Andreas Speit Der rechte Rand: Wie Nazi-Kapitel vom Verfassungsschutz gekürzt wurden
Der neueste Bericht des Hamburger Verfassungsschutzes (VS) widmet dem Rechtsextremismus ganze 14 Seiten. Das Kapitel ist damit sehr knapp gehalten – beim vorigen Bericht erstreckte es sich immerhin noch über 51 Seiten. Dabei betonte Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) bei der Vorstellung des Landesverfassungsschutzberichtes 2021 am Montag, dass „Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus nach wie vor die größten Bedrohungen für unsere Demokratie“ darstellten. Die Zahl der Straftaten in dem Bereich liege weiter „auf einem hohen Niveau“. Im Bericht selbst erscheint diese große Bedrohung nun ganz klein.
Die Verknappung fällt gleich bei der grafischen Darstellung des sogenannten Personenpotenzials auf, also der Anzahl der gewaltorientierten Rechtsextremisten: 380 Personen gibt der VS an, 120 Personen von ihnen seien gewaltbereit.
Die frühere Unterteilung der Personen in parteigebundene oder parteiunabhängige Strukturen unterbleibt. Erst im Fließtext werden einzelne Zahlen genannt. Auf die rechtsterroristische „Gruppe S“ geht der VS zwar ein, nicht jedoch auf die Verstrickung von drei Rechtsextremen aus Hamburg und Umland mit ihr.
In der Vorbemerkung des Kapitels warnt der VS vor der „sich als Gegenelite verstehende Neuen Rechten“, die versuche, „mit ihren Konzepten und Strategien in die Mitte der Gesellschaft zu wirken“. Rechtsextremistische Positionen würden dadurch „anschlussfähiger“. Doch allein die Identitäre Bewegung, die sich dem metapolitischen Kampf verschrieben hat, wird vorgestellt. Im Bericht geht es nicht um die Vernetzungen der AfD zur Neuen Rechten.
Achtmal erwähnt der VS die Partei. Siebenmal im Kapitel über Links-, nur einmal im Kapitel über Rechtsextremismus: in einem Zitat der NPD, in dem sich beklagt wird, dass die AfD die NPD „überflüssig“ mache.
Ein Spektrum, in dem sich seit Jahrzehnten Rechtsextreme, Neue Rechte oder Rechtskonservative zum Dialog und Kontaktaufbau treffen, wird gar nicht erst angeführt. Keine Erwähnung finden ebenso rechtsextreme Frauen oder rechtsextrem-esoterische Strukturen.
Unter dem Begriff „Demokratiefeindliche und/oder sicherheitsgefährdende Delegitimierung des Staates“ geht der VS jedoch auf Querdenkende ein. Eine „zweistellige Zahl“ soll diese Personengruppe umfassen. Die Unschärfe der neuen Kategorie könnte jedoch das Erfassen erschweren: Eine Nichterwähnung einer Person bedeutet nicht, das der Geheimdienst nichts weiß – denn er selbst entscheidet, welches sogenannte Geheimnis er preisgibt.
„Es zeigt sich erneut, dass der Verfassungsschutz untauglich ist, wenn es um die Bekämpfung der extremen Rechten geht“, sagt Felix Krebs vom Hamburger Bündnis gegen Rechts. „Er arbeitet intransparent und unwissenschaftlich, schützt seine V-Leute vor Strafverfolgung.“
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