Streit um den Tempelberg in Jerusalem: Wer darf wann beten?
Ein Gericht erlaubt drei jüdischen Männern, auf dem Tempelberg zu beten. Das heizt den Konflikt zwischen Palästinenser:innen und Israelis an.
![Touristen vor der Al-Aqsa Muschee auf dem Tempelberg Touristen vor der Al-Aqsa Muschee auf dem Tempelberg](https://taz.de/picture/5576318/14/30099196-1.jpg)
Am Sonntag hob das Gericht eine polizeiliche Anordnung auf, die drei jüdischen Teenagern den Zutritt zum Tempelberg verwehrt hatte, weil diese dort gebetet hatten.
Auf dem Tempelberg in der Altstadt Jerusalems stehen heute die Al Aqsa Moschee und der Felsendom – der Tempelberg gilt als drittheiligste Stätte des Islam und als heiligste des Judentums. Laut sogenanntem Status Quo, einer Abmachung zwischen Israel und der jordanischen Waqf-Behörde, die den Tempelberg verwaltet, dürfen Jüdinnen und Juden den Tempelberg zu bestimmten Zeiten betreten, jedoch nicht dort beten.
Das jordanische Außenministerium bezeichnete die Gerichtsentscheidung als einen „groben Verstoß gegen internationale Beschlüsse in Bezug auf Jerusalem.“
Treiber ist die messianisch motivierte „Tempelbewegung“
Die militante Organisation Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert, bezeichnete die Entscheidung als „gefährliche Eskalation“, und ließ verlauten, dass die Entscheidung sämtliche rote Linien überschreite und mit Feuer spiele.
Viele Palästinenser:innen fürchten, dass Israel am Status Quo auf dem Tempelberg rütteln will. Von israelischer Polizei eskortierte Jüdinnen und Juden, die den Tempelberg besuchen und auch immer wieder dort beten, rufen zunehmend den Unmut der Palästinenser:innen hervor.
Vorangetrieben werden die Besuche von Jüdinnen und Juden auf dem Tempelberg vor allem von der messianisch motivierten Tempelbewegung, die in den letzten Jahren an Einfluss gewonnen hat und für einen Wiederaufbau des 70 n. Chr. zerstörten Tempels auf dem Gelände des Tempelbergs wirbt.
Jüdische Israelis, die für ungehinderten Zugang zum Tempelberg kämpfen, argumentieren mit der Freiheit zur Religionsausübung. Das Argument bringe viele Organisationen, die für die Einhaltung des Status Quo kämpfen, in Bedrängnis, erklärt Hagit Ofran von der NGO Peace Now. Es sei schwer, dagegen zu argumentieren. „Doch solange die Palästinenser:innen unter Besatzung leben“, betont Ofran: „ist die Forderung von jüdischer Seite, auch auf dem Tempelberg beten zu dürfen, keine unschuldige. Ihnen geht es nicht um die Freiheit zur Religionsausübung, sondern um Souveränität.“
Regierung Bennett will keine Änderung des Status Quo
Bisher haben sämtliche israelische Regierungen betont, keine Bestrebungen zu haben, den Status Quo zu verändern. Nach dem Gerichtsurteil ließ auch das Büro des Ministerpräsidenten Naftali Bennett verlauten, dass keine Änderung des Status Quo geplant sei: „Die Entscheidung des Amtsgerichts konzentriert sich ausschließlich auf die Frage des Verhaltens der Minderjährigen, die vor das Gericht gebracht wurden, und stellt keine umfassendere Entscheidung über die Freiheit der Religionsausübung auf dem Tempelberg dar.“ Die Staatsanwaltschaft werde in dem Strafverfahren Berufung beim Bezirksgericht einlegen.
Das Gerichtsurteil kommt einige Tage vor dem Jerusalem-Tag von Samstagabend bis Sonntagabend. Traditionellerweise ziehen an diesem israelischen Feiertag ultrazionistische Jüdinnen und Juden mit einem Flaggenmarsch durch die Altstadt Jerusalems und feiern die Eroberung Ostjerusalems im Sechstagekrieg 1967. Die Route führt für gewöhnlich auch durch das Ostjerusalemer Damaskus-Tor – für Palästinenser:innen eine Provokation.
Im vergangenen Jahr feuerte die Hamas während des Marsches Raketen auf Jerusalem ab, selbst nachdem die Behörden die Route im letzten Moment geändert hatten, um das Damaskustor zu umgehen. Es folgte ein elftägiger Krieg zwischen der Hamas und Israel.
In der vergangenen Woche gab der israelische Minister für Innere Sicherheit Omer Bar Lev grünes Licht für den diesjährigen Flaggenmarsch. Auch die Route durch den muslimischen Teil der Altstadt ist genehmigt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Überraschung bei U18-Wahl
Die Linke ist stärkste Kraft
RTL Quadrell
Klimakrise? War da was?
Ukraine-Verhandlungen in Saudi-Arabien
Wege und Irrwege aus München
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben