Diskussion um NS-Straßennamen: NS-Held nicht mehr traditionswürdig

Die Bundeswehr rückt von Friedrich Bonte ab, der in Wilhelmshaven mit zwei Straßen geehrt wird. His­to­ri­ker­ wollen alle Straßennamen erforschen.

Fregatte am Bontekai in Wuilhelmshaven

Am Bontekai in Wilhelmshaven ist die Bundeswehr noch immer präsent Foto: Carmen Jaspersen/dpa

Bremen taz | Kommodore Friedrich Bonte ist für die Bundeswehr „nicht mehr traditionswürdig“. Mit dieser Klarstellung des Bundesverteidigungsministeriums rückt eine Umbenennung der Bontestraßen in Wilhelmshaven und Varel näher. Die öffentliche Diskussion darüber sei mittlerweile „in vollem Gange“, wie Stephan Huck, Direktor des Deutschen Marinemuseums in Wilhelmshaven, der taz sagt.

Bonte (1896–1940) war der Anführer der Zerstörerflotte, die in der „Operation Weserübung“ am 9. April 1940 in Narvik das neutrale Norwegen überfiel. Zugleich wurde das ebenfalls neu­trale Dänemark angegriffen. Bonte kam dabei tags darauf zu Tode und verlor zehn Schiffe.

Er diente schon im Ersten Weltkrieg in der Marine und gehörte danach zeitweilig der Marine­brigade „Ehrhardt“ an, einem rechtsradikalen Freikorps, das durch die brutale Niederschlagung der Münchner Räterepublik 1919 bekannt wurde, aber auch durch seine Beteiligung am Kapp-Putsch 1920.

In Wilhelmshaven gibt es bis heute am Marinestützpunkt eine Bontestraße, darüber hinaus aber auch einen Bontekai, eine mittlerweile sehr schicke Wohnadresse, die sogar als Tourismusdestination beworben wird. Auch das niedersächsische Varel ehrt den NS-Kriegsverbrecher seit 1941, die Kommodore-Bonte-Straße dort ist aber immerhin eine Sackgasse.

Bundeswehr überlegt noch

Eine Überprüfung der Marine habe „schon vor geraumer Zeit ergeben“, dass Bonte nicht mehr den „für die Bundeswehr gültigen Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege“ entspreche, heißt es in einem Schreiben aus dem Ministerium in Berlin.

Derzeit würden für alle Liegenschaften der Marine „Konzepte zur Benennung der jeweiligen Infrastruktur“ entwickelt – das betrifft auch den Stützpunkt in Wilhelmshaven. Erst wenn das vorliegt, soll entschieden werden, „ob eine Umbenennung zu erfolgen hat oder bestehende Benennungen lediglich zu kontextualisieren sind“, wie das Ministerium dem Regionalhistoriker Hartmut Peters schreibt, der sich für eine Umbenennung stark macht. Peters geht davon aus, dass eine Entscheidung der Bundeswehr über die Bontestraße auch Folgen für den örtlichen Bontekai und die Kommodore-Bonte-Straße in Varel haben wird.

Aus dem Niedersächsischen Institut für historische Küstenforschung (NIhK) kommt nun eine jüngst im Rat der Stadt Wilhelmshaven vorgestellte Initiative, die alle rund 300 Straßen, Plätze und Denkmäler dieser Stadt mit historischem Bezug wissenschaftlich aufarbeiten und die Ergebnisse auf einer Online-Plattform zugänglich machen will.

Damit wolle man politische Debatten wie die um die Bontestraßen auf eine wissenschaftlich fundierte Grundlage stellen, sagt Moritz Mennenga von NIhK. Die Website soll so konzipiert werden, dass sie bei Interesse auch für andere Kommunen einfach und relativ kostengünstig für die Aufarbeitung ihrer historischen Straßennamen nutzbar wäre. Das Problem: Bisher ist das alles nur eine Idee. Es fehlt noch am Geld.

„Und immer und immer wird ein Name wie eine Fackel leuchtend brennen, als Vorbild und als Richtpunkt, der Name des Kommodore, der Name Bonte“, schrieb das Oberkommando der Wehrmacht nach dessen Tod. „Die Benennung des Bontekais war ein Mittel der nationalsozialistischen Propaganda, um die Verluste vor Narvik sinnstiftend zu deuten“, sagt Huck.

Bontes Leben weise alle Elemente der in der NS-Zeit gültigen Vorstellungen von Heldentum auf – es stehe aber außer Frage, dass das heute „nicht mehr zur Begründung einer Benennung nach Bonte taugen würde“. Denn als verantwortlicher Offizier habe er seinen Anteil an dem „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg“ gehabt. Die Debatte um eine Umbenennung müsse breit geführt und demokratisch entschieden werden, sagt Huck.

Auch aus Norwegen kam schon Kritik an der Ehrung Bontes: „Als Norwegerin und als Historikerin finde ich es schon verwunderlich, dass 2022 der Name Bonte immer noch als besonders ehrenhaft angesehen wird, sodass man weiterhin Straßen nach ihm benennt“, sagte Anette Homlong Storeide im taz-Interview: „Bonte war kein normaler Soldat, das zeigt schon seine Beteiligung an einem rechtsradikalen Freikorps.“

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