piwik no script img

Özdemir plant TierhaltungskennzeichnungFerkelchen bleibt außen vor

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Gut, dass Agrarminister Özdemir die neue Tierhaltungskennzeichnung vorschreiben will. Aber sie wird das Leben nur weniger Tiere wirklich verbessern.

Die Kennzeichnung soll sich nur auf Schweine und auf den letzten Abschnitt ihres Lebens beziehen Foto: Bernd Thissen/dpa

B undesagrarminister Cem Özdemirs Plan für eine Tierhaltungskennzeichnung ist nur ein kleiner, erster Schritt in die richtige Richtung. Das staatliche Siegel für Fleisch wird vorerst das Leben lediglich weniger Tiere bedeutend verbessern.

Positiv ist, dass die Eckpunkte, die der Grünen-Politiker nun vorgestellt hat, eine Pflicht zur Kennzeichnung vorsehen. Auch Fleisch aus schlechteren Haltungsformen soll nach dem Willen des Ministers für die VerbraucherInnen erkennbar sein. So können sich die KäuferInnen gegen diese Produkte und für tierfreundlichere entscheiden. Das könnte dazu führen, dass die Nachfrage nach dem „besseren“ Fleisch steigt, sodass die Bauern auch mehr Tiere artgerechter halten. Die Kennzeichnungspflicht hatten CDU und CSU jahrelang blockiert, sie wollten nur ein freiwilliges Label, das die weniger tierfreundlichen Betriebe natürlich nicht genutzt hätten. Deshalb ist Özdemirs Vorstoß besser als das Nichts, das die ehemalige Große Koalition bei dem Thema zustande gebracht hat.

Doch der Plan des schwäbischen Vegetariers hat vor allem ein Manko: Seine Kennzeichnung soll sich nur auf Schweine und auf den letzten Abschnitt ihres Lebens beziehen. Es geht also lediglich um die laut Statistischem Bundesamt rund 11 Millionen Mastschweine. Die anderen 13 Millionen Schweine, wie zum Beispiel Ferkel, die 11 Millionen Rinder und 159 Millionen Hühner bleiben außen vor. Ob Özdemir es während dieser Legislaturperiode schafft, auch diese Tiere einzubeziehen, steht in den Sternen.

Die Kriterien der fünf geplanten Stufen sind zudem sehr beschränkt und teils zu lasch. Die Kategorie „Stall“ entspricht dem gesetzlichen Standard. Aber die höheren Stufen „Stall + Platz“, „Frischluftstall“ und „Auslauf/Freiland“ verlangen im Wesentlichen nur mehr Platz, Kontakt zum Außenklima oder Auslauf. Keine Rolle spielt etwa, ob der Stall mit Stroh eingestreut wird, obwohl das sehr wichtig ist, damit sich Schweine artgerecht beschäftigen können und nicht aus Langeweile gegenseitig verletzen.

Egal ist auch, ob den Tieren die Ringelschwänze abgeschnitten werden. Lediglich in der Stufe „Bio“ ist das ausgeschlossen. Doch selbst konventionelle Landwirte mit vorbildlicher Tierhaltung erreichen diese Stufe nicht, weil sie kein Ökofutter verfüttern. Wie gesund die Tiere sind, soll ebenso wenig Kriterium sein. Dabei sind durch die Haltung bedingte Gesundheitsschäden auch bei Bio ein Problem. Die Art der Transporte und der Schlachtung ist bei den Ökos umstritten. Doch auch diese Bereiche sind nicht von der Kennzeichnung erfasst.

Das sind erhebliche Defizite. Die Ampel sollte sie bei den Beratungen im Bundestag abbauen und sicherstellen, dass viel mehr Tiere viel artgerechter gehalten werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Ich schätze Özdemir. Doch mein Verdacht besteht darin, dass er den Agrarministerjob gekriegt hat und nicht Hofreiter, weil Hofreiter wahrscheinlich weitaus kompromissloser und zudem in diesem Metier erheblich erfahrener ist.

    Die Grünen haben leider mit Tier- und Naturschutz wenig im Sinn und sind dort seid über 20 Jahren völlig ineffinzient.

    Und die armen Schweine wurden von den Grünen ja schon öfters verraten, siehe Link.

    Haben die Grünen eigentlich vor irgendetwas an dem immer tiefer sinkenden Vogelbestand zu verändern?

    Seit 1980 haben wür über 80 Prozent verloren.

    www.spiegel.de/wir...-b958-c185cdbc2b7a

    www.spiegel.de/wir...8223-50e241460b56#

  • Eine solche Kennzeichnung ist doch noch schlimmer als keine.



    Dann steht da beste Haltungsform drauf, aber das Schwein musste trotzdem die ersten Wochen um seine eingekastete Mutter tänzeln, in Lastwagen enggepfercht tagelang ausharren, und mit viel zu vielen anderen Schweinen um den einzigen Strohhalm im Stall kämpfen.



    Die Leute machen sich jetzt schon vor, sie wären daran nicht schuld. Mit diesem scheinheiligen Siegel wird das eher noch schlimmer.

  • Ich hätte hier gerne genauere Informationen darüber, wie die Kennzeichnung nach Özdemirs Plänen funktioniert.

    Außerdem frage ich mich, in welchem Verhältnis das zu den bereits gängigen Kennzeichnungen steht, die auf vielen Fleischpackungen zum Beispiel bei REWE und ALDI sind. Die betreffen meines Wissens nicht nur Schweine, sondern auch Rinder und Geflügel.

  • "Ende machen mit der Massenqualtierhaltung...ist der Özdemir ein Guru...? Es wird so sein wie immer...es bisschen mehr Platz zum Quälen...hat`s die grüne Wählerschaft immer noch nicht kapiert...die kapitalintensive Marktwirtschaft gibt den Ton an..." schrieb ich vor einiger Zeit. Nichts als eine perfide Selbstinzinierung, was da alles über die Politbühne geht. An den großen Stellschrauben, Herr Özdemir, drehen andere. Sie sind nur ein kleines Schräubchen, an dem alle ein wenig drehen dürfen. Was will man von so einer kranken Gesellschaft denn erwarten. Vor allem in der Politik gibt es zuhauf Narzissten*innen.



    Romain Rolland (1866-1944, französischer Dichter):



    „Die Grausamkeit gegen die Tiere und auch schon die Teilnahmslosigkeit gegenüber ihrem Leiden ist meiner Ansicht nach eine der schwersten Sünden des Menschengeschlechts. Sie ist die Grundlage der menschlichen Verderbtheit."



    "Wenn der Mensch so viel Leiden schafft, welches Recht hat er dann, sich zu beklagen, wenn auch er selbst leidet?“