern herumgammeln. Perfekte Ziele also. Vor irgendwelchen größeren Offensiven würde ich eine psychologische Desertions/Kapitulationskampagne erwarten (bis hin zu einem Amnestieversprechen für russische Truppen, die sich ergeben, ohne Verbrechen begangen zu haben, die über die bloße Kriegsteilnahme hinausgehen).

    Irgendwelche Maßnahmen gegen die Korruption beim ukrainischen Militär hat Selenskij jedenfalls durchgeführt. Seit 2014 hat sich viel verändert. Wäre Ukraine ein Staat mit imperialistischen oder anderen expansiven Ambitionen, man müsste sie fürchten und bekämpfen. So aber ist es ein überfallener Underdog mit einem Militär, dessen Kompetenz nicht durch jüdische-Weltverschwörung-raunendes Verweisen auf USA, UK oder NATO erklärbar ist. Denn die haben sich in der Vergangenheit einfach viel zu dämlich angestellt.



    Die Fähigkeit des ukrainischen Oberkommandos zu Operationen "aus einem Guss", wo auch periphere Aspekte beachtet werden, ist phänomenal. Nicht nur explodieren alle paar Stunden russische Lager und Hauptquartiere wie von Geisterhand, sondern ukrainischerseits hält man sich zu den Gründen bedeckt, und "gratuliert", ohne mit der Wimper zu zucken, dem russischen Militär zu seinen "Abrüstungsmaßnahmen". Sowohl unter OPSEC- als auch unter propagandistischen Aspekten eine Leistung, zu der kein NATO-Staat (zumindest außerhalb Skandinaviens) in der Lage wäre.