RBB-Reporter über die Schlesinger-Affäre: „Der Hass ist mehr geworden“
Olaf Sundermeyer ist Reporter des RBB. Das Verhalten der Ex-Intendantin habe seine Arbeit nicht nur auf Demos erschwert und gefährlicher gemacht.
taz: Herr Sundermeyer, Sie stehen aufgrund Ihrer Berichterstattung als Reporter im Fokus von AfD, Querdenkern und Co. Wie wirkt sich die Affäre Schlesinger auf Ihre Arbeit aus?
Olaf Sundermeyer: Nicht nur ich, sondern viele Reporter des RBB werden seit Wochen in unserer Arbeit damit konfrontiert, auch in der Begegnung mit Menschen im öffentlichen Raum, die einen erkennen. Mir ist das allein heute Morgen in Bus und U-Bahn zwei Mal passiert. Man wird in Sippenhaft genommen für die offensichtliche Maßlosigkeit der Intendantin und der Geschäftsleitung. Das ist ein Spießrutenlauf. Schon gegenüber Bekannten ist man in einer unangenehmen Rechtfertigungsposition. Und dann gibt es jene, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu ihrem Feind erklärt haben. Die fühlen sich bestärkt, ihre Feindlichkeit nicht nur gegen die Sender, sondern auch gegen mich persönlich vorzutragen. Der Hass, der einem entgegenschlägt, ist mehr geworden.
49, ist Redakteur in der Redaktion RBB 24 Recherche, v. a. zu Themen innerer Sicherheit und Extremismus.
Erhöht sich die Gefahr gewalttätiger Übergriffe?
Das kann ich schwer sagen. Auf jeden Fall trägt Frau Schlesinger eine gewisse Mitverantwortung dafür, dass die Anfeindungen gegen mich deutlicher und zielgerichteter werden. Brandenburgs SPD-Fraktionschef hat gesagt, Schlesinger drückt den erklärten Totengräbern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks die Schippe in die Hand. Das sehe ich genauso. Diese Hater, egal ob im Netz oder auf Demonstrationen, fühlen sich nicht nur bestätigt, sondern haben sich aufmunitioniert und entladen das zielgerichtet denen gegenüber, die sie vor sich haben. Das sind die Reporter und nicht jene, die die Affäre zu verantworten haben – neben Frau Schlesinger auch Teile der Geschäftsleitung, die noch in Verantwortung sind.
Ist die Affäre auch bei anderen Recherchen außerhalb dieses Milieus ein Problem?
Überall wird man damit konfrontiert. Ein Kollege von RBB24 hat etwas über Vetternwirtschaft beim Flussbad in Berlin gemacht. Da kommt natürlich sofort die Retourkutsche, was denn beim RBB los sei. Die Affäre ist ein Hemmschuh für alltägliche Recherchen.
Ist der Führungsetage bewusst, dass die Reporter das alles ausbaden müssen?
Das zumindest sagen sie uns in verschiedenen Runden. Aber das Verhalten hat gezeigt, dass es ihnen wohl egal war. Einerseits sind Maßnahmen getroffen worden, um dem Thema Hate zu begegnen. Anderseits hat das Verhalten von Frau Schlesinger den erklärten Feinden des öffentlichen Rundfunks Auftrieb gegeben.
Welche ihrer Verfehlungen werfen Sie Schlesinger am meisten vor?
Dass sie null Unrechtsbewusstsein gezeigt hat. Die Schuld liege bei anderen, der Springerpresse, der sie eine Kampagne vorgeworfen hat. Das zeigt eine gewisse Selbstherrlichkeit. Dabei werden wir von den Beiträgen vieler getragen. Das bedeutet zwangsläufig eine hohe Verantwortung für jeden, der hier arbeitet, aber besonders für die Intendanz und Geschäftsleitung.
Wie gut können Sie noch argumentieren, dass es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk braucht?
Als Reporter ist das nicht meine Aufgabe. Ich muss als Journalist meine Arbeit weitermachen, die überhaupt gar nichts mit den abgehobenen Zuständen in der 13. Etage unseres Sendersitzes zu tun hat. Aber diese Arbeit ist jetzt schwieriger geworden. Viele von uns sind stark durch diese Affäre belastet. Das kommt noch obendrauf auf die massive Arbeitsverdichtung, in Richtung einer schlanken Redaktion, die wir hier erleben.
Was muss sich nun tun, damit verloren gegangenes Vertrauen zurückgewonnen werden kann?
Zunächst muss die Affäre um die gesamte Geschäftsleitung aufgearbeitet werden, um die Reputation des RBB wiederherzustellen. Damit meine ich auch die Rolle von Verwaltungs- und Rundfunkrat. Mit Patricia Schlesingers Rücktritt kann es nicht vorbei sein. Denn die Verantwortung für die bekannt gewordenen Zustände trägt nicht nur eine Person. Mein Eindruck ist, dass die Mehrheit meiner Kollegen das ähnlich sieht.
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