ADFC-Experte über Raddiebstahl: „Man kann nur das Risiko senken“​

GPS-Tracker, Alarmsirenen, dicke Schlösser: Was schützt wirklich vor einem Raddiebstahl? Hans-Christian Höpcke gibt Tipps.

Ein Fahrrad mit Schloss, dass gerade geknackt wird mit einer großen Zange - ein gestelltes Foto zum Thema Fahrraddiebstahl

Hält das Schloss? Foto: dpa

taz: Herr Höpcke, warum werden Fahrräder so gern geklaut? Was macht sie zum Objekt der Begierde?

Hans-Christian Höpcke: Das Urbedürfnis der Menschen nach Mobilität, würde ich sagen.

Die meisten Leute klauen ein Rad, um damit wegzufahren? Das klingt doch eher nach Wunschdenken eines ADFC-Mitarbeiters.

Doch. Es geht gar nicht so sehr darum, es zu Geld zu machen, sondern schlicht aus der Situation heraus: Ich brauche jetzt ein Fahrrad. Zumindest würde ich das für die Hälfte der Diebstähle annehmen.

Wie kommen Sie darauf?

Es gibt dafür viele Beispiele. Auch von unseren – kostenlos auszuleihenden – Lastenrädern, die fLotte Berlin genannt, verschwinden immer mal wieder Exemplare. Alle sind bisher wieder aufgetaucht. Eines sogar nach zwei Monaten: Es war offensichtlich im Gebrauch.

Was ist mit der anderen Hälfte?

Die wird geklaut, um Geld zu machen. Also Beschaffungskriminalität, weil es einfach ist. Man schlägt zu, ist dann schnell weg und verkauft auch schnell wieder. Es gibt ja so Hotspots in Berlin wie die Kotti-Brücke, wo eigentlich immer Fahrräder zu günstigen Preisen angeboten werden aus dubiosen Quellen. Und dann gibt es natürlich Banden, die das gewerbsmäßig in großem Stil, manchmal sogar auf Bestellung organisieren.

34, ist beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC) Teamleiter von „fLotte“, einst flotte Lotte, dem kostenlosen Verleih von gut 200 Lastenrädern in Berlin

So gut wie je­de*r Rad­be­sit­ze­r*in hat eigene Erfahrungen mit einer Diebstahlgeschichte. Gehört das zum Leben als Rad­le­r*in dazu zu?

Nein. Mir ist noch kein Rad geklaut worden.

Es gibt also ein Schloss, bei dem man sagen kann, damit ist das Rad nie weg?

Leider wieder Nein. Das wäre schön, aber jedes Schloss ist mit dem richtigen Werkzeug zu knacken. Es ist nur eine Frage der Zeit.

Was macht dann den Unterschied?

Es kommt zum Beispiel drauf an, wo das Rad abgestellt wird. Es macht einen Unterschied, ob ich das Rad an einer lauten, belebten Straße parke oder in einem dunklen Hinterhof. An Orten mit viel Publikum würde ich nicht vier Minuten mit einer Flex daran rumsägen. An einem ruhigen Ort haben Diebe mehr Zeit.

Was noch?

Immer an einem festen Gegenstand anschließen und immer am Rahmen: Manchmal sieht man ja einsame Vorderräder rumliegen, das restliche Rad ist weg. Vorderräder gibt es billig nachzukaufen.

Lohnt es sich also, in ein wirklich teures Schloss zu investieren? Oder reicht allein die Tatsache, dass überhaupt ein Schloss vorhanden ist, als Abschreckung?

Da sind wir wieder bei der Frage, wer die Räder klaut: Professionelle Banden juckt das eher wenig; die anderen, die sich schnell ein Rad besorgen wollen, geben eher auf, wenn sie ein richtig dickes Schloss nicht gleich geknackt oder aufgesägt kriegen.

Es heißt immer, man solle ein Schloss kaufen, dessen Preis zehn Prozent des Radpreises beträgt.

Das ist gar nicht mehr so einfach, weil die Räder immer teurer werden. Für ein 4.000-Euro-Lastenrad gibt es gar kein 400-Euro-Schloss.

Was ist mit Schlössern mit eingebauter Alarmsirene. Bringt das ein Mehr an Sicherheit?

Ein abgeschlossener Radrahmen ohne Räder

Angeschlossen, aber angeknabbert: häufig zu findendes Radrelikt Foto: dpa

Alarm erzeugt Aufmerksamkeit. Ich benutzte solche Schlösser auch. Aber ganz ehrlich: Wenn ich die versehentlich selbst zum Piepsen bringe, gucken Leute zwar in meine Richtung, aber mich hat noch niemand drauf angesprochen, warum da was piepst.

Neuester Stand der Technik sind GPS-Tracker.

Die schützen aber nicht vor Diebstahl, sondern helfen höchstens beim Wiederfinden.

Haben sie keine abschreckende Wirkung?

Schreckt Videoüberwachung Straftäter ab? Die Forschung sagt nein. Das Gleiche gilt auch für GPS-Sender. Sie helfen aber bei der Aufklärung. Leider funktioniert GPS nicht in abgeschirmten Räumen wie Transportern oder in Tiefgaragen. Sobald das geklaute Rad eingeladen ist, wird es schwierig mit der Verfolgung. Und landet es im Ausland, kommt man auch nicht mehr ran, weil die Polizeibehörden untereinander nicht zusammenarbeiten. Deshalb muss die Polizei Berlin dem Thema Fahrraddiebstahl deutlich mehr Bedeutung geben, Fälle verfolgen und aufklären.

Letztlich besteht also immer die Gefahr: Ich stehe morgens auf und das Rad ist weg?

Man kann nur das Risiko eines Diebstahls senken.

Sie haben schon berichtet, dass auch die Leih-Lastenräder des ADFC ab und zu geklaut werden, gerade erst hat der Verband eines als vermisst gemeldet. Hat Sie das erschreckt?

Uns hat eher überrascht, wie wenige Räder der fLotte Berlin bisher geklaut oder nicht mehr zurückgegeben wurden. Wir hatten mit mehr Fällen gerechnet: Schließlich sind das ja vergleichsweise teure Räder. Aber man muss halt auch sagen: Man hört viel über Raddiebstähle, aber man hört ja nicht, wie viele Räder nicht geklaut wurden.

Was sichert sich der ADFC dagegen?

Gute Schlösser; die Nut­ze­r*in­nen dafür sensibilisieren, das Rad richtig anzuschließen und, wenn möglich, nachts drinnen abzustellen, und eine Versicherung.

Sie fahren selbst ein recht teures Lastenrad. Schlafen Sie gut?

(zögert) Nun ja. Wenn man zu viel Angst hat, ist es schwierig. Mein Rad hat gute Schlösser, GPS-Tracker, es steht in der Tiefgarage. Damit ist eigentlich alles getan, was man machen kann. Ich habe eher Angst, dass es mir unterwegs geklaut wird, etwa hier in der Berliner Innenstadt. Die Fallzahlen für Außenbezirke sind deutlich niedriger.

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