Spionageskandal in Spanien: Erstes Opfer des „Catalangate“

Weil sie katalanische Politiker bespitzeln ließ, muss Spaniens Geheimdienstchefin gehen. Der Skandal bringt die Minderheitsregierung ins Wanken.

In einem schwarzen Jackett mit Goldknöpfen steht die Geheimdienstchefin Paz Esteban vor einer Marmortreppe

Aus und vorbei: Spaniens Regierung hat Geheimdienstchefin Paz Estéban entlassen Foto: Juan Carlos Hidalgo/EPA

MADRID taz | Der spanische Spionageskandal „Catalangate“ fordert ein erstes Opfer. Die Regierung des Sozialisten Pedro Sánchez hat die Geheimdienstchefin Paz Estebán entlassen.

Sie hatte erst vergangene Woche vor dem Geheimdienstausschuss des Parlaments eingestanden, dass der Geheimdienst CNI die Handys katalanischer Unabhängigkeitspolitiker und -aktivisten, darunter des aktuellen katalanischen Regierungschefs Pere Aragonès, mittels der israelischen Software Pegasus bespitzelt hat. Laut spanischen Medienberichten legte sie dem Ausschuss richterliche Dokumente mit 18 Namen Betroffener vor. Weitere 10 Namen blieben geschwärzt. Estebán war seit 2020 im Amt.

Bleibt offen, wer die restlichen der insgesamt 65 Katalanen ausgehorcht hat, auf deren Telefonen die kanadische Organisation für Cybersicherheit, Citizen Lab, Hinweise auf eine Pegasus-Infizierung fand. Anwälte der Betroffenen – zum Teil selbst Opfer des Lauschangriffs – vermuten hinter der Infizierung der Handys Teile des spanischen Sicherheitsapparates, die außerhalb richterlicher Kontrolle gegen katalanische Separatisten agieren.

Außerdem ist weiterhin ungeklärt, wie die Spionagesoftware auf die Handys des spanischen Regierungschefs Pedro Sánchez, der Verteidigungsministerin Margarita Robles und des Innenministers Fernando Grande-Marlaska gelangen konnte.

Medien vermuten Marokko hinter diesen Cyberattacken. Denn der Angriff auf Sánchez und seine Minister geschah, als Brahim Gali, Chef der Befreiungsbewegung Polisario, die für die Unabhängigkeit der durch Marokko besetzten Westsahara kämpft, in Spanien wegen Covid behandelt wurde. Dies führte zu einer schweren diplomatischen Krise zwischen Marokko und Spanien.

Sánchez ist auf katalanische Partei angewiesen

Esperanza Casteleiro wird künftig den Posten als Direktorin des CNI einnehmen. Casteleiro ist seit Juli 2020 Staatssekretärin im Verteidigungsministerium und verfügt über Erfahrung im CNI: Von 2004 bis 2008 war sie Generalsekretärin des spanischen Geheimdienstes.

Verteidigungsministerin Robles versucht die Nachricht der Entlassung von Estebán unterdessen herunterzuspielen. Es sei schlicht „die Ablösung einer Beamtin durch eine andere“. Robles verteidigte einmal mehr die Spionage der katalanischen Politiker, Aktivisten und Anwälte. Diese seien „mehr als gerechtfertigt“ gewesen und hätten mit gerichtlicher Genehmigung stattgefunden. „Gegen niemanden in diesem Land wird wegen seiner politischen Ansichten ermittelt. Wir arbeiten für diese Freiheit“, sagte sie auf einer Pressekonferenz. Vergangene Woche hatte sie betont, bei dem Spionageangriff sei es darum gegangen, gewalttätige Proteste zu verhindern.

Diese Erklärung ist wohl kaum dazu geeignet, in Spanien die Gemüter zu beruhigen. Catalangate gefährdet die Stabilität der spanischen Minderheitsregierung. Sánchez ist auf die Unterstützung der katalanischen Partei ERC von Aragonès angewiesen. Dieser verlangt, dass alle Dokumente zur Bespitzelung offengelegt werden. Außerdem werden Forderungen nach einem Rücktritt von Robles immer lauter.

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