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Medien in der UkraineSendestopp für den Oligarchen

Der reichste Mann der Ukraine hat seine Medienlizenzen an den Staat zurückgegeben. Grund dafür könnten das neue Oligarchengesetz sein – oder Geld.

Achmetow im Juni 2014. Durch die Angriffe auf die Ostukraine verlor er Teile seines Vermögens Foto: Danil Shamkin/imago

Kiew taz | Rinat Achmetow ist mit 7 Milliarden Dollar der reichste Mann der Ukraine. Jetzt ist er aus dem Mediengeschäft ausgestiegen: Er gibt sämtliche Lizenzen zurück an den Staat. Die Aktiva, also das Vermögen, das seinem Unternehmen zur Verfügung steht, werden im Besitz von Achmetow bleiben. Seit Dienstag, 0.00 Uhr wird keines der Onlinemedien, die Achmetows Mediengruppe Ukraine (MGU) gehören, mehr aktualisiert. Seit Dienstag übernehmen die Sender der MGU Ukraina, Ukraina 24, NLO TV, Indigo TV und Futbol 1/2/3 vollständig das Programm „Telemarathon“: einheitliche, staatlich gelenkte politische Berichterstattung.

Man sei dazu gezwungen, heißt es in einer Erklärung von Achmetows Gesellschaft SCM, der Besitzerin der MGU. Das kürzlich von Präsident Selenski unterzeichnete sogenannte Oligarchengesetz habe „weitere Investi­tionen in die Medien in der Ukraine unmöglich gemacht“.

Laut dem Gesetz kann, wer drei von vier Kriterien erfüllt, in ein Oligarchenregister eingetragen werden, das noch geschaffen werden muss. Die vier Kriterien sind Beteiligung am politischen Leben, Besitz von oder wichtige Funktion in einem Massenmedium, Besitz eines Unternehmens mit Monopolstellung und ein Eigentum von mindestens 75 Millionen Euro.

Registrierte Oligarchen dürfen keine politischen Parteien, Demonstrationen oder Meetings finanzieren, nicht an der Privatisierung großer Wirtschaftsobjekte teilnehmen. Und sie müssen mit dem diskriminierenden Label eines registrierten Oligarchen leben – ein Imageschaden im In- wie im Ausland.

„Telemarathon“ auf allen Frequenzen

Möglich wäre aber auch, so Olga Zacharova, ehemalige Direktorin für strategisches Marketing der MGU, gegenüber der Nachrichtenseite Detektor Media, dass Achmetow ausgestiegen ist, weil er erkannt hat, dass man während des Krieges mit Medien kein Geld machen könne. Der Politologe Oleg Saakjan verweist etwa auf stark zurückgegangene Werbeeinnahmen. Er sieht jedoch auch das Problem eines zu großen staatlichen Einflusses. In einem Beitrag im Hromadske-Radio sagt er, er fühle sich an die frühen 2000er Jahre in Russland erinnert. In dieser Zeit begann Putin, die Presse in ihrer Freiheit einzuschränken.

Derzeit laufe auf allen Frequenzen nur die Nachrichtensendung „Telemarathon“. Und tatsächlich: Auf die Gestaltung des Telemarathon, der auch auf den Frequenzen von Achmetow läuft, können die Sender keinen Einfluss nehmen. Das bestimmende Thema ist der Krieg. Kritik an der Regierung ist zweitrangig.

Ähnlich äußert sich auch Swetlana Kryukova, Redakteurin des opposi­tio­nellen und landesweit blockierten Nachrichtenportales strana.news. Warum sollte man jedes Jahr 100 Millio­nen Dollar für Medien ausgeben, wenn man dann doch das staatlich vorgegebene Nachrichtenprogramm übernehmen müsse und gleichzeitig Gefahr laufe, in das Oligarchenregister aufgenommen zu werden, fragt sie sich.

Insgesamt bleibt abzuwarten, ob Achmetow wirklich den ukrainischen Medienmarkt verlassen hat und seine 4.000 Medienangestellte sich andere Jobs suchen müssen. Denn er hat nur dem Staat gegeben, was er von diesem bekommen hatte, nämlich Sende­frequenzen und Druckgenehmigungen. Gut möglich, dass er über im Ausland registrierte Medien zurückkommen wird.

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8 Kommentare

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  • Zitat aus dem Artikel: "Laut dem Gesetz kann, wer drei von vier Kriterien erfüllt, in ein Oligarchenregister eingetragen werden, das noch geschaffen werden muss. Die vier Kriterien sind Beteiligung am politischen Leben, Besitz von oder wichtige Funktion in einem Massenmedium, Besitz eines Unternehmens mit Monopolstellung und ein Eigentum von mindestens 75 Millionen Euro.



    Registrierte Oligarchen dürfen keine politischen Parteien, Demonstrationen oder Meetings finanzieren, nicht an der Privatisierung großer Wirtschaftsobjekte teilnehmen."



