Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine: Krieg der Informationen

In Charkiw halten die Angriffe Russlands unvermindert an, auch die Lage im AKW Saporischschja im Südosten der Ukraine spitzt sich dramatisch zu.

Ein Soldat vor einem Rakentenwerfer

Gefechte an der Front in der Gegend von Charkiw Foto: Evgeniy Maloletka/ap

KIEW taz | „Völlig außer Kontrolle“ geraten sei Europas größtes Kernkraftwerk, das AKW Saporischschja in der Kleinstadt Energodar im Südosten der Ukraine, warnte Rafael Grossi, Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), am Dienstag, so berichtet AP. Die Ukraine und Russland müssten Experten so schnell wie möglich einen Besuch der Anlage ermöglichen, um die Situation zu stabilisieren und einen nuklearen Unfall zu vermeiden.

Die Lage im AKW Sapo­rischsch­ja, das Anfang März von russischen Truppen besetzt wurde, werde von Tag zu Tag gefährlicher, so Grossi. Sämtliche Prinzipien der nuklearen Sicherheit seien verletzt worden. Es sei hier eine paradoxe Situation eingetreten, werde das Kraftwerk doch von ukrainischem Personal bedient, aber von Russland kontrolliert.

Auf dem Territorium dieses AKW lagere sehr viel nukleares Material und dieses müsste dringend geschützt werden. Außerdem, so der Generaldirektor der IAEO, sei die Lieferkette für Ausrüstung und Ersatzteile unterbrochen worden. Das heißt, man könne nicht sicher sein, ob die Anlage wirklich auch alles ­erhält, was sie braucht. „Wenn man das alles zusammennimmt, hat man einen Katalog von Dingen, die in keiner Nuklearanlage passieren sollten“, so Grossi.

Unterdessen halten die Angriffe Russlands in der Ukraine unvermindert an. An der Front verstärkt Russland seine Attacken. Zwei Metropolen, Charkiw und Krywyj Rih, die Heimatstadt von Präsident Selenski, rechnen mit verstärkten russischen Angriffen.

In der Lage, die Stellungen zu halten

In einer Videobotschaft auf seinem Telegram-KanaI äußerte der Chef der Militärverwaltung des Bezirkes Charkiw, Oleh Sinegubow, die Befürchtung, die russischen Raketenangriffe auf die Stadt könnten in den nächsten Tagen zunehmen. Vor diesem Hintergrund bat er die Bevölkerung, die Sirenen ernst zu nehmen. Gleichzeitig sei man durchaus in der Lage, die Stellungen zu halten. Sollte der Feind es wagen, weiter in dem Gebiet Charkiw vorzudringen, werde er ein Fiasko erleben, so Sinegubow.

Rafael Grossi, Generaldirektor der IAEO

„Ein Katalog von Dingen, die in keiner Nuklearanlage passieren sollten“

Gegenüber dem Portal strana.news bestätigte Aleksandr Vilkul, Leiter der Militärverwaltung von Krywyj Rih, dass man eine Konzentration von russischer Militärtechnik und russischen Soldaten in der Umgebung von Krywyj Rih beobachten könne. Gleichzeitig sei auch der Beschuss der Stadt, die 50 Kilometer von der Front entfernt liegt, stärker geworden. Man sei dabei, so Vilkul, die Bevölkerung aus grenznahen Dörfern zu evakuieren.

In den meisten Ortschaften an der Front blieben nach Angaben von Vikul derzeit etwa 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung zurück. Auch innerhalb von Krywyj Rih habe man mit Evakuierungen begonnen – und zwar vom südlichen Stadtteil in den nördlichen.

In der Region Donezk konzentrieren die Russen ihre Bemühungen auf die Durchführung von Offensiven in Richtung Bachmut und Awdijiwka. In der Nähe von Peski soll der Feind einen „Teilerfolg“ erzielt haben, berichten ukrainische Medien. Gegen Abend waren russische Raketen in den Regio­nen Kirowograd, Winnyzja und Lwiw eingeschlagen.

Ukraine geht zum Gegenangriff über

Die „Volksrepublik Donezk“ DNR sowie kremlnahe Quellen haben Videoclips veröffentlicht, aus denen hervorgeht, dass die russischen Streitkräfte die ukrai­nischen Streitkräfte aus ihren Stellungen rund um den Belüftungsschacht des Kohlebergwerks Butowo südwestlich von Awdijiwka verdrängt haben, berichtet strana.news. Seit 2015 gelten die Stellungen rund um den Belüftungsschacht des Kohlebergwerks Butowo als wichtiger Verteidigungsvorposten von Awdijiwka.

Gleichzeitig berichtet strana.news auch von ukrainischen Angriffen­ auf Donezk. Schwarzer Rauch sei am Morgen des 3. August in dem Donezker Stadtteil ­Kuibyschew aufgestiegen.

Auch andernorts geht die Ukraine zum Gegenangriff über. So berichtet das ukrainische Portal korrespondent.net unter Berufung auf den Chef des Gebietes Cherson, Dmytro Butriy, dass man dort 53 Ortschaften zurückerobert habe. Da diese Ortschaften jedoch unter ständigem feindlichem Beschuss stünden, sei eine Rückkehr in diese Siedlungen vorerst unmöglich.

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