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Die WahrheitDie hellgelbe Gefahr

Bier für Leute, die kein Bier mögen: Dieser Sommer steht ganz im Zeichen des Hellen. Einem Getränk fast ohne Geschmack.

Naturtrüb wie die ganze Mode: Helles in München Foto: ap

In den Gaststätten rumort es allerorten, beschwipste Gäste kommen aus den Biergärten getorkelt und lallen die Botschaft weiter: Der deutsche Biermarkt ist in gewaltige Bewegung geraten. Immer mehr Kneipen schenken plötzlich Helles aus, in den Getränkemärkten des Westens und selbst des Nordens hat sich der Absatz des bayerischen Schwachgehopften praktisch verdoppelt. Selbst in gewöhnlichen Discountern ist der fremdartige Trunk aus dem befremdlichen Bundesland auf einmal kästenweise erhältlich. Denn Konsumentin wie Konsument lassen seit kurzer Zeit ihr herbes Pilsbier, den bitteren Aperol Spritz und die saure Weinschorle stehen.

Stattdessen kippen sie sich Glas um Glas der milden süddeutschen Biervariation hinter die Binde, von der manche Zeitgenossen meinen, es handele sich gar nicht um eine Biersorte, sondern um eine Art Leitungswasser mit bierhaftem Nachgeschmack oder gar ein von Limo- oder Saftschorletrinkern in die Welt gesetztes Bierimitat.

Inzwischen wurden bereits außerhalb des Freistaats Wirtshäuser auffällig, die ihre Pilsfässer ausgemustert haben und am Tresen nur noch Helles ausschenken. „Pilsbier gilt als altmodisch, als überholt, verstaubt und auf eine ungute Weise maskulin“, sagt zum Beispiel die Bierexpertin und Genderforscherin Dr. Holunder Fresenbaum, die mittags auf der Außenterrasse eines solchen Lokals eine Halbe in sich hineinrinnen lässt. „Gilt als Geschmack einer toxischen Männlichkeit eben, so bitter wie das dazugehörige Patriarchat“, präzisiert ihr Saufkumpan Dr. Holger Klotzek und bestellt als Gegenmittel zur Sicherheit zwei weitere Helle, bevor seine Partnerin fortfährt: „Das unauffällige Lagerbier kann, wie in Bayern üblich, bereits tagsüber, besonders während der Mittagszeit und eigentlich rund um die Uhr verzehrt werden, weil es nicht so doll herb ist, sondern im Gegenteil: lecker, Prost!“

Run auf die Spezialität

Doch wieso konnte im Laufe der letzten zwei Jahre in einem Land, das seit jeher auf Pils gebaut ist, ein solcher Run auf die gelbliche bajuwarische „Bierspezialität“ mit dem wenig markanten Geschmack entstehen?

„Angekündigt hatte es sich schon vor mehreren Jahren“, sagt Dr. Klotzek und nimmt einen wässrigen Schluck aus dem schlichten Halbliterglas. „Nämlich als neureiche Snobs, renommiersüchtige Querulanten und vermeintliche Individualisten auf einmal überall ihr Tegernseer Hofbräu verlangten“, das Helle in der altmodischen Knubbelflasche mit dem blau-weiß-karierten Etikett und dem herzoglichen Namen – und es von gewissenlosen Kioskinhabern und in manchen Lokalitäten gegen übertrieben viel Geld auch ausgehändigt bekamen.

Ideal vor allem: Das Tegernseer und später das Augustiner verkauften sich wie bekloppt und hatten eine sagenhafte Handelsspanne, wie Gastronomen und Kioskbetreiber übereinstimmend merkten. Weitere traditionelle Brauereien aus dem Süddeutschen drängten auf den bundesweiten Markt und hatten Erfolg, auch weil die Namen der Biere so exotisch klangen wie ein Urlaub in den Voralpen: Benediktiner, Oberdorfer, Chiemseer, Spatenbräu und Allgäuer Büble.

