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Erdbeben in AfghanistanDen Opfern beistehen

Thomas Ruttig
Kommentar von Thomas Ruttig

Die Menschen in der Erdbebenregion brauchen jetzt schnelle Hilfe. Aufmerksamkeit gilt den Taliban und ihrem Verhalten nach der Katastrophe.

Afghanen suchen nach dem Beben nach Überlebenden Foto: Ali Khara/reuters

D as Erdbeben in den Paschtunengebieten im Südosten Afghanistans sei „eine Strafe Allahs“ für die Diktatur der Taliban, schreibt ein international preisgekrönter afghanischer Künstler, nun im Exil, in den sozialen Medien. Ein Funktionär der Vorgängerregierung meint, die Rettungsmaßnahmen der Taliban könnten schon deshalb nicht erfolgreich sein, weil deren Regime illegitim sei.

Natürlich ist die Taliban-Politik der Angst eine Hauptursache dafür, dass die staatlichen Institution des Landes – auch die des Katastrophenschutzes – durch die Flucht vieler Fachkräfte geschwächt wurden. Aber sie arbeiten, das bestätigen Afghanen vor Ort – mit Mühen zwar, aber das liegt vor allem an der Isolation der betroffenen Region.

Dass es in Paktika, einer der ärmsten Provinzen in diesem durch 40 Jahre Krieg gebeutelten Land, kaum eine In­fra­struk­tur gibt, ist auch Resultat des Gesamtversagens der USA und ihrer Verbündeten. Gerade dort priorisierten sie die Jagd auf die Taliban, anstatt sich auf einen stabilisierendem Wiederaufbau zu konzentrieren. Eine Entwicklung hat dort kaum stattgefunden.

Es muss jetzt genau darauf geachtet werden, wie die Taliban in dieser Katas­trophensituation reagieren: beispielsweise, ob sie internationale oder im Land gesammelte Hilfe veruntreuen; ob sie verletzte Frauen nicht behandeln lassen, wenn keine Ärztin zur Verfügung steht (in Paktika gibt es keine einzige Ärztin); ob sie sich in interne Angelegenheiten der Hilfswerke, etwa die Rekrutierung – auch von Frauen – einmischen.

Vielleicht erweist es sich, wie schon bei der Bekämpfung von Covid-19, dass man mit den Taliban in praktischen Dingen durchaus kooperieren kann. Das könnte auch Möglichkeiten bieten, langfristig an der Überwindung der generellen Armutskrise im Land zu arbeiten.

Doch die Hilfe für die Erdbeben­opfer politisch zu instrumentalisieren, zumal mit ethnorassistischen Tönen („Paschtunen = Taliban“) ist unangebracht und schäbig. Die Regierungen der Geberländer sollten trotz ihrer begründeten Ablehnung des Taliban-Regimes jetzt alle Hilfe mobilisieren, die benötigt wird.

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Thomas Ruttig
Autor:in
Mitbegründer des unabhängigen Think Tanks Afghanistan Analysts Network Kabul/Berlin (https://www.afghanistan-analysts.org/en/). Abschluss als Diplom-Afghanist, Humboldt-Univ. Berlin 1985. Erster Afghanistan-Aufenthalt 1983/84, lebte und arbeitete seither insgesamt mehr als 13 Jahre dort, u.a. als Mitarbeiter der DDR-, der deutschen Botschaft, der UNO und als stellv. EU-Sondergesandter. Seit 2006 freischaffend. Bloggt auf: https://thruttig.wordpress.com zu Afghanistan und Asylfragen. Dort auch oft längere Fassungen der taz-Beiträge.
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