Ärztemangel in Berlin: Hausärztlicher Notfallplan
Vor allem in den Ostbezirken fehlen Hausärzte. Die Kassenärztliche Vereinigung hat dort nun die erste Arztpraxis in eigener Trägerschaft eröffnet.
„Ziel dieser Praxen ist es, die hausärztliche Versorgung zu ergänzen und an den Standorten, wo sich erkennbar keine niederlassungswilligen Hausärztinnen und Hausärzte finden, Praxen aufzubauen. Die Hoffnung ist groß, dass wir mit unserem Engagement die hausärztliche Versorgung in den Bezirken wieder auf ein Normalmaß anheben“, sagt Burkhard Ruppert, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung, der taz. Gemeinsam mit den Krankenkassen hat seine Vereinigung seit diesem Jahr ein Förderprogramm von 21 Millionen Euro zur Verbesserung der hausärztlichen Versorgung in den drei Ostbezirken aufgelegt. Daraus werden beispielsweise Zuschüsse für Hausärzte gezahlt.
Damit reagiert die Kassenärztliche Vereinigung – spät, aber immerhin – auf die ungleiche Ärzteverteilung in Berlin. Während die gutbürgerlichen Bezirke im Südwesten der Hauptstadt mit Ärzten überversorgt sind, fehlen Mediziner in Lichtenberg, Treptow-Köpenick und Marzahn-Hellersdorf.
Der Grund: Ärzte lassen sich lieber dort nieder, wo es viele Privatpatienten gibt. Besonders eklatant ist das Missverhältnis bei Hausärzten. Während Charlottenburg-Wilmersdorf zu 132 Prozent mit Hausärzten versorgt ist, ist es Lichtenberg nur zu 82, Treptow-Köpenick zu 84 und Marzahn-Hellersdorf zu 89 Prozent. Seit die Politik das Thema vor rund zehn Jahren anmahnte, kamen zwar mehr Fachärzte in die unterversorgten Bezirke, zu denen damals auch Neukölln zählte. Bei den Hausärzten hat sich das Missverhältnis in den drei Ostbezirken hingegen weiter verstärkt. Neukölln ist aber heute gut mit Hausärzten versorgt.
Mehr angestellte Ärzte
Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung ist in Berlin die Zahl von Hausärztinnen und Hausärzten rückläufig, die sich in eigener Praxis niederlassen. „Demgegenüber entscheiden sich immer mehr Ärztinnen und Ärzte für eine Anstellung“, sagt Ruppert der taz. Waren vor zehn Jahren 11 Prozent aller Hausärzte angestellt, sind es heute 24 Prozent. Eine Anstellung ist beispielsweise in Gemeinschaftspraxen oder in Institutsambulanzen an Krankenhäusern möglich.
In den drei mit Hausärzten stark unterversorgten Bezirken sei es zusätzlich schwierig, geeignete Räume für Praxen zu finden, so Ruppert. „Ein weiterer Grund ist die Randlage der Bezirke.“ Da Berlin als Ganzes mit Hausärzten sogar leicht überversorgt ist, kann das Problem der fehlenden Ärzte lediglich durch Umverteilung innerhalb der Stadt gelöst werden.
Das kann nur langfristig gelingen, denn niemand kann einen Arzt zwingen, in einen anderen Bezirk umzuziehen. Eingriffsmöglichkeiten hat die Politik nur in dem Moment, wenn jemand seine Praxis aufgibt, oder durch finanzielle Anreize.
Das Problem verschärft sich gerade, weil die Bezirke Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick, die mit Ärzten unterversorgt sind, durch Neubau viele neue Einwohner gewinnen. Neuberliner, besonders neu einreisende Flüchtlinge in den Ostbezirken, bleiben darum oft ohne Hausarzt.
Auch Treptow-Köpenick ist interessiert
„Wir würden Aktivitäten der Kassenärztlichen Vereinigung zur Gründung von Arztpraxen“ auch in unserem Bezirk sehr begrüßen, sagt Alexander Freier-Winterwerb (SPD), Gesundheitsstadtrat von Treptow-Köpenick, der taz. „Bislang sind diese jedoch soweit bekannt weder erfolgt noch geplant. Wir wollen aber gern mit der Kassenärztliche Vereinigung das Gespräch suchen.“ Geeignete Räume seien dem Bezirk angeboten worden, so der Stadtrat. In Treptow-Köpenick ist laut bezirklicher Statistik die Versorgung mit vielen Fachärzten zwar ausreichend, die Hausarztversorgung aber problematisch.
Im Bezirksamt Lichtenberg war anders als in Treptow-Köpenick und bei der Kassenärztlichen Vereinigung niemand in der Lage, sich zum Ärztemangel im Bezirk und der gerade eröffneten Arztpraxis zu äußern oder aktuelle Statistiken zu liefern. „Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass wir terminlich in den kommenden zwei Wochen kein Zeitfenster für ein Interview zur Verfügung stellen können“, teilte der persönliche Referent von Gesundheitsstadträtin Camilla Schuler (Linke) der taz mit. „Ohne Anspruch auf Verbindlichkeit“ könne die taz danach ja noch einmal anfragen, schlug er vor.
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