Die Welt damals und heute: Früher war auch schon schlecht

Asbest, Waldsterben, Ozonloch: Wenn alte weiße Männer in die 1980er Jahre zurückblicken, dann ist der Befund alles andere als rosig.

Ein Schild auf einer Autobahn in Essen warnt vor Smog.

Heute Feinstaub, früher Smog: Warnschild auf einer Autobahn im Jahr 1985 Foto: dpa/dpaweb | Ossinger

„Warum sie das hier jetzt wieder abgerissen haben, versteht kein Mensch!“, sagt ein alter Mann zum anderen. Beide stehen mit den Armen hinter dem Rücken an einer Baustelle in der Neustadt.

„Stimmt“, sagt der andere, „hatte wohl zu wenig Stockwerke, alles Raffgeier, die Vermieter, Kurt!“

„Vielleicht auch doch wegen Asbest, Bernd!“

„Nee, du, Asbest is’ doch schon lang kein Thema mehr.“

„Heißt nicht, das was weg is’, nur weil keine Sau mehr drüber palavert!“

„Stimmt, immerzu neue Probleme und Themen, da is’ kein Platz mehr für das Alte, egal, ob das noch is’ oder nich’!“

„Weißt du noch, der saure Regen?!“

„War der nicht radioaktiv?“

„Glaub’, der hatte eher was mit dem Ozonloch zu tun, oder?“

„Ach, sieh an, das Ozonloch, wie geht es dem denn? Ist das jetzt wieder zu?“

„Ich bin da gänzlich uninformiert!“

„Macht nix, Kurt, meine Enkelin sagt, wir alten Männer zeigen heutzutage Größe, indem wir zugeben, dass wir wissen, was wir nicht wissen!“

„Alte weiße Männer heißt das, Kurt!“

„Ach komm, Mehmet vom Skat weiß doch auch immer alles besser!“

„Aber sind Türken nicht auch weiße Männer?“

„Muss ich meine Enkelin fragen, bin da aufrichtig unwissend!“

„Früher dachte ich immer, ich weiß alles, und das ganz ohne Internet.“

„Weißt du noch, warum der Wald starb!?“

„Nee, das hab ich nie so ganz eruiert. Davon war aber ständig die Rede: Waldsterben, Waldsterben, immerzu ging’s darum bei den politisch Umtriebigen, aber auch in der Tagesschau!“

„Meinst du, der Wald stirbt noch immer?“

„Keine Ahnung, aber Karl, der Käfer, ist auf jeden Fall mausetot!“’

„Tja, Bernd, und jetzt stirbt eben gleich der ganze Planet!“

„Nee, nicht der Planet, Kurt, das, was drauf ist, sozusagen der Belag!“

„Die Erde ist doch kein Sandwich!“

„Ich mein’ die Ressourcen.“

„Tjaja, da haben die aufgeweckten Enkel leider recht, apokalyptisch, wenn man sich da mal tapfer einliest!“

„Da vermisst man fast das Harmlose, das Waldsterben.“

„Glaub’, da war ein Zusammenhang mit dem Smog!“

„Heißt der nicht heute Feinstaub?“

„Und Casanovas heißen jetzt Toxikologen oder so!“

„Volkszählung heißt jetzt Internet.“

„Big Data meinst du!“

„Im Deo ist jetzt statt kein FCKW kein Aluminium mehr!“

„Aluminium ist schädlich? Da wickle ich immer meine halben Fleischtomaten drin ein.“

„Weißte noch, früher bestand ein Salat aus Dosenmandarinen, -erbsen, Spiralnudeln, Fleischwurst und Mayo!“

„Ja, ja, und heute muss und kann man alles wissen über Ernährung und ist dann selber Schuld, wenn man keine 100 wird!“

„Ach, 100, wer will 100 werden?“

„Haste keine Angst vorm Sterben?“

„Wovor soll ich da jetzt groß Angst haben, alles geht vorbei!“

„Esteban vom Boule sagt was anderes, der sagt, danach wird was ganz Neues aus uns gestaltet!“

„Du meinst, wie die hier jetzt ein neues Haus auf einer alten Fläche bauen?“

„Nee, glaub’, das funktioniert dann eher so energetisch.“

„Was für eine Energieverschwendung.“

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Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr neuer Roman Roman „Auf Wiedersehen“ ist im April 2023 im Weissbooks Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.

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