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Über 300 Rechtsextreme bei Polizei, Militär und Co

Innenministerin und Verfassungsschutzchef stellen Bericht zu Rechtsextremismus in Sicherheitsbehörden vor – und finden Netzwerke

Zahlen liegen „fernab des wirklichen Ausmaßes“

Martina Renner, Innenpolitische Sprecherin (Linke)

Von Sabine am Orde

Sie zeigen den Hitler-Gruß, teilen antisemitische Posts in Chatgruppen und haben Kontakt zu rechtsextremistischen Organisationen: Die Anzahl der Rechts­ex­tre­mis­t:in­nen und Reichs­bür­ge­r:in­nen in den Sicherheitsbehörden ist größer als bislang bekannt. Das geht aus dem entsprechenden Lagebericht vor, den Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang am Freitag vorgestellt haben.

Demnach sind innerhalb von drei Jahren 327 Mit­ar­bei­te­r:in­nen in den Sicherheitsbehörden aufgefallen, die nachweislich Bezüge zum Rechtsextremismus oder zur Szene der sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter haben. 138 Fälle davon stammen aus den Bundesbehörden, 189 Fälle aus denen der Länder. Betrachtet wurde der Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis zum 30. Juni 2021. „Wird die Integrität der Sicherheitsbehörden von innen heraus beschädigt, ist das besonders gefährlich für Rechtsstaat und Demokratie“, sagte Faeser und versprach: „Wir werden Verfassungsfeinde schneller als bisher aus dem öffentlichen Dienst entfernen.“ Bis Jahresende wolle sie einen Entwurf zur Änderung des Bundesdisziplinargesetzes vorlegen.

Erstmals ist in dem Bericht, der jetzt zum zweiten Mal erschienen ist, auch von Netzwerken die Rede. Von den 327 Mit­ar­bei­te­r:in­nen haben laut Bericht mehr als zwei Drittel Verbindungen zu rechtsextremen Netzwerken gehabt. Durchschnittlich geht um mehr als acht Verbindungen. „Erschreckend“ sei das, sagte Haldenwang. Zu diesen Kontakten zählen persönliche Bekanntschaften, aber auch die Teilnahme an Demonstrationen und Musikveranstaltungen, Mitgliedschaften in Chatgruppen und Organisationen wie der Identitären Bewegung, der NPD und der „Jungen Alternative“, die Jugendorganisation der AfD. Um die AfD als Gesamtpartei geht es nicht, weil diese im Untersuchungszeitraum noch nicht als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft war. „Das sind keine Einzelfälle“, sagte Faeser, betonte aber auch, dass es sich meistens um private Netzwerke handele. Es gebe keine Anhaltspunkte auf bundesländerübergreifende Netzwerke innerhalb der Sicherheitsbehörden, sagte auch Haldenwang.

Insgesamt sind die Aktivitäten von insgesamt 860 Bediensteten betrachtet worden. 500 arbeits- und disziplinarrechtliche Maßnahmen wurden eingeleitet. In 38 Prozent der bewerteten Fälle lagen die Voraussetzungen für eine weitere nachrichtendienstliche Bearbeitung vor. Aus den Bundesbehörden wurden 3 Mitarbeiter entlassen oder nicht in das Beamtenverhältnis ernannt. Aus den Landesbehörden mussten 57 Bedienstete gehen.

Aus Sicht von Martina Renner, Innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion und Rechts­extremismusexpertin, liegen die vorgestellten Zahlen „fernab des wirklichen Ausmaßes“. Auch bleibe offen, inwieweit die nun erkannten Rechtsextremisten in den Behörden ihre Ressourcen und Verbindungen ihren Kameraden außerhalb zur Verfügung gestellt haben. Renner: „Wir sehen bisher einige lose Enden der Netzwerke.“ Da müsse deutlich mehr getan werden.

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