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Gerichtsurteil in WarschauAn der Oder wird weitergebaggert

Seit Langem gibt es Streit über den Ausbau des Grenzflusses zwischen Deutschland und Polen. Nun geht er in die nächste Runde.

Bagger marsch: Bauarbeiten auf der polnischen Oder-Seite Anfang März Foto: Patrick Pleul/dpa/picture alliance

Potsdam taz | Die Bundesregierung soll ein gemeinsames Schiedsgericht einberufen, um den Streit über den Ausbau der Oder beizulegen. Das fordern Umweltverbände und Politiker der Grünen in Brandenburg nach einem Urteil des woiwodschaftlichen Verwaltungsgerichts in Warschau vom Dienstag. Mit dem Urteil weist das Gericht die zuständige Umweltbehörde an, erneut über die Bauarbeiten an der Oder zu entscheiden. Ein sofortiger Baustopp ist mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts allerdings nicht verbunden; auch kann das Urteil innerhalb eines Monats angefochten werden.

Seit Langem streiten deutsche und polnische Umweltverbände mit den zuständigen Behörden über den Ausbau der Oder. Die deutsche Bundesanstalt für Wasserbau in Karlsruhe hatte 2014 im Auftrag der polnischen und deutschen Schifffahrtsverwaltungen ein sogenanntes Stromregulierungskonzept erarbeitet. Ziel war, den Grenzfluss so zu vertiefen, dass er fast das ganze Jahr über eine Wassertiefe von 1,80 Meter aufweisen könne. Damit sollte die Oder auch für größere Schiffe befahrbar werden. Nach langem Hin und Her begann die polnische Regierung im vergangenen Jahr mit den Bauarbeiten. Sie begründet dies unter anderem mit einem besseren Schutz vor Hochwasser. Umweltverbände und auch die Brandenburgische Landesregierung zweifeln den Sinn der Baumaßnahmen an und legten vor zwei Jahren bei Bekanntwerden der Pläne Einspruch ein.

Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Bündnis 90/Grüne) hatte bei Bekanntwerden der Pläne vor zwei Jahren beklagt, die Bemerkungen und Stellungnahmen des Landes Brandenburg und anderer Beteiligter seien „völlig außer Acht“ gelassen worden, der Plan könnte „verheerende Auswirkungen auf den Zustand der Oberflächengewässer“ haben. Die Ausbaupläne gingen zudem weit über den zwischen den Regierungen vereinbarten Rahmen hinaus.

„Welche Kritikpunkte der Umweltverbände und des Brandenburger Umweltministeriums das Gericht nun aufgegriffen hat, wird sich erst in der Begründung des Urteils zeigen“, sagt Sascha Maier, Gewässerreferent der Umweltorganisation BUND und Koordinator des Aktionsbündnis lebendige Oder. Die Urteilsbegründung wird in den kommenden Wochen erwartet. Das Urteil vom Dienstag sei „ein kleiner Schritt in die richtige Richtung“, sagt Maier.

Ein Fall für's Schiedsgericht

Die erneute Entscheidung der Umweltbehörde wird Ende Juni erwartet. Allerdings gehen Beobachter nicht davon aus, dass sie ihre Oder-Politik ändert. Daher sei der Oder-Ausbau „mittlerweile auch ein Fall für das Schiedsverfahren, welches im deutsch-polnischen Regierungsabkommen für Wasserstraßen bei strittigen Fragen vorgesehen ist“, sagt Sarah Damus, grüne Landtagsabgeordnete aus Frankfurt/Oder. Hier sei das Bundesverkehrsministerium gefordert, zu handeln. Auch Oder-Aktivist Maier hält ein Schiedsgericht für „ein gutes Verfahren, auch, um Klagen vorzubeugen“.

Die insgesamt rund 500 Kilometer lange Oder verläuft über fast 200 Kilometer entlang der deutsch-polnischen Grenze. Sie gilt als einer der an vielen Stellen letzten, frei fließenden Flüsse Europas und durchquert den Nationalpark „Unteres Odertal“. Der einzige Auen-Nationalpark Deutschlands zeichnet sich durch eine hohe Artenvielfalt vor allem an Vögeln und Fischen aus. Laut Nationalparkverwaltung brüten mehr als 145 Vogelarten in dem Gebiet, über 40 Fisch-Arten leben in dem Fluss, darunter Moderlieschen, Aal und Bitterling. Auch die seltene Mopsfledermaus lebt in den Oder-Auen.

Ob die Bundesregierung ein Schiedsgericht anrufen wird oder die Brandenburgische Landesregierung dies fordert, konnten beide innerhalb des Redaktionsschlusses noch nicht kommentieren.

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