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Rassistische Polizeigewalt in BerlinDen Opfern eine Stimme geben

Die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP) besteht seit 20 Jahren. Zu feiern gibt es jedoch wenig.

Auf einer Demo gegen Polizeigewalt in Berlin 2021 Foto: dpa

Berlin taz | „Rest in Peace, Hussam Fadl, und Rest in Peace all den anderen Menschen, die aus rassistischen Gründen sterben mussten. Unser Mitgefühl geht an die Hinterbliebenen, ihr seid nicht allein“, moderiert die Rassismusforscherin Céline Barry die Podiumsveranstaltung an. Eingeladen hatte die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt, kurz KOP, am Dienstagabend in das Haus der Demokratie in Prenzlauer Berg. Zum einen, um ihr 20-jähriges Bestehen zu feiern, aber vor allem um auf die Veröffentlichung ihres zweiten Chronikbands aufmerksam zu machen.

Die Veröffentlichung dokumentiert rassistisch motivierte Polizeigewalt in Berlin von 2013 bis 2021. Der erste Band schildert Fälle ab dem Jahr 2000. KOP-Mitbegründer Biplab Basu erklärt, „beide Chroniken zielen nicht darauf ab, Monitoring für Politiker oder Journalisten zu betreiben“. Vielmehr wolle man die erlebte Erniedrigung und Gewalt der Betroffenen darstellen und ihnen somit eine Stimme geben.

Die im Jahr 2002 gegründete Organisation begann ihre Arbeit eigentlich als Rechtshilfefonds. „Nach und nach fingen jedoch immer mehr Leute an, ihre Geschichte zu erzählen“, so Basu. Was KOP als Anlass sah, jene Geschichten zu verschriftlichen und der Öffentlichkeit in Form der Chroniken zu präsentieren.

Zu Beginn der Veranstaltung liest die Schauspielerin Elmira Bahrami drei Fälle von rassistisch motivierter Polizeigewalt vor. Woraufhin die anwesende Diplom-Psychologin Lucia Muriel betont, wie wichtig die Chroniken, gerade für ihre Arbeit als Psychologin, seien, da sie sich auf die Betreuung und therapeutische Begleitung der Opfer spezialisiert habe. Denn vielen Opfern werde nicht geglaubt, was oft dazu führe, dass sie ihr Erlebtes hinterfragten und die Gründe für das rassistische Handeln der Polizisten bei sich suchten.

Zwar unterschieden sich die drei Berichte in der Intensivität ihrer körperlichen und psychischen Gewalt, doch eine sei der rassistische Hintergrund und der Fakt, dass nicht gegen die Beamten ermittelt werde oder die Ermittlungen nur schleppend vorangingen.

Die Veranstaltung endet unerwartet. Eine Zuhörerin meldet sich, eine junge Frau, die mit ihrem Vater zur Veranstaltung gekommen ist. Beide sind arabischer Herkunft; dass sie hier ihre eigene Erfahrung und Geschichte erzähle, sei eine spontane Entscheidung gewesen.

20 Polizisten vor dem Bett

Die junge Frau berichtet dann mit leiser Stimme, wie die Wohnung ihrer Familie um fünf Uhr morgens von mehr als einem Dutzend bewaffneten Bundespolizisten gestürmt wurde. „20 Männer standen vor meinem Bett, rissen mir meine Decke vom Körper und filmten mich“, erzählt sie. „Ich bin seit sechs Jahren bedeckt, ich kann gar nicht beschreiben, wie ich mich in diesem Moment gefühlt habe.“ Als sie eine weibliche Polizistin wollte, habe ein Beamter gelacht und gesagt: „Wir haben dich doch eh schon ohne Kopftuch gesehen“, so die Betroffene.

Der Vater wurde fixiert, dabei brachen ihm die Beamten den Arm, schildert die Tochter. Die Familie war sich keiner Schuld bewusst. Erst später stellte sich heraus: Die Polizei hatte den Vater mit einem gesuchten Mann aus Rudow verwechselt.

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