Chaos in Frankreich beim Fußball-Finale: Keiner will's gewesen sein
Vor dem Endspiel der Champions League in St. Denis geht die Polizei brachial gegen Fans vor. Die Suche nach den Schuldigen hat bereits begonnen.
Als Gruppen von Jugendlichen die Schranken durchbrachen oder die hohen Gitterzäune überkletterten, um ohne Tickets in das Stadion zu gelangen, kapitulierten die Kontrolleure, die Polizei griff ein und machte dabei zwischen Rowdies und harmlosen Fans sowie auch Familien mit Kindern keinen Unterschied.
Im Nachhinein können die Organisatoren des Finales der Champions League heilfroh sein, dass es keine Massenpanik mit Toten gab. Aber auch das ist keine Entschuldigung. Ein gefundenes Fressen ist die Gewalt vor dem Stadion für die extreme Rechte, die auf Twitter ein hartes Vorgehen gegen die „Barbaren“ aus den Immigrantensiedlungen von Saint-Denis fordert.
„Was für eine Schande!“, lautet die Überschrift der Zeitung La Dépêche du Midi, die meisten französischen Zeitungen reden von einem „Chaos“ vor dem verspäteten Spielbeginn und fragen, wie es zu einer derartigen Eskalation der Gewalt kommen konnte. Schlimm und peinlich, denn Frankreich hatte sich vor rund drei Monaten angeboten, das Finale im Norden von Paris zu organisieren, weil es nicht in Sankt-Petersburg stattfinden konnte.
Kein gutes Licht
Auch war den Behörden, der Uefa und den Organisatoren frühzeitig bekannt, dass viel mehr Leute kommen würden, als das Stadion aufnehmen kann. Offensichtlich waren die Sicherheitsvorkehrungen ungenügend. Das wirft kein gutes Licht auf die organisatorische Kompetenz der Hauptstadt, in der 2024 die olympischen Sommerspiele stattfinden sollen. Wären da Selbstkritik oder eine Entschuldigung zu viel verlangt?
Jetzt schieben sich verschiedene Stellen die Verantwortung gegenseitig zu. Im Zentrum der Kritik steht der Pariser Polizeichef Didier Lallement. Das war auch schon bei den äußerst gewaltsamen Einsätzen seiner Truppen gegen die Gelbwesten und andere Demonstranten der Fall. Innenminister Gérald Darmanin macht ohne Beweise oder wider besseres Wissen britische Hooligans verantwortlich. Der Grund allen Übels waren für ihn „mehr als 30.000“ Fans, die ohne Eintrittskarte oder mit gefälschten Tickets ins Stadion wollten. Schuld sind eben immer die anderen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Kritik an Antisemitismus-Resolution
So kann man Antisemitismus nicht bekämpfen
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Kränkelnde Wirtschaft
Gegen die Stagnation gibt es schlechte und gute Therapien
VW in der Krise
Schlicht nicht wettbewerbsfähig
Mögliche Neuwahlen in Deutschland
Nur Trump kann noch helfen