piwik no script img

Reaktion auf ErnährungskriseArgentinien erlaubt neuen Genweizen

Buenos Aires hat den Handel und Anbau einer genmanipulierten Weizensorte genehmigt. Einige Länder haben bereits deren Import zugesagt.

Weizenernte in Argentinien im November 2021 Foto: Patricio Murphy/ZUMA Wire/imago

Buenos Aires taz | Argentiniens Regierung hat den Handel und den Anbau einer genmanipulierten Weizensorte genehmigt. „Unser Ziel ist, die Gelegenheit zu nutzen, die sich aus dem internationalen Szenario ergibt“, begründete Matías Lestani, Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium, die Entscheidung in der vergangenen Woche. Erwartet wird ein steigender Bedarf an Weizen, „da der Krieg in der Ukraine schon jetzt die gesamte globale Verwertungskette in Schach hält“, so Lestani.

Anders als bei Gensoja stößt der Anbau von Genweizen bei Landwirten auf Ablehnung

Bisher war in Argentinien nur die Weiterverarbeitung und der Konsum von Mehl aus genmanipuliertem Weizen zugelassen, aber nicht der Verkauf von Saatgut. Dessen Aussaat war zwar in geringem Umfang möglich, aber an strenge Auflagen gekoppelt. Schätzungen gehen davon aus, dass bisher 150.000 Tonnen des Genweizens geerntet wurden – eine verschwindend geringe Menge im Vergleich zu den jährlich 150 Millionen Tonnen Weizen, die auf dem Weltmarkt gehandelt werden. Argentinien trägt dazu als siebtgrößter Exporteur rund 14 Millionen Tonnen bei. Der größte Teil der Exporte geht dabei in die südamerikanischen Nachbarländer, vor allem nach Brasilien.

Bei der genetischen Veränderung handelt es sich um die sogenannte HB4-Technologie. Dabei wurde dem Weizengenom ein Sonnenblumen-Gen eingesetzt, das in Trockenperioden bis zu 20 Prozent höhere Erträge ermöglichen soll als konventioneller Weizen. Die erfolgreiche Manipulation ist der Biochemikerin Raquel Chan und ihrem Instituto de Agrobiotecnología del Litoral in der zentralargentinischen Stadt Santa Fe sowie der argentinischen Wissenschaftsbehörde Conicet zu verdanken.

Chan ist es auch gelungen, das Sonnenblumen-Gen in das Soja-Genom einzusetzen. China hatte Ende April den Import von HB4-Soja genehmigt und reihte sich damit nach den USA, Kanada, Paraguay und Brasilien in die Liste der Staaten ein, in denen der Anbau und die Vermarktung von HB4-Soja Hecho en Argentina genehmigt ist und die zusammen rund 85 Prozent der weltweiten Produktion ausmachen.

Landwirte und Exporteure befürchten Umsatzeinbußen

Treibende Kraft bei der Kommerzialisierung und einziger Hersteller von HB4-Weizensaatgut ist das argentinische Gentech-­Unternehmen Bioceres. Dabei kann das 2001 gegründete Unternehmen auf einen reichen Erfahrungsschatz setzen. Zu den Firmengründern gehören einige der Pioniere des Gensojaanbaus in den 1990er Jahren. Doch anders als bei Gensoja, das Argentiniens Felder ab der Jahrtausendwende nahezu widerstandslos eroberte, stößt der Anbau von Genweizen bei Landwirten und Exportfirmen auf Ablehnung. Sie richtet sich jedoch nicht gegen die Genmanipulation als solche. Befürchtet werden Umsatzeinbußen durch Importverbote in den Käuferländern wegen möglicher Kontaminierungen der konventionellen Weizensorten bei einem freien Anbau von HB4-Weizen.

Entsprechend groß ist die Aufregung bei den Exportunternehmen und den Weizenproduzierenden. „Wir werden kein einziges Korn HB4-Weizen beim Verladen akzeptieren, das auf dem Markt auf absolute Ablehnung stößt“, wetterte der Vorsitzende des argentinischen Getreideexportzentrums (CEC), Gustavo Idígoras, gegen die Genehmigung. Nicht anders ist der Tenor beim Gros der Weizenanbauenden.

Die Bioceres-Lob­by­is­t*in­nen haben denn auch gezielt die Genehmigungsbehörden in den Abnehmerländern im Visier. Je mehr Länder die Einfuhr und den Konsum von transgenem Weizenmehl genehmigen, desto geringer wird der heimische Widerstand, so das Kalkül. Bisher waren sie in Brasilien und – vergangene Woche – in Australien und Neuseeland erfolgreich. In den drei Ländern ist der Import und die Verwendung von Mehl aus HB4-Weizen genehmigt, aber nicht der Verkauf und Anbau von HB-4-Saatgut. Auch der EU liegt der entsprechende Genehmigungsantrag vor.

