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Schwarz-grüne KoalitionenGrüne, blühende Industrielandschaft

Esther Geisslinger
Kommentar von Esther Geisslinger

Die Regierungen in Kiel und Düsseldorf übertreffen sich gegenseitig mit Klimazielen. Dabei bleiben die Koalitionsverträge jedoch überwiegend vage.

Vorstellung des Koalitionsvertrages von Schwarz-Grün in NRW am 23. Juni 2022 Foto: David Young/dpa

H aben Sie’s gemerkt? Nordrhein-Westfalen (knapp 18 Millionen Menschen, Bruttoinlandsprodukt rund 711 Mil­liar­den Euro) und Schleswig-Holstein (Bevölkerung 2,9 Millionen, Bruttoinlandsprodukt knapp 98 Milliarden Euro) liefern sich ein Wettrennen: Beide wollen die „erste klimaneutrale Industrieregion Europas“ beziehungsweise das „erste klimaneutrale Industrieland Deutschlands“ werden, so steht es in den Koalitionsverträgen, die CDU und Grüne in beiden Ländern parallel beschlossen haben.

Es ist allerdings ein Wettrennen mit eingebauter Entschleunigung, denn in Schleswig-Holstein soll es, falls nicht irgendwas wie Krieg, Corona oder Geldmangel dazwischenkommt, im Jahr 2040 so weit sein, in NRW bleibt die Zeitschiene mit der Formel „so schnell wie möglich“ maximal unverbindlich. Aber immerhin steht fest, wer gewinnen wird: die CDU.

Mit Schwarz-Grün haben sich in beiden Ländern die Wahlsiegerinnen zusammengetan, die zulegten, während SPD, FDP, Linke und AfD an Wählerstimmen zusetzten. Alle vier Verhandlungsgruppen traten sich also durchaus breitschultrig gegenüber, und alle betonen nun, dass die Verträge ihre Handschrift tragen. Bei der CDU meint das Wirtschaft, Sicherheit, Verkehr, bei den Grünen Klimaschutz, Klimaschutz und Klimaschutz. Mit dem Ergebnis, dass das Soziale in beiden Programmen vergleichsweise kurz kommt.

Das Versprechen der grünen, blühenden Industrielandschaften ist leider – vor allem im Vertrag aus Schleswig-Holstein – in weiten Teilen in Konjunktiven und in Sätzen formuliert à la „wir streben an“ oder „falls der Bund die rechtlichen Rahmenbedingungen schafft“. Das NRW-Papier ist konkreter, allerdings startet das Kohleland auf deutlich größerem CO2-Fuß als der Wind-Kraftmeier im Norden.

So oder so: Wenn es am Ende doch nicht so richtig super klappt mit der Klimaneutralität, dann dürften in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem die Grünen schuld daran sein. In der Zwischenzeit konnte die CDU ihre Punkte durchbringen, mehr Polizei zum Beispiel. Seit der ersten schwarz-grünen Koalition 2010 in Hamburg hat das Bündnis seinen Exotenstatus verloren.

Je länger und reibungsloser die Regierungen in Düsseldorf und Kiel zusammenarbeiten, desto denkbarer wird die Option auch für den Bund, wo die eigentlich fabrikneue Ampel dermaßen wankt und knirscht, dass schon das Zuschauen wehtut. Für die Grünen mag Schwarz-Grün da wie eine gute Alternative aussehen. Und die CDU, bei der inzwischen jede Person als kanzlertauglich gilt, die eine Wahl jenseits der Kreisliga gewinnt, freut sich über die Hoffnungsträger Hendrik Wüst und Daniel Günther.

Wer weiß, vielleicht findet dort das wahre Wettrennen statt.

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Esther Geisslinger
Schleswig-Holstein
Jahrgang 1968. Ist in der taz als Landeskorrespondentin für Schleswig-Holstein zuständig von Flensburg bis Elmshorn, von Fischerei bis Windkraft, von lokalen Streitigkeiten bis Landtagsdebatten. Schwerpunkte: Soziales, Gesundheitspolitik
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3 Kommentare

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  • Wenn ich meinen grünen Wählern Dinge verspreche, die nach der Wahl sofort vergessen wie:

    Hambach Dörfer erhalten,



    Solardachpflicht,



    Verkehrswende voranbringen,



    Reul'schen Polizeiwahn eindämmen,



    Abstandspflicht für Windräder usw.

    und weiter noch langjährige Grüne bei der Postenvergabe vor der Tür lasse, mich dafür dem tiefschwarzen Konfirmanten-MP an die Brust schmeiße, dann wird es was mit der grünen Selbstverleugung in der Regierung.

    Wenn die Gier nach Posten und Dienstwagen die Inhalte verdrängt, dann sollte man lieber vor der Tür bleiben.

    Die NRW-Grünen sind leider damit unwählbar geworden.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    „Beide wollen die ‚erste klimaneutrale Industrieregion Europas‘ beziehungsweise das ‚erste klimaneutrale Industrieland Deutschlands‘ werden“



    ErsteR sein. Deutsches Maulheldentum.



    Beim Windkraftausbau wird das natürlich klappen, wenn Politik die Bürger:innen „mitnimmt“. Die Menschen sind käuflich. Robert Habeck und B90/Die Grünen haben da schon Erfahrung.

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Neuerdings hält Habeck doch von finanziellen Anreizen nichts mehr ("50 Euro Belohnung ? Die kriegst du nicht, Alter !"). Der wühlt lieber in alten Mottenkisten und kommt mit Parolen wie Patriotismus, Landesliebe und Solidarität um die Ecke.