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„Flaniermeile“ FriedrichstraßeParkplätze gibt`s jedenfalls genug

Die Auswertung des Verkehrsversuchs zur „Flaniermeile Friedrichstraße“ liegt vor. Vor allem bei den Gewerbetreibenden fand der Versuch wenig Anklang.

Ähnelt frappierend einer italienischen Piazza – wenn man die Augen stark zusammenkneift Foto: SenUMVK

Berlin taz | Was ist eine „Parksammelanlage“? Für Normalsterbliche: ein Parkhaus. Fachbegriffe wie diese gab es einige zu hören beim Online-Meeting, auf dem Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) am Montagabend die Zukunft der Flaniermeile Friedrichstraße mit AnrainerInnen, VerbandsvertreterInnen und anderen Interessierten besprach. Nach pandemiebedingten zwei Jahren Verkehrsversuch war es höchste Zeit, das umstrittene Provisorium auszuwerten und weiterzuentwickeln.

Dass es irgendwann einmal so aussehen könnte wie auf dem computergenerierten Bild, das gleich zu Auftakt einblendet wurde, sei nur eine von vielen Möglichkeiten, versicherte Jaraschs Sprecher Jan Thomsen. Zu sehen war etwas, das mit flachen Wasserbecken, kleinen Bäumchen und Sitzgelegenheiten stark an eine beliebige deutsche Fußgängerzone erinnerte, bei Jarasch allerdings wohlwollende Assoziationen mit der Piazza eines italienischen Ortes auslöste.

„Einen attraktiven Ort“ wolle sie jedenfalls rund um die Friedrichstraße schaffen, so die Senatorin – einen Ort, der TouristInnen, aber auch BerlinerInnen anlocke. Dabei sei man auf einem guten Weg, aber vor allem zwei Dinge stünden dem entgegen: zum einen die Fahrradspur alias „Safety Lane“, die verhindere, dass Menschen tatsächlich die ganze Breite der Straße zum Flanieren nutzten. Zum anderen die „Baustellenoptik“, die „auch nicht das sei, was man sich von einem attraktiven Stadtraum erwartet“.

Das mit der Breite des Raums ließ sich plastisch auf einer der vielen Grafiken nachvollziehen, mit denen ein Mitarbeiter der Verkehrsverwaltung die Auswertung des Verkehrsversuchs erläuterte. Hunderte dünne, violette Linien zeichneten das Auf und Ab der PassantInnen auf den beiden Gehwegen vor dem Experiment nach – die Grafik nach Verbannung des Autoverkehrs und dem Aufstellen von Stadtmobiliar sah nicht viel anders aus. Offenbar kreuzen weiterhin nur wenige FußgängerInnen spontan die mittig verlaufende Radspur.

Die übrigen Ergebnisse der Auswertung hatte die Senatsverwaltung schon in der vergangenen Woche angedeutet: Der Kfz-Verkehr weicht auf Charlotten-, Glinka- und Wilhelmstraße aus, allerdings bleibt er in der Summe unter dem Aufkommen vor der Einführung der Flaniermeile. Während es bei der Frequentierung durch FußgängerInnen keine objektiven Zahlen gibt, ist die Luft ganz offiziell sauberer geworden. Und: Untersuchungen des Parkplatzangebots an den Straßen und in den Parkhäusern ergaben, dass mit einer maximalen gemessenen Auslastung von 64 Prozent noch ausreichend Kapazitätsreserven bestehen.

Der Bezirksbürgermeister von Mitte, Stephan von Dassel (Grüne), verwies in seinem Beitrag auf die wirtschaftlichen Chancen, die sich für die AnrainerInnen ergeben hätten – unter anderem dank der Marketingkampagne (leider durch die Pandemie etwas untergegangen), und der aus Landesmitteln finanzierten „Showcases“. Die gewächshausartigen Gebilde, in denen Geschäfte ihre Produkte inszenieren können, litten allerdings mittlerweile unter Vandalismus und Diebstahl: „Wir sichern die gerade besser“, versprach von Dassel. Er konnte außerdem auf positive Aussagen von NutzerInnen in „drei Befragungswellen“ verweisen.

Und nebenan Dauerstau?

Während sich Vertreter von Verkehrs- und AnwohnerInneninitiativen grundsätzlich positiv äußerten, war das Feedback der Gewerbetreibenden weniger wohlwollend. Anja Schröder vom Laden Planet Wein in der Charlottenstraße konstatierte, dass man sich an der Friedrichstraße nun über bessere Luft und weniger Lärm freuen könne. Rund um ihr Geschäft aber habe sich das Verkehrsaufkommen verdoppelt, es herrsche „Dauerstau“. Sie freue sich, dass „jetzt alles besser werden soll, aber auf mich wirkt es immer noch nicht durchdacht“.

Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg, Nils Busch-Petersen, pochte darauf, dass es nie eine „Null-Messung“ vor der Einführung des Verkehrsversuchs gegeben habe. Da die ersten Zahlen nun aus dem ersten Lockdown stammten, hätten sie keine Aussagekraft. „Wir hatten eine solche Messung immer angeregt“, so Busch-Petersen, aber nun sei „die Milch vergossen“. Er plädierte dafür, „größer“ zu denken, forderte aber gleichzeitig, eine Rückkehr zum status quo ante dürfe als Ergebnis eines Versuchs nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden.

Auch Christian Andresen, Berliner Vorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga sowie Betreiber des Hotels „The Mandala Suites“ an der Friedrichstraße, kritisierte die erhobenen NutzerInnen-Zahlen als „nicht valide“. Was die Verkehrssituation angehe, beobachte er immer wieder „chaotische“ Situationen in den Nebenstraßen: „Wenn sie bei Alnatura oder Rewe waren, müssen die Lkw oft rückwärts rausfahren.“ In der Charlottenstraße müsse die Zufahrt zu mehreren Hotels organisiert werden, gab Andresen zu bedenken: „Wir müssen uns unbedingt weiter treffen, auch vor Ort und in persona“, so sein Appell.

Wie geht es nun weiter? In Kürze wird die Senatsverwaltung ihr „Nahbereichskonzept“ für die Friedrichsstraße und Umgebung veröffentlichen. Der wichtigste Punkt darin ist das neue Routenkonzept: mit Vorrang für den Fußverkehr in der „Flaniermeile“ und Einrichtung einer Fahrradstraße in der Charlottenstraße, die vielleicht auch noch für den Kfz-Durchgangsverkehr gesperrt wird.

Das neue Routenkonzept sieht Vorrang für den Fußverkehr in der Flaniermeile und die Einrichtung einer Fahrradstraße in der Charlottenstraße vor.

Der motorisierte Verkehr soll dann über die Wilhelmstraße sowie Glinka- und Mauerstraße gelenkt werden. Weitere Punkte sind die Lenkung des Parksuchverkehrs und die Optimierung der Lieferzonen. Da gebe es noch Gestaltungsspielraum, betonten Jarasch und ihre Mitarbeiter.

Eines versicherte die Senatorin auch an diesem Abend noch einmal: Die Radspur in der Friedrichstraße verschwinde nicht, bevor die Charlottenstraße zur Fahrradstraße umgewidmet sei.

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2 Kommentare

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  • Als NeuberlinerIn Ich kannte ich das Konzept des „Flanierens“ bis vor drei Jahren noch nicht. Zuhause in Mecklenburg sind wir immer nur „gelatscht“. Ich probiere es nun regelmäßig auf der Friedrichstraße aus und fühle mich dabei immer besser. Man wird aufmerksamer für die Schönheiten der Metropole und ihrer Bewohner:Innen. Dazu trägt auch die gute Luft bei, die man dort jetzt atmet.

  • Eine Fußgängerzone mit Radweg bleibt eine völlig normale Straße. Aufenthaltsqualität für Fußgänger gleich Null. Im Gegensatz zu Autofahrern weigern sich Radfahrer für Fußgänger langsamer zu fahren oder Gott behüte gar zu zu bremsen.