Um die Wogen in Argentinien zu glätten, hat Bioceres angekündigt, den Verkauf von HB4-Weizensaatgut mit besonderen Verträgen auf rund 250 ausgewählte Betriebe zu beschränken. Nach dem Anbau muss die gesamte Ernte beim Saatguthersteller abgeliefert werden. Was Bioceres damit als Präventionsmaßnahme gegen eine Vermischung mit konventionellen Weizensorten preist, soll vor allem verhindern, dass die Landwirte einen Teil der Ernte als Saatgut zurückbehalten. Eine gängige Praxis, die vom nationalen Saatgutgesetz abgedeckt ist, die aber für die Saatgutfirmen nicht nur Umsatzeinbußen bedeutet, sondern auch die alleinige Verfügung über die Patente der Genmanipulation untergräbt.

Bei all dem Gerangel um die Dürreresistenz geht unter, dass dem HB4-Weizen auch das Resistenz-Gen gegen das Herbizid Glufosinat-Ammonium eingebaut wurde. Die Wirkung von Glufosinat-Ammonium wird als toxischer eingestuft als Glyphosat, gegen das nach seinem jahrzehntelangen Einsatz zahlreiche Wildkräuter resistent sind. Statt „Roundup Ready“ könnte zukünftig „Basta“ versprüht werden. Beide vertreibt die Bayer AG.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Ich möchte wetten, dass da wenigstens einer/eine in der Regierung die Hand aufgehalten hat.



    So funktioniert das! Wie in Sri Lanka. Schmiergeld von den Chinesen und schon haben die beide Beine in der Tür.

    • @cuba libre:

      Oh, Sie nehmen Bezug auf Sri Lanka - also einem gescheiterten Experiment, die komplette Landwirtschaft in kürzester Zeit auf Bio umzustellen. Können Sie Ihre Andeutung weiter ausführen? Worauf wollen Sie hinaus?

  • Übrigens, Batsa (Glufosinat) ist in der EU nicht zugelassen.

  • So etwas kommt ja nicht überraschend, wenn die Saatgutindustrie in den letzten Jahren so viel Geld in die Entwicklung gesteckt hat. Dass das Resistenz Gen gegen Glufosinat (Schwester von Glyphosat..) parallel gleich eingebaut wurde zeigt deutlich die kommerziellen Ansprüche.



    Ich kann das Für und Wider gar nicht abschliessend beurteilen. Allerdings reichen die Angaben "bis 20% Mehrertrag" nicht aus, um den ökonomischen Erfolg für die Landwirte (naja ldw. Industrieunternehmen) zu beurteilen. Denn es kann auch sein dass in feuchten Jahren dieser Ertragsvorsprung nicht vorhanden ist. Aber das Saatgut wird auf jeden Fall teurer sein und es kann, bei Ausweitung des Anbaus, dann auch mal "ganz plötzlich" dazu kommen, dass Glufosinat teurer wird und die Freude über den Mehrertrag arg schrumpft.



    Ökologisch gesehen? Keine Ahnung.



    Für Landwirtinnen? Steigende Abhängigkeit, da Nachbau wahrscheinlich verboten und/oder nicht möglich ist.



    Freier Zugang zu Saatgut? Wird weiter eingeschränkt. Also ein weiterer Schritt in die falsche Richtung.



    Klimaadaption? Ein klares Jein. Es könnte der Eindruck entstehen zunehmende Trockenheit juckt uns nicht mehr, wir habe ja die neuen Sorten. Themen wie neues Wassermanagement, Abwasserrecycling, Agroforstsysteme, veränderte Landschaftsgestaltung könnten zu teuer werden. Auf jeden Fall wäre alle anderen Massnahmen komplizierter. Und wer will das schon, wenn es doch eine Wunderpille gibt.

  • Trockenresistente Kulturpflanzen in Kombination mit Pflanzengiften - anstatt intelligentes Wassermanagement & Artenreichtum.



    Globale Wasserknappheit und sich ausbreitende Wüstengebiete haben ihre Ursache sicherlich in der Erderwärmung und den dadurch ansteigenden Verdunstungsraten. Zum Großteil sind sie aber auch bedingt durch großflächigen Raubbau und Übernutzung des Grundwassers durch die Landwirtschaft und ständig ansteigender Verbrauch durch Industrie & Privat.



    Vielerorts fallende Grundwasserpegel bei gleichzeitig ansteigendem Meeresspiegel (die Entwässerung und Austrocknung der Kontinente trägt mit ~8% zum Meeresspiegelanstieg bei) sind schon paradox genug und ausschließlich der menschlichen Dummheit geschuldet. Diese ist laut A. Einstein jedoch unendlich - und so wundert es nicht, dass Brunnenvergifter sich heute als Retter gegen den Hunger der Welt aufspielen - im Prinzip aber eigentlich nur zu doof sind eine Regentonne, Zisterne oder Regenrückhaltebecken in den Wasserkreislauf zu stellen.



    climate-protecion-...ware.webnode.page/

  • Basta von der Bayer AG? Das war doch mal ein Produkt, das die Hoechst AG auf den Markt brachte und das durch verschiedene Mergers heute zur BASF gehört. Ich wette 10:1, dass Glyphosinate-Ammonium damals wie heute in Ffm-Kelsterbach synthetisiert wird, bei der BASF!