piwik no script img

Sanktionen des Westens gegen RusslandPutin wird nicht leiden

Die Sanktionen machen sich in Russland besonders bei der medizinischen Versorgung bemerkbar. Darunter leiden vor allem ärmere Leute.

Alles ist knapp geworden, auch die Zahnarztausstattung Foto: imago

D en Krieg in der Ukraine spüren die Menschen in Nordossetien im Nordkaukasus auch bei sich. Ungeachtet dessen, dass hier keine Granaten explodieren und keine Maschinengewehrsalven zu hören sind, gehen die Opfer des Kriegs bereits in die Hunderte.

Война и мир – дневник

Чтобы как можно больше людей смогли прочитать о последствиях войны в Украине, taz также опубликовал этот текст на русском языке: here.

Die Sache ist die, dass aus den Apotheken nach und nach alle importierten Medikamente verschwinden. Die Hersteller haben ihre Tätigkeit in Russland eingestellt. Das führt dazu, dass irgendwelche cleveren Banditen fast alle Medikamentenbestände aufgekauft haben und jetzt illegal damit handeln. Anschaulichstes Beispiel dafür ist vielleicht die Kontaktlinsenflüssigkeit, die früher um die 200 Rubel (circa 2 Euro) gekostet hat. Jetzt wird sie auf dem Schwarzmarkt für 1.000 Rubel oder mehr angeboten.

Und das passiert, obwohl die Behörden gesagt haben, dass die Bestände an lebenswichtigen Medikamenten noch für 5 bis 6 Monate reichen. Die Menschen sind daran gewöhnt, dass der Staat sie immer betrügt. Sie versuchen deshalb, die letzten noch vorhandenen Medikamente zu kaufen. Das betrifft zum Beispiel französisches Insulin und Schilddrüsenmedikamente. Es gibt dazu auch russische Äquivalente, aber von viel schlechterer Qualität.

Auch Zahnärzte sind betroffen, die fast kein Material mehr haben. Und wenn irgendein Gerät ausfällt, gibt es einfach keine Ersatzteile mehr. Man kann dann nur auf ähnliche Modelle aus chinesischer Produktion zurückgreifen, aber die lassen sich überhaupt nicht mit denen aus Europa oder den USA vergleichen. Deshalb haben sich die Kosten für zahnärztliche Behandlungen bereits verdoppelt, und das ist noch lange nicht das Ende der Fahnenstange.

Boris Epchiev

der Autor ist Journalist und lebt in Wladikawkas, der Hauptstadt Nordossetiens im Kaukasus. Er schreibt unter Pseudonym.

Diejenigen, die plötzlich ihre Medikamente nicht mehr bekommen, wundern sich über diejenigen, die diese Sanktionen verhängt haben. Sie sagen, dass sie vor allem die kleinen Leute treffen, die nichts mit dem Krieg zu tun haben. „Putin wird nie darunter leiden“, sagen sie. Dafür leiden sie selbst schon jetzt.

Kürzlich wurde bekannt, dass Russland vielleicht seine Truppen aus Kiew und Tschernihiw abzieht. Das weckte Hoffnung, dass die Sanktionen gelockert werden und zumindest Medikamente und medizinische Geräte wieder ins Land kommen könnten. Chirurgen in Krankenhäusern warten schon jetzt ängstlich auf den Moment, in dem Skalpelle und andere medizinische Ausrüstung ersetzt werden müssen.

Auch die können noch nicht hier im Land hergestellt werden. Und das, obwohl man früher in der Sowjetunion auch alleine zurecht kam und nicht besonders auf Importprodukte angewiesen war. Übrigens nicht nur im medizinischen Bereich, sondern auch in allen anderen. Durch Sanktionen und Embargos lernten die Sowjets, lebenswichtige Dinge selbst zu produzieren, aber 35 Jahre nach dem Zusammenbruch der UdSSR hat die russische Industrie diese Fähigkeit verloren. Und um sie wieder zu erlernen, braucht es mindestens 10 Jahre. Aber so viel Zeit hat Russland jetzt nicht.

Aus dem Russischen Gaby Coldewey

Finanziert wird das Projekt durch die taz Panter Stiftung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen