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Streamdingdienst Netflix in der KriseUnd nun zur Werbung

Netflix hat erstmals Kun­d:in­nen verloren. Auch an der Börse musste der Streamingdienst Federn lassen. Jetzt will er gegensteuern – mit drei Maßnahmen.

Wer schaut künftig noch zu? Kind mit Klamotten aus der Netflix-Serie „Squid Game“ Foto: Kim Hong-Ji/reuters

Berlin taz | Es herrscht Alarmstimmung im kalifornischen Los Gatos. Reed Hastings, Geschäftsführer von Netflix, gab im letzten Geschäftsbericht an die Ak­tio­nä­r:in­nen Mitte April zu, dass die neuesten Zahlen enttäuschend seien. Der Streamingdienst verlor einen Teil seiner wichtigsten Währung: Abonnent:innen. Aktuell haben zwar noch rund 222 Millionen Menschen ein Abo, was es zur größten Streamingplattform macht. Doch zuletzt hat das Unternehmen 200.000 Kun­d:in­nen verloren. Weitere zwei Millionen sollen in den folgenden Monaten abwandern. Wegen der schlechten Wachstumsprognosen entlässt Netflix nun sogar rund 150 Mitarbeiter:innen.

Bei einem expansionsgetriebenen Unternehmen, das permanent wachsen muss, sind die Folgen an der Börse verheerend. Ende Oktober 2021 war die Aktie noch knapp 700 Euro Wert, Mitte Mai 2022 liegt sie bei nur noch 188 Euro. Die Zeiten, in denen Netflix ständig wächst, Milliarden in eigene Inhalte steckt und dabei seinen Abon­nen­t:in­nen niedrige Preise garantieren kann, sind vorbei.

Die Gründe für die Abwanderung von Abon­nen­t:in­nen sind vielfältig, sagt der Geschäftsbericht. Menschen, die sich während der Pandemie angemeldet und ihr Abo mittlerweile wieder gekündigt haben, würden „das Gesamtbild verzerren“. Das schleppende Wirtschaftswachstum und der Krieg in der Ukraine seien Gründe für den Rückgang. Anfang März verlor Net­flix über Nacht mehr als 700.000 Kund:innen, als sich das Unternehmen aus Russland zurückzog.

Auch der wachsende Konkurrenzkampf mit anderen Diensten wie Disney+ spiele eine Rolle. Doch die Abon­nen­t:in­nen­zah­len stagnierten bereits vor der Pandemie. Im Sommer 2019 sanken diese in den USA erstmals, der heimische Markt war bereits damals gesättigt. Nur in Asien kamen zuletzt noch neue Nut­ze­r:in­nen hinzu. Für Netflix reicht das nicht, um profitabel zu bleiben.

Sharing ist nicht mehr caring

Um das dringend benötigte Wachstum wieder anzukurbeln, will Netflix bis Jahresende Werbung schalten. Damit geht es einen Schritt zurück in Richtung des klassischen Kabelfernsehens und entzieht den Use­r:in­nen einen Teil des Erfolgsgeheimnisses von Streamingdiensten: die Kontrolle über das Seh­erl­ebnis. Um Kun­d:in­nen nicht zu verprellen, sollen die teureren Abomodelle, die bereits mehrere angemeldete Geräte und die beste Bildqualität ermöglichen, werbefrei bleiben.

Erst bei den günstigen Modellen soll Werbung geschaltet werden. Das soll für jene Nut­ze­r:in­nen interessant sein, denen das bislang günstigste Abo in Höhe von 7,99 Euro pro Monat zu teuer ist und die sich eher berieseln lassen wollen. Mit einem durch Werbung finanziertes, noch günstigeres Modell könnten sie auf der Plattform gehalten werden oder neue Kun­d:in­nen hinzukommen.

Das sogenannte Account-Sharing soll künftig ebenfalls Geld und Abos einbringen. Der Begriff meint User:innen, die Netflix nutzen, ohne für ein Abo zu bezahlen. Anstatt diese auszusperren und damit an die Konkurrenz zu verlieren, wagt man ein Experiment. Seit März können Menschen in Costa Rica bei einem Konto für umgerechnet etwa zwei Euro zwei Unterkonten hinzufügen. Allein durch die von Netflix geschätzten 100 Millionen Use­r:in­nen ohne Abo wären das viele neue Abon­nen­t:in­nen auf dem Papier.

Netflix ist indes einer der letzten Streamingdienste, der Werbung schaltet. Hulu zeigt etwa seit 2015 Werbeblocks, die bis zu 90 Sekunden lang sind. Auch Disney+ wird dieses Jahr folgen, Amazon setzt mit Freevee auf einen rein werbefinanzierten Streamingdienst. Bran­chen­in­si­de­r:in­nen vermuten, dass die Werbung auf Netflix aus einzelnen Clips bestehen werde. Durch Algorithmen und gesammelte Nut­ze­r:in­nen­da­ten könnte Netflix Produkte genau platzieren und von Wer­be­kun­d:in­nen hohe Summen verlangen.

Neben dem klassischen Serien- und Filmstreaming will Netflix auch Games anbieten. Seit November 2021 gibt es mehrere Spiele, die im Abopreis in der App enthalten sind. Bislang hat Netflix drei Studios gekauft, die sich auf Mobile Games für Smartphones und Tablets spe­zia­lisiert haben. Theoretisch haben Games riesiges Potenzial für Netflix: Geschichten in verschiedenen Serien könnten dort weitergesponnen werden. Zusammen mit dem im Juni 2021 eröffneten Merchandise-Store könnte Netflix mehr Umsatz generieren und seine Marken im Game-Bereich platzieren. 50 Spiele sollen bis Jahresende im Katalog vorhanden sein.

Bislang sind das aber größtenteils nur belanglose Geschicklichkeitsspiele, die an klassische Mobile Games wie „Candy Crush“ erinnern. Kurioserweise finanzieren sich diese Spiele durch Werbung und Käufe mit Echtgeld. Womöglich schaltet Net­flix ja auch bald in seinen Games Werbeanzeigen.

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3 Kommentare

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  • Sapperlot - kein unbegrenztes Wachstum bei einer begrenzten Anzahl potentieller Kunden? Aktionäre und Wirtschafts"wissenschaftler" sind entsetzt ^^



    Der nächste Schock kommt, wenn jemand feststellt, dass selbst der Werbemarkt nicht unbegrenzt ist.

  • Ich hoffe sehr auf einen weiteren Abwärtstrend. Werbung könnte das womöglich beschleunigung.

    Warum gibt es eigentlich, ganz generell gesprochen, kein Recht auf Freiheit von Werbung!??

    • @Orwell1984:

      Die Werbung bei Netflix müssen Sie sich ja nicht anschauen. Sie bezahlen damit nur ein Kulturprogramm, dass Ihnen kein bares Geld wert ist.



      Vielleicht sollte ich das Wort Kulturprogramm in Anführungszeichen setzen, denn ich verstehe jeden, dem das kein bares Geld wert ist. Trotzdem ist das gerade eine ganz normale Entwicklung. Es gibt nur eine begrenzte Anzahl an Menschen mit Fernseher. Die Anzahl der Streamingdeinste wird dagegen gerade immer größer. Da ist es nur natürlich, dass die Abonennten pro Dienst im Schnitt weniger werden.