Reza Hosseini, Besitzer eines Kiosks im westfälischen Rheine, schwärmt immer noch von „dem gewöhnlichen Flaschenbier, das sich zum Exotenpreis verkaufen lässt – ein Bier, das nicht nach Bier schmeckt. Ein Bier für alle, die Bier nicht mögen! Ein Bier, das man auch Weintrinkern verkaufen kann! Oder Weintrinkerinnen!“

Alter Trend, neue Seuche

Dass das neue alte Trendbier sich wie eine ansteckende Seuche verbreitet, ärgert natürlich insbesondere männliche Pils­trinker und -brauer der aussterbenden alten Schule, die der Ansicht sind, dass Getränke unbedingt unangenehm, am besten sogar abstoßend zu schmecken hätten – anderenfalls es sich um Kinder- oder Frauenkram handele.

Solchen Schubladen verweigert sich aber das Helle, deutet Dr. Fresenbaum an: „Das betrifft auch seine problematische Herkunft. Viele Deutsche finden bestimmte Aspekte der bayerischen Lebensart und ‚Kultur‘ sympathisch, hassen aber die bayerische Großmannssucht, die CSU und den FC Bayern.“ Mit der Entscheidung für ein Helles beweise sich die Kundschaft, selbst wenn sie aus Nordrhein-Westfalen stamme, für ein paar Gläser oder Flaschen ihre eigene bayerische Liberalität, ohne damit Stellung für den schrecklich grunzenden und bellenden Dialekt, für faschistoide Poli­tik­an­sätze oder den verabscheuten ewigen deutschen Meister zu beziehen.

Außerdem, sagen Marketingfachleute, befinde sich das gute deutsche Bier ohnehin in einem historischen Abwärtstrend, der nur von Zeit zu Zeit durch jeweils „etwas ganz Neues“ aufgebrochen werden könne. Vor Kurzem war es noch Craftbeer, doch das ist den meisten inzwischen deutlich zu speziell geworden; kein Biertrinker möchte sich mit Bier derart ausgiebig beschäftigen.

„Da könnte ich ja gleich Wein trinken“, sagen viele von ihnen ernüchtert. Stattdessen trinken sie in diesem Sommer zur Abwechslung eben alle gemütlich ihr Helles.

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29 Kommentare

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  • 8G
    82286 (Profil gelöscht)

    Männer trinken Jever. Für Frauen gibt's Becks. Das Mädchenbier.

  • Is nur der Name, ders von dem unterscheidet, was Restderrepublik auch schon immer im (Discounter-)Regal hatte: Export. Bei der nächsten Hoiben werd ich aber fröhlich kichernd an euren liebenswürdigen Verriss denken. Und zum Nachspülen bestell ich mir ein Dunkels. Da könnt ihr dann ne Malzbierpolemik dazu basteln.

    • @lesnmachtdumm:

      Klar - Sagte schon die 🍐- 🙀🥳 - 🥬 -



      “Your health!“ - “Your Dunkles!“



      Un scheunen Sündach ook.

    • @lesnmachtdumm:

      Naja - Augustiner - Hell / Tegernseer - Hell u Augustiner Export / Tegernseer Spezial zum Bleistift sind geschmacklich schon ein Unterschied - letztgenannte mit mehr von selbigem versehen ^^

      • @Ronny Hermann:

        Mo ment! Mo ment!

        “Augustiner Hell & “Naja“? Geht gaa nich! Gellewelle.

        Wenn ich zum Wochenende wieder voll vegan beim Türken mit meinem zweirädrigen AWO-Shopper - shoppe!



        Husch Husch ins Körbchen - zur Freude der wunderäugigen Tochter - hmmm 🤫



        4 x Augustiner 4 x Chiemseer - 2 x je blond Grimbergen & Leffe & ab at home - durch die verkehrsberuhigten Ghettos von Ihrrrenfeld! JA - SO! kann Abend un Sündach warrn • & Nix - “Naja“ - 🙀🥳 -

  • Ich finde Helles überhaupt nicht langweilig, es ist lecker und frisch. Pils vermeide ich, wo es geht, das ist für mich das langweiligste Bier überhaupt.

