Kriegsverbrechen in der Ukraine: Vereint gegen die Barbarei
Eine Konferenz in Den Haag bündelt Unterstützung für die ukrainische Justiz. Derweil gibt es viele Tote bei einem russischem Luftangriff.
Berlin taz | Die Staatsanwaltschaft der Ukraine wird künftig mehr Unterstützung durch internationale Justizbehörden erhalten, um die Kriegsverbrechen russischer Besatzungstruppen aufzuklären. Auf einer vom niederländischen Außenministerium organisierten Konferenz in Den Haag vereinbarten Vertreter des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC), des UN-Menschenrechtsrats, der EU-Kommission und zahlreicher Regierungen am Donnerstag die Einrichtung eines ständigen Dialogforums zum Austausch mit den ukrainischen Strafverfolgungsbehörden.
Die Dialogue Group on Accountability for Ukraine soll die bestehenden Bemühungen bündeln, Beweismittel sowie Aussagen von Zeugen und Überlebenden in der Ukraine nach gemeinsamen Standards zu sichern und den nationalen und internationalen Strafverfolgungsbehörden zugänglich zu machen.
Ende Mai hatten die Regierungen der Ukraine, der USA und Großbritanniens sowie die EU bereits eine gemeinsame Atrocity Crimes Advisory Group ins Leben gerufen, um die Arbeit von Ermittlern und Staatsanwälten und die Finanzierung von Ermittlungen zu koordinieren. Die neue Dialoggruppe soll nun unter anderem auch die Arbeit mit Überlebenden in diese Koordination einbeziehen.
Internationale Ermittlungen in der Ukraine gibt es seit Anfang April. Damals wurden mehr als 1.000 zivile Opfer der russischen Besatzung nach dem Rückzug von Moskaus Truppen aus Vororten von Kiew gefunden. Der ICC hatte bereits im März seine bestehenden Ukraine-Ermittlungen auf den aktuellen Krieg ausgeweitet.
Erneut schwere Luftangriffe
In einer Videoschalte forderte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski in Den Haag zusätzlich ein internationales Sondertribunal, um Russland wegen des Angriffskriegs anzuklagen. Auf seine Initiative hin erhoben sich die Konferenzteilnehmer zu einer Schweigeminute für die Opfer des russischen Angriffs. „Wir tun dies jeden Tag“, sagte er dann. „Jeden einzelnen Tag sterben unsere Menschen.“
Überschattet wurde die Konferenz von einem erneuten schweren russischen Luftangriff. Bei einem Raketenangriff auf die zentralukrainische Stadt Winnyzja, 750 Kilometer von der Kriegsfront entfernt, starben nach ukrainischen Angaben am Donnerstag mindestens 20 Menschen, zahlreiche weitere wurden verletzt.
Leser*innenkommentare
Konfusius
Unter den Opfern des Terror - Angriffs auf Winnyzya ist auch ein vierjähriges Kind. Tot. Die Mutter verlor ein Bein. Einige der Überlebenden haben so schwere Brandwunden, daß es keine Hoffnung für sie gibt. Quelle Guardian.
Daniel Drogan
Ich finde es schade das es solche "Bündelung" von Kräften nicht bei allen aktuellen Kriegen gibt. Ok ist ja auch klar, denn die Kriege, ähm Friedensmissionen der pro-westl. Staaten, sind ja völlig legitim. Da dürfen dann halt mal Menschen einfach weggebombt werden, weil die natürlich sicher Dreck am stecken hatten. Und wenn doch mal dazu was rauskommt, dann agieren wir wie im Falle von Snowden, Manning, Assange und vielen weiteren....wie lassen sie verhaften. Komisch, wenn das in uns nicht so beliebten Staaten passiert, dann wird da immer von Willkür, Diktatur und Menschenrechtsverletzungen gesprochen.
Können wir froh sein das der intern. Gerichtshof auf "prowestl. Boden" steht. Dann ist auch alles legitim.
PolitDiscussion
Es wäre eine große Chance, wenn nunmehr die Welt vereint wäre gegen Menschenrechtsverletzungen.
Allerdings lese ich z.B. in der FAZ, dass Saudi-Arabien triumphiert durch die Anerkennung, die es nunmehr auch wieder offiziell durch die westlichen Staaten und speziell die USA erhält:
Tötungen und Leichenzerlegungen in Botschaften, Massenhinrichtungen, routinemäße Folter, unberechtigte Inhaftierungen, Verfolgung von Frauen und LGBTQ-Menschen, weltweite Einschüchterung und Ausschnüffelung von Gegner:innen, brutaler Krieg im Jemen, einschließlich breiträumiger Verwendung von Cluster-Munition, - all das ist kein Hindernis für ein Bündnis.
Ich höre auch nichts vom Ende der Abschottungspolitik Europas, dem Ertrinken im Mittelmeer, der Jagd auf Geflüchtete in Zusammenarbeit mit Marokko, illegalen und tödlichen Rückschiebungen, der Verfolgung von Assange und anderen, die Kriegsverbrechen aufdeckten, echten Maßnahmen gegen die bereits begonnene Klimakatastrophe, einschließlich eines anteilmäßigen Beitrages nach Verursacherprinzip ... die Liste ließe sich - leider - unendlich fortsetzen.
Somit ist der Titel des Artikels ein wenig zu verändern:
Vereint mit und unter Barbaren gegen die Barbarei der Gegner.
Weiter sind wir bisher nicht gekommen und solange, wie wir unsere eigene Barbarei nicht aufgeben, werden wir die Barbarei auf der Welt nicht beenden können, so sehr wir uns auch vereinen mögen, um gegen die Barbarei unserer Gegner zu kämpfen.
Fail Again
Kriegsverbrechen sind allerdings kein russisches Alleinstellungsmerkmal : siehe nur so z.B. von vorgestern den BBC-Bericht "SAS Death Squads Exposed: A British War Crime?" (Youtube)