    Ein solches Gesetz wäre in der BRD (von wegen Pressefreiheit, Gleichberechtigung, echter Demokratie, Chancengleichheit, etc.) natürlich ebenfalls dringend geboten, aber da es nach übereinstimmender Auffassung hiesiger Oligarchen sowie aller Parteien außer der Linken hierzulande keine Oligarchen und weder Bestechung noch mordende Polizisten, Machtmissbrauch oder Rassismus gibt, sondern vielmehr ein dem deutschen Volke von aufopferungsvollen Milliardär:innen geschenktes Leben im Paradies, verfährt man in der BRD bekanntlich genau andersrum; weshalb sämtliche halbwegs relevanten Medien, die nicht zum Staatsfunk gehören, fest in Milliardär:innenhänden sind und mit Sicherheit auch bleiben werden ...

  • 8G
    82286 (Profil gelöscht)

    Wäre doch auch für uns grundsätzlich überlegenswert, wenn diese Lizenzen nicht an die Inhaber der Medienkonzerne vergeben werden, sondern an die Redaktionen.



    Hat aber den großen Nachteil, dass man nicht nur ein Interview mit z.B. der Funke Mediengruppe führen muss. Also wird das wohl nichts ;-)

  • 8G
    82286 (Profil gelöscht)

    Grundsätzlich ist es nicht schlecht, wenn Oligarchen die Sende-/Drucklizenzen abgeben, bzw. abgeben MÜSSEN.



    Nur darf dann nicht der Staat oder eine kleine Clique übernehmen.



    Die Lizenzen müssen an viele kleine, dann unabhängige Redaktionen verteilt werden.



    Übrigens hätte die Überschrift zu diesem Artikel ruhig "Weitere Einschränkung der Pressefreiheit in der Ukraine" lauten können.

    • @82286 (Profil gelöscht):

      "Übrigens hätte die Überschrift zu diesem Artikel ruhig "Weitere Einschränkung der Pressefreiheit in der Ukraine" lauten können." (Zitat @einBadener - 14.07.2022, 07:11)



      Dass Oligarchen wie Achmetow, Bertelsmann/Mohn, Burda, Murdoch, oder Springer/Döpfner nennenswert zur Pressefreiheit beitragen, halte ich für ein Propagandamärchen.



      Wäre es wahr, würde sich das hierzulande von den Milliardärsmedien veröffentlichte Meinungsspektrum nicht zu 100% mit dem des Staatsfunks decken.

  • "Die vier Kriterien sind Beteiligung am politischen Leben, Besitz von oder wichtige Funktion in einem Massenmedium, Besitz eines Unternehmens mit Monopolstellung und ein Eigentum von mindestens 75 Millionen Euro."

    Das politische Amt besetzt die Frau, der TV-Sender gehört dem Sohn - Problem gelöst ;)

    • @darthkai:

      Oder einfach einen Strohmann einsetzen...

  • "Man sei dazu gezwungen, heißt es in einer Erklärung von Achmetows Gesellschaft SCM, der Besitzerin der MGU. Das kürzlich von Präsident Selenski unterzeichnete sogenannte Oligarchengesetz habe „weitere Investi­tionen in die Medien in der Ukraine unmöglich gemacht“."

    Gibt Ihor Kolomojskyj jetzt auch seine Medientätigkeit auf? Oder hat er einen Schutzengel?

  • Registrierte Oligarchen dürfen keine politischen Parteien, Demonstrationen oder Meetings finanzieren, nicht an der Privatisierung großer Wirtschaftsobjekte teilnehmen."

    Das sollte dann auch für Ihor Kolomoiskyj, einen der reichsten ukrainischen Oligarchen, Medienmogul und Selenky Freund gelten.

    Ihor Kolomoiskyj finanzierte den Aufbau der Kampfverbände Regiment Asow, Regiment Dnipro, Bataillon Ajdar sowie Bataillon Donbass, deren Gründung er 2014 bekannt gab.



    de.m.wikipedia.org...i/Ihor_Kolomojskyj

    Selenskyj hat Anteile an der ukrainischen Mediengruppe Studio Kwartal 95



    die eng mit dem ukrainischen Sender 1+1



    zusammenarbeitet.



    1+1 ist ein ukrainischer Fernsehsender, der seit 2010 mehrheitlich im Besitz des



    Oligarchen Ihor Kolomojskyj ist.Er zählt zu den Sendern mit dem höchsten Marktanteil in der Ukraine und kann von 95 Prozent der ukrainischen Bevölkerung empfangen werden.



    de.m.wikipedia.org/wiki/1%2B1



    Auch hier taucht wieder Ihor Kolomoiskyj ,



    bei einem Korruptionsskanda aufl, die Pandora-Papers von 2021 enthalten auch Daten zu Offshore-Geschäften des "Kwartal-95-Netzwerkes" um den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und dessen Verbindungen zu dem Oligarchen Ihor Kolomoiskyj



    de.m.wikipedia.org.../Studio_Kwartal_95