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Krieg in der UkraineSchwere Kämpfe im Donbass

Nach dem Rückzug aus dem Umland von Charkiw gibt es für russische Truppen jetzt große Verluste im Osten der Ukraine.

Zivilisten hinter einer steckengebliebenen Rakete bei Luhansk Foto: Leo Correa/AP

Russlands Krieg in der Ukraine verlagert sich – und verlangsamt sich. Nach dem Rückzug der russischen Truppen aus dem Umland Charkiws, der zweitgrößten ukrainischen Stadt, konzentrieren sich die Kämpfe nun auf das Frontgebiet weiter östlich im Donbass. Russland will die in Friedenszeiten gut 100.000 Einwohner zählende Stadt Sewerodonezk einnehmen – die letzte von der Ukraine kontrollierte Stadt des Distrikts Luhansk, dessen Südhälfte die separatistische „Volksrepublik Luhansk“ ausmacht und dessen Nordhälfte zum größten Teil bereits russisch besetzt ist.

Russland hatte bereits Anfang April nach dem Rückzug aus dem Umland von Kiew angekündigt, seine Offensivbemühungen auf den Donbass zu konzentrieren, aber bis heute keine einzige größere Stadt dort einnehmen können, mit Ausnahme von Mariupol. Severedonezk, wo sich die ukrainische Distriktverwaltung von Luhansk befindet, wäre ein wichtiger Gewinn. Entsprechend verlustreich sind nach Berichten beider Seiten die Kämpfe im Umland in Vorbereitung auf die „Schlacht von Severodonezk“.

„Katastrophale“ Verluste, so das Institute for the Study of War (ISW) in den USA, erlitt Russland am 11. Mai bei dem Versuch, etwa 20 Kilometer westlich von Severodonezk den Fluss Severski-Donezk in südliche Richtung zu überqueren und damit die Voraussetzungen für eine Einkesselung von Severodonezk zu schaffen. Zwei behelfsmäßige Brücken in einem unwegsamen Gebiet, über die eine komplette Kampfgruppe und weitere russische Einheiten den Fluss überqueren wollten, wurden von ukrainischen Truppen beschossen und zerstört.

Nach eigenen Angaben verlor Russland 73 Fahrzeuge samt ihren Besatzungen, nach Open-Source-Analysen und ukrainischen Berichten 82. Eine komplette Kampfgruppe wurde vernichtet, laut ISW starben 485 der 550 beteiligten russischen Soldaten. Eine weitere russische Einheit, der die Überquerung gelungen war, soll am Folgetag bei dem Versuch, sich über den Fluss wieder zurückzuziehen, versenkt worden sein.

Russische Berichte sprechen von „Desaster“

Die Kämpfe zwischen dem 7. und 12. Mai mit insgesamt neun Flussüberquerungsversuchen tobten in der Nähe des Dorfes Bilohoriwka, wo am 7. Mai ein russischer Luftangriff bis zu 60 Menschen beim Bombardement einer Schule, in deren Keller die gesamte Dorfbevölkerung Zuflucht gesucht hatte, getötet hatte.

Das ISW konstatiert unter Bezug auf russische Militärblogger einen „erstaunlichen Mangel an taktischem Gespür“ auf russischer Seite: An beiden Enden der Flussüberquerung hätten sich die Militärfahrzeuge gestaut, „was es der ukrainischen Artillerie offensichtlich ermöglichte, mit konzentrierten Schlägen Hunderte zu töten und Dutzende Fahrzeuge zu zerstören“. Viele russische Berichte sprechen von einem „Desaster“, und der radikale einstige Donezk-Separatistenführer Igor Girkin bestätigte, dass auch hohe Kommandeure starben.

Russland beschießt Severodonezk nun frontal aus den bestehenden Positionen nördlich und östlich der Stadt, ohne Rücksicht auf Verluste. Allein am Samstag wurden nach ukrainischen Berichten elf Hochhäuser und eine Kirche zerstört. Am Abend wurden laut Stadtverwaltung neun Menschen bei der Bombardierung des Krankenhauses verletzt.

Laut Analysten ist das Selbstvertrauen der ukrainischen Streitkräfte nach dem erfolgreichen Zurückdrängen Russlands aus dem Gebiet um Charkiw und nach dem Erfolg am Fluss sehr hoch. „Erneut haben die Ukrainer bewiesen, dass sie verteidigen und dann angreifen können, um ihr Land zurückzuerobern“, schreibt auf Twitter der britische Militäranalytiker Mick Ryan. „Obwohl die Russen zuletzt ihre Bemühungen auf den Osten der Ukraine als Hauptziel orientieren, haben sie noch keine wichtigen Erfolge erzielt.“ Britische Militärgeheimdienste schätzen, dass Russland ein Drittel der im Februar für die Invasion der Ukraine aufgestellten Bodentruppen verloren hat.

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