    • @Stefan L.:

      Für mich zum Bleistift ist Helles langweilig - als i vor 20 Jahren zum ersten mal Augustiner getrunken hab , meinte i i trink Wasser , dann lieber ‚n fränkisches Pils u selbst Jever, Veltins u



      Krombacher schmecken besser / haben mehr Geschmack - aber Geschmäcker sind verschieden u über selbigen lässt sich nicht streiten :D

    • @Stefan L.:

      Na scha, DAS Pils gippsjagarnich. Is schon jeweils sehr verschieden bitter zwischen Tschechei, D-Süd, D-West und D-Nord. Un durchaus jeweils lecker.

      • @lesnmachtdumm:

        "Na scha, DAS Pils gippsjagarnich."



        Schon richtig aber ich meinte die üblichen Verdächtigen, die man eben im Rewe-Getränkemarkt bekommt. Dass ein Original-Pilsener aus Tschechien durchaus anders schmecken kann, ist mir klar.

        • @Stefan L.:

          Und NORDPils = doppeltbisdreifachsobitter wie SÜDPils. Eifelpils irgendwo dazwischen. Das hat, außerm Namen, jeweils nix gemeinsam.



          PS: Ich geh zum Biertrinken nich in' REWE-Markt... ;-]. Ausm Glas muss schon sein. Helles kammer eher auch ausse Flasche trinken. Da tragen die sehr unterschiedlichen Trinkgefäße (Saftglas, Hoibe-Glas, Steingut-Humpen) weniger zum Geschmack bei ... Pils dagegen aus dickwandigen Gläsern (zu denen auch die Flaschen gehörn): ne Sünde. Wie Wein mit Strohhalm.

  • "Erfolg, auch weil die Namen der Biere so exotisch klangen wie ein Urlaub in den Voralpen: Benediktiner, Oberdorfer, Chiemseer, Spatenbräu und Allgäuer Büble."

    Hauptsache es klingt gut. Aber das "Benediktiner" wird in Lich in Hessen gebraut. Leider hat die Licher Brauerei auch ihr eigenes Weißbier zugunsten des Benediktiner Weißbier gestrichen. Und die Licher Privatbrauerei gehört auch nicht nach Hessen, sondern zur Bitburger-Gruppe aus Rheinland-Pfalz. So viel zum Thema Alpenurlaub.

    Selbst Hannes Ringlstetter mag diese Helle nicht und trinkt lieber ein schön herbers Pils aus Jever.

    Also lasst es uns ihm nachmachen und Bier aus Jever trinken. So lange Jever noch zu Deutschland gehört. Denn zu Zeiten der russischen Zarin Katharina der Großen gehörte Jever zu Russland. Ob Wladi Putin das schon weiß?

    Übrigens, was das auf den Jever-Flaschen-Etiketten als Friesisches Brauhaus bezeichnet wird, ist es gar nicht. Das ist das Schloss zu Jever. Das Brauhaus selbst ist halt nicht so marketingmäßig hübsch vewertbar.

    • @HeinerM:

      Heiner m is mir schonn so einer.



      Sach mal so - “Becks - ohne mich:



      Kopfdetonierer - Gääcks!



      Und auch Jever - trinkste ohne mich!



      Mei Lever.“ 🥚jòò 🥚jòò -

      kurz - Chiemseer - läutets Abend ein.



      Und Augustiner - rinnt gar lecker fein.



      Ja und klar - zu fortgeschritte Stond -



      Rundet‘s gern ab Leffe vel Grimbergen Blond.

  • Bier das nicht wie Bier schmeckt!!!!?



    Ja Herrschaftszeiten Tietze, sog amoi, gehds no?



    Zur Strafe sollte man Ihnen einen Sixpack



    Warsteiner-Jauche ("Odel" auf bayrisch), verabreichen!

  • Hm. Helles ist im Allgemien wohl mit Hingabe verbraute Langeweile. Man möchts im vollen Bewußtsein des kalkulierten Wahnsinns in die Sonne stellen, in der Hoffnung, durch Verdunstung möge so etwas wie Geschmack entstehen.

    Aber. Kein helles der Welt kann so schlimm sein, wie die Verwendung von Schmähbegriffen wie "Aperol Spitz, saure Weinschorle, Trendbier oder Nordrhein-Westfalen"

  • Das beste Bier kommt aus Franken und das ist nördlich der Donau und müssste



    eigemtlich auch Freistaat Franken heissen.

    • @HAHABerlin:

      Sitzen ein Kölner, ein Düsseldorfer und ein Franke in der Kneipe. Der Kölner bestellt ein Kölsch, der Düsseldorfer ein Alt, und der Franke eine Cola.



      Auf die fragenden Blicke antwortet der Franke: "na wenn ihr auch kein Bier trinkt..."

  • Wer freiwillig so a Warsteiner sauft



    und kriagt Schädlweh hinterher



    für den hab ich kein Mitleid



    dem ghert einfach ned mehr.



    (Biermösl Blosn)

    • @Kahlschlagbauer:

      Süürländer Antwort an meine Bierbankgegenüber in Schwandorf -



      “Cola!“ - “Ja wie? Cola?“ - “Ja - wenn ihr auch kein Bier trinkt!“ - 🙀🥳 - (Grüezi mittenand - wo immer ihr Lauser euch grad wieder rumtreibt 🍺 🍺🍺 🎺 🎶 ;))

  • Ja wie? Jung - da wunderst du dich - in echt?

    “Denn Konsumentin wie Konsument lassen seit kurzer Zeit ihr herbes Pilsbier, den bitteren Aperol Spritz und die saure Weinschorle stehen.“

    kurz - na logo - das “Art Leitungswasser mit bierhaftem Nachgeschmack…“



    Braucht noch weniger die Farbe nicht wechseln! Wollnich.



    (psst entre nous only - schon immer hängen in jeder Veltinskneipe nur leicht verborgen hinterm Tresen die bekannten Recycling-Karis - wie mit Eselsantrieb das andere aus Westfälisch Sibirien entsteht! &! Nachhaltigkeit pur!



    Wieviel noch umwelt&recourcenschonender mit “Art Leitungswasser mit bierhaftem Nachgeschmack!“ Wollnichwoll • - 🙀🥳 - 🍻 - ;))



    Mit Onkel Herbert Wehner: “Ich sage Ihnen Prost! -



    Wer zum Baumnetzen rausgeht. Muß auch wieder reinkommen!“

    Na Servus

    • @Lowandorder:

      Bier sollte mit grossen Schlucken aus grossen Gläsern getrunken werden. Helles, oder auch Lager eignet sich hervorragend dafür. Hat übrigens auch mehr Alkohol Prozente. Ein süffiges Produkt für den täglichen Gebrauch. Von den kleinen Brauereien schmeckt es am Besten. Die heutigen Pils Biere sind industriell gebraute



      Biere mit wenig Erkennungsmerkmalen

      • @Klempner Karl:

        Süffig, jawoll, das ist die treffende Umschreibung! Ein Pils, als solches,



        das kann gar nicht süffig sein, weil zu bitter!

        • @Isarstrand:

          Süffig - läuft halt gut rein ohne irgendwelche Geschmacksnuancen - Augustiner zum Bleistift ist das langweiligste Bier der Welt , als i des vor 20 Jahren zum ersten mal trank dachte i , i trink Wasser - u irgendwann biste dicht , dann lieber ‚n Pils ( sogar ‚industrielle‘ schmecken besser ) und am Ende dasselbe Ergebnis aber mit mehr ‚Geschmack‘ , aber über den lässt sich ka bekanntermaßen ‚nicht‘ streiten :D

      • @Klempner Karl:

        anschließe mich - war‘s nicht bei Wardsteiner - wo mal 400 cubikmeter SCHAUMSTABILISATOR sichergestellt wurden! Na Prost - 🤢🤮🤑 -

        • @Lowandorder:

          Ich sage nur eins:

          Meckatzer:

          "Im Glas zeigt es sich in hellem Goldton mit sonnigen Reflexen, gekrönt von einem weißen, feinen Schaum mit guter Haftung. Es duftet nach Heu, Biskuit und etwas Kräuterig-Fruchtigem. Der Antrunk ist weich mit sehr fein eingebundener Kohlensäure, die cremig im Mund aufgeht. Im Gesamtcharakter sind Malzkörper und Hopfenbittere vollkommen ausbalanciert. Der Ausklang ist feinsinnig und hopfenbetont."

          Feinsinnig und hopfenbetont eben.

          Gibt es auch nicht in jedem